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Ausstellung über Ausplünderung der Juden

Felsberg. „Da mein Sohn außerordentlich begabt ist, wie auch sein Lehrer bestätigt, bitte ich Sie, mir das Klavier des evakuierten Juden zu überlassen“: Mit dieser Bitte trat 1942 ein hessischer Bürger an sein Finanzamt heran. Zu dieser Zeit waren die Finanzämter auch Bereich des Altkreises Melsungen bereits mit der Verwertung des Eigentums der Deportierten befasst, das seit der 1941 dem „Reich verfiel“. Überall kam es zu öffentlich angekündigten Auktionen aus jüdischem Besitz: Tischwäsche, Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten den Besitzer. Viele schrieben an die Finanzämter, um sich das begehrte Klavier oder die schönere Wohnung zu sichern.

Vorausgegangen waren ab 1933 zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die auf die Ausplünderung jüdischer Bürger zielten. Umgesetzt wurden sie von Beamten der Finanzbehörden in Kooperation mit weiteren Institutionen. In der Folge verdiente das „Deutsche Reich“ durch die Reichsfluchtsteuer an denen, die es in die Emigration trieb, wie an denen, die blieben, weil ihnen das Geld für die Auswanderung fehlte oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen wollten.

Mit dieser fiskalischen Ausplünderung jüdischer Bürger in der Nazi-Zeit beschäftigt sich eine Ausstellung des Fritz Bauer Instituts, des Hessischen Rundfunks und der Sparkassen Kulturstiftung, die unter dem Titel „Legalisierter Raub – Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 bis 1945“ vom 16. April bis zum 19. Mai 2007 nun erstmalig in unserer Region, in der Drei-Burgen-Schule in Felsberg, präsentiert wird.

Auf ihren Steuerakten stand die Abkürzung „JS“ – ein Zeichen, das Armut bedeutete. Die Finanzämter ließen den Juden kaum etwas außer dem, was zum Leben dringend notwendig war. Wertgegenstände, Geld und Dinge, die den Menschen viel bedeuteten, gingen in den Besitz des Deutschen Reiches über. Die Ausstellung gibt anhand zahlreicher Dokumente, Fotografien und Exponate einen Überblick über die historischen Fakten, spürt jedoch auch die bewegenden Schicksale auf, die sich hinter dem Vorgehen der Nationalsozialisten verbergen. Persönliche Gegenstände, Finanzakten und Erzählungen von Zeitzeugen machen dies möglich. „Hinter jedem Objekt steht eine Geschichte – eine traurige, eine abenteuerliche oder eine manchmal auch ermutigende“, sagt Dr. Bettina Leder-Hindemith vom HR bei der Vorstellung des Ausstellungskonzeptes in Felsberg.

Seit vier Jahren wandert die Ausstellung durch Hessen, war unter anderem in Frankfurt, Hanau, Wiesbaden und Kassel zu sehen. Felsberg ist der erste kleinere Ausstellungsort. „Das ist für alle Beteiligten ein Experiment, auf das wir uns gern einlassen“, sagt Leder-Hindemith. Schüler seien eine wichtige Zielgruppe des Projekts, deshalb sei die Drei-Burgen-Schule als Präsentationsort ideal. Schulleiter Dr. Dieter Vaupel ist froh, dass die Felsberger Schule ausgewählt wurde und dass man so viele regionale Unterstützer, allen voran die Stadt Felsberg, der Schwalm-Eder-Kreis, die Stadtsparkasse, die Kreissparkasse und die VR-Bank, gefunden hat. „Es ist eine große Chance für uns, die Ausstellung hier zu haben, denn Schüler sind eine wichtige Zielgruppe des Projekts“, sagt er. Zur Vorbereitung setzt sich die Klasse G 10a der Felsberger Schule intensiv mit dem Thema und den Geschehnissen in Felsberg auseinander, die wichtigsten Ergebnisse werden in der Ausstellung dokumentiert. Gerade das macht die Ausstellung „Legalisierter Raub“ zu etwas Besonderem: Mit jedem Ausstellungsort wächst auch die Präsentation. Es gibt an jeder Station einen regionalen Schwerpunkt. Dazu ist man jedoch auf die Unterstützung von Zeitzeugen und Angehörigen angewiesen, die von ihren Erfahrungen berichten oder Objekte beisteuern (siehe Kasten).

Am Montag, 16. April um 19.30 Uhr, wird die Ausstellung eröffnet, der Eintritt ist frei, für Gruppen und Schulklassen gibt es nach Anmeldung kostenpflichtige Führungen. Ein Begleitprogramm an mehreren Abenden ist vorgesehen und wird noch gesondert angekündigt.

Foto oben: Die jüdische Familie Drey, die ehemals eine Kunsthandlung besaß, ihre Objekte wurden bei Judenauktionen versteigert.




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