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Pollenbach: Gelber Rauch

Von Tobias Knopp

Pollenbach. Mit großer Erleichterung hat Hans-Günter Zecher (51), Betreiber der Traditionsgastronomie „Dorfschänke Pollenbach“, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur teilweisen Aufhebung des Niederhessischen Rauchverbotes zur Kenntnis genommen. Schon seit der Einführung des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens zum 1. Oktober 2007, klagt der passionierte Wirt über einen nicht hinzunehmenden Umsatzrückgang in seiner Einraumkneipe.

Zecher:“ Das ist für mich eine unerträgliche Situation. Ich betreibe diese Wirtschaft bereits in der sechsten Generation, aber so was ist mir noch nicht untergekommen. Früher gab es hier ab neun Uhr morgens nur noch Stehplätze, weil alles überfüllt war. Und jetzt? Völlige Lehre. Die Kinder aus der Grundschule „Auf der Pöppelburg“ müssen sich jetzt in der Kälte rumdrücken, um ihre Schultüten zu rauchen. Die trinken hier weder Schnaps noch Bier am Tresen, so wie sie das sonst immer gemacht haben. Ich weiß nicht, wo das noch hinführen soll“.

Und tatsächlich, ein Blick in die Buchhaltung der „Dorfschänke Pollenbach“ offenbart die scheinbar aufziehende Apokalypse: Hans-Günter Zecher droht, in die roten Zahlen zu rutschen. Doch was bleibt, um dem sicheren Untergang des Familienbetriebes zu entgehen? Die Antwort liegt für ihn in der Entschlossenheit, ungewöhnliche Wege zu gehen. „Ich habe mir da eine Alternative einfallen lassen“, so Zecher. „Im Thekenbereich hatte ich bisher eine Warenauslage mit Chips, Salzstangen und Schokoladenriegeln. Das ist alles weg. Stattdessen gibt es bei mir jetzt Pattex-Tuben zum Großhandelspreis. Denn Kleber schnüffeln fällt ja bekanntlich nicht unter das Rauchverbot. Sie sollten mal sehen, wie die Grundschüler jetzt wieder Schlange stehen.“.

Beeindruckend, was so ein frischer Pioniergeist alles zu Tage bringt. Doch der leise Optimismus, der in der Dorfschänke zu spüren ist, täuscht nicht über ein gerüttet Maß an Politikverdrossenheit ihres Betreibers hin. „Manchmal weiß ich gar nicht, was sich diese Regierung noch einfallen lässt, um uns fertig zu machen. Alles wollen die uns verbieten: Essen, Trinken, Rauchen, Autofahren. Der neuste Renner ist ja Feinstaub. Der soll doch angeblich so gefährlich sein. Mein Kumpel Ulli hat jahrelang Koks eingeatmet. Den haben sie mit 29 tot auf der Herrentoilette im Frankfurter Hauptbahnhof gefunden. An einer Staublunge ist er jedenfalls nicht gestorben. Ach, hören Sie mir doch auf, am Ende will der Staat doch nur unser Geld und sonst gar nichts.“.

Ja sicher, auch Politiker leben eben nicht allein von Luft und Liebe, das sollte man auch als Wähler wissen. Hans-Günter Zecher jedenfalls reagiert schnell auf politische Veränderungen. Seit kurzem prangt ein Schild an seiner Kneipentür. „Hier darf wieder geraucht werden!“, lautet die Inschrift und lädt die bisher ausbleibenden Massen zum intensiven gemeinschaftlichen Inhalationserlebnis ein. Aggressive Werbung tut ihr übriges. So kündet ein großes Plakat von den „McHustenwochen“, für die Hans-Günter Zecher eigens die seit Jahren gesammelten Kippenstummel im offenen Kamin verbrennt. Und das gratis, bei geschlossenem Rauchabzug!

Auch von seiner neusten Idee, ein „Bronchialauswurf-Weitspucken“ als heiteren Wettstreit auszurichten, erhofft sich Zecher reges Interesse. Als erster Preis winkt ein Gutschein von Pietät Kümmerlich, der besten Pollenbacher Adresse, wenn es um Bestattungen geht. Dort darf sich der Sieger vorab ein schönes Sargkissen raussuchen, der zweite Platz erhält immerhin noch ein maßgeschneidertes Papierhemd.

Damit jedoch gibt Hans-Günter Zecher indirekt zu, dass das Inhalieren von Tabakrauch gefährlich ist, ja sogar tödlich sein kann. Zecher: „Na, und? Sie müssen das eben mal aus einer anderen Perspektive sehen. Hier geht es nicht um die Gesundheit meiner Gäste, sondern um das wirtschaftliche Überleben meiner Kneipe. Das ist, wie wenn man mit dem Rücken an der Wand steht, ein Gewehr in den Händen hält und von gegenüber zielen ein paar Leute mit ihren Pistolen auf einen. Was machen Sie denn dann? Für mich heißt es nur: Die oder ich. Natürlich können Sie auch die Munition verbieten. Dann kann ich aber immer noch mit dem Gewehr zuschlagen, ha, ha…“.

Interessante These, die zudem darauf hindeutet, dass – abhängig von der Perspektive – selbst die Logik als solches  „relativ“ im Sinne von Einstein zu sein scheint… Abschließend stellt sich dann aber doch noch die Frage, welchen Stellenwert Passivraucher im Gastronomiebetrieb „Dorfschänke Pollenbach“ einnehmen. „Passivraucher zählen bei mir als Kolateralschaden, den man billigend in Kauf nehmen muss. Wie ich schon sagte: Die oder ich.“

Eine Aussage, die nachdenklich stimmt. Aber es gibt auch Hoffnung am rauchverhangenen Horizont: Nach Mitteilung der Verbraucherschutz-Kommissarin Meglena Kuneva plane die EU, baldmöglichst selbstlöschende Zigaretten einzuführen, die nach kurzer Zeit ausgingen, wenn man daran nicht ziehe. Das mache das Rauchen sicherer und verhindere den Tod von wenigstens 2000 Rauchern europaweit, die bei selbst verursachten Bränden ums Leben kämen.

So viel Sorge um die Gesundheit von nikotinabhängigen Spitzensteuerzahlern macht schon ein wenig neidisch. Andererseits handelt es sich im Vergleich zu 500.000 europäischen Tabaktoten jährlich doch eher um einen zu vernachlässigenden Kolateralschaden. Dennoch: Die Gesetzesinitiative ist gut gemeint. Aber: „Gut gemeint“ ist ja bekanntlich das Gegenteil von „gut gemacht“. Übrigens, was ist der Unterschied zwischen „der Hoffnung“ und „dem Raucher“?

Die Hoffnung stirbt zuletzt …