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Auf dem Weg zu einer neuen Ost-West-Konfrontation?

Oberstleutnant Rüdiger Wiederhold, Kampfhubschrauberregiment 36, O. a. D. Hans-Joachim Feih, Leiter der Sektion Fritzlar der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP), Referent Prof. Dr. Leonid Luks, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und Hartmut Spogat, Bürgermeister der Domstadt Fritzlar (v.l.). Foto: Reinhold HockeFritzlar. Nie in seiner Geschichte war Russland so isoliert wie heute. Putin hat die Solidarität der Westeuropäer und der USA unterschätzt, als sich Russland die Krim einverleibte. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China bietet keine Alternative zum Handel und den Wirtschaftsbeziehungen mit dem freien Westen vor allem in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika. Eine militärische Lösung der augenblicklichen Probleme ist in Niemandes Interesse.

Bei der Fritzlarer Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) stand Prof. Dr. Leonid Luks als Osteuropaexperte Rede und Antwort zu der Frage, ob sich die Welt nach dem Ende des kalten Krieges und einer Epoche der Entspannung nun auf dem Wege zu einer neuen Ost-West Konfrontation befinde. Zunächst hörten die Gäste im vollbesetzten Saal des Haus an der Eder eine historische Zusammenfassung der Ereignisse, die mit Glasnost und Perestroika das Umdenken in der damaligen sowjetischen Führung begannen. Eingebettet in die bekannten Fakten der vom Gorbatschow als „Motor der Entspannung“ eingeleiteten Paradigmenwechsel in der Politik erläuterte der in Swerdlowsk geborenen Wissenschaftler die unglaublichen Veränderungen. Diese hätten im Grunde nicht den Zerfall, sondern die Erneuerung der Sowjetunion zum Ziele gehabt.

Die deutsche Wiedervereinigung bezeichnete Luks als „erdrutschartige Demontage des sozialistischen Regimes“. „Die Macht der Panzer war gebrochen“, stellt er fest.

Der Militärputsch sowjetischer Hardliner gegen das neue Konzept für die Freiheit der Völker und das Recht auf Selbstbestimmung sei unter der Führung des damaligen russischen Staatspräsidenten Boris Jelzin gestoppt worden. Danach habe sich ein politisches Klima entwickelt, das der Professor mit der Entwicklung der parlamentarischen Demokratie in der Frankfurter Paulskirche verglich. Der Wunsch nach Freiheit sei in Russland wie 1848 in Frankfurt begleitet gewesen von dem Streben nach nationaler Identität.

Die unter Jelzin entwickelten verfassungsrechtlichen Grundlagen haben sich unter Putin zu einer „Gelenkten Demokratie“ entwickelt.  ie Annäherung an den Westen, an EU und NATO (Partnership for Peace) habe in russischen Überlegungen gegipfelt, selbst Mitglied der NATO zu werden. Die Zusammenarbeit mit der NATO sei dann aber mit dem Eingreifen der NATO ohne UN-Mandat in die Auseinandersetzungen auf dem Balkan in den 1990er Jahren gescheitert.

Putins große Akzeptanz in der russischen Bevölkerung erklärte Luks mit dessen erfolgreichen Beendigung des Krieges in Tschetschenien. Aus diesem sei Putin als Sieger hervorgegangen und als Volksheld gefeiert worden. Die heutige russische Verfassungsform bezeichnete der Referent als „souveräne Demokratie“, eine Staatsform bei der der Präsident allein das Sagen hat.

Der Ukraine-Konflikt sei die größte Belastung des Verhältnisses zu Russland. Das Ausscheiden der Ukraine aus der russischen Föderation sei kein Vertrags- oder Rechtsbruch gewesen.

Nach Ende des Vortrag kamen viele Fragen aus dem Publikum. Das Hans-Dietrich Genscher als ehemaligem Außenminister zugewiesene Versprechen an Russland, dass es keine NATO-Truppen östlich der Demarkationslinie geben werde kommentierte Luks mit der Feststellung, es seien keinerlei schriftliche und damit vertragliche Vereinbarungen hierzu bekannt. Das Versprechen habe wohl eher für das Gebiet der ehemaligen DDR bis zum Verlassen der letzten russischen Verbände von deutschem Gebiet gegolten, vermutete er.

Die Qualität verstärkter wirtschaftliche Beziehungen des zunehmend isolierten Russland mit China umschrieb der Referent mit dem Hinweis auf das chinesische Geschäftsgebaren, eher alles aufzukaufen, als sich von Lieferungen abhängig zu machen. Im Westen säßen die angenehmeren und verlässlicheren Handelspartner. Die polnische Angst vor den Russen beschrieb der Osteuropaexperte als historisch begründete „Phantomschmerzen“, die sich aus der Geschichte polnischer Teilungen ergeben. Als Mitglied des mächtigsten Militärbündnisses der Welt müsse sich Polen keine Sorgen machen.

Zur Person:
Der Referent Prof. Dr. Leonid Luks, geb. 1947 in Swerdlowsk /UdSSR, Direktor des Zentralinstituts für Mittel- und Osteuropäische Studien (ZIMOS) an der Katholischen Universität Eichstätt – Ingolstadt. 1965 Abitur in Stettin, Studium der Slawischen Philologie, Osteuropäische Geschichte und Neueren Geschichte in Jerusalem und München. 1973 Promotion und 1981 Habilitation an der LMU München. Danach Hochschullehrer an den Universitäten München und Bremen. 1989 bis 1995 stellvertretender Leiter der Osteuropa-Redaktion der Deutschen Welle und zugleich Privatdozent und apl. Professor an der Universität Köln. 1992 Gastdozent an der Geisteswissenschaftlichen Staatsuniversität in Moskau. 1995 bis 2012 Inhaber des Lehrstuhls für Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte  an der KU Eichstätt-Ingolstadt. Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte. (rho)



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