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MT: Erste Halbzeit top, zweite Halbzeit flop

Flensburg/Melsungen. Handball-Bundesligist MT Melsungen bot am Dienstagabend Championsleague-Teilnehmer SG Flensburg/Handewitt eine Halbzeit lang überraschend Paroli, knickte dann aber in der zweiten Hälfte völlig ein. Die Nordhessen unterlagen in der nicht ganz ausverkauften Flensburger Campus-Halle vor 6.097 Zuschauern mit 26:33 (16:13). Die MT Melsungen trat in Flensburg erstmalig unter den Augen ihres künftigen Trainers Ryan Zinglersen an, der das Spiel von der Tribüne aus verfolgte. Das Hedin-Team begann gegen die favorisierten Gastgeber sehr konzentriert und übernahm von Beginn an das Kommando. In der Anfangsbesetzung Tellander, Junillon, Vuckovic, Klitgaard, Valo, Karipidis und im Tor Kelentric, agierte die MT ganz im Stile einer Auswärtsmannschaft.

Die Angriffe wurden besonnen aufgebaut, um die Flensburger Abwehr jeweils im entscheidenden Augenblick mit wuchtigen Würfen zu überraschen. Vor allem Nenad Vuckovic nutzte die sich ihm bietenden Gelegenheiten und erzielte bis zur 12. Minute vier der bis dahin sieben Tore für die MT. Dabei sah auch der ansonsten zu den stärksten Keepern der Liga gehörende Dan Beutler nicht gut aus.

Auf der anderen Seite hielten Kelentric & Co. die Gästeangreifer weitestgehend in Schach. Die SG, die auf ihre Besetzung aus dem Championsleague-Spiel zwei Tage zuvor gegen Montpellier vertraute, wirkte schwerfällig und agierte zunächst zurückhaltend. Weder der mit Fieber ins Spiel gegangene Trainersohn Oscar Carlén, noch der wurfgewaltige Lasse Boesen oder Spielmacher Thomas Mogensen vermochten im Rückraum Akzente zu setzen. Entsprechend gering war auch der Erfolg von den Außenpositionen. Lars Christiansen, einer der Top-Shooter der Liga, trat bis dahin lediglich bei zwei Strafwürfen erfolgreich in Erscheinung. Was ansonsten auf’s Tor von Mario Kelentric kam, vereitelte der MT-Keeper mehrheitlich. In der ersten Viertelstunde verbuchte er bereits 5 Paraden.

Als die immer selbstbewusster aufspielende MT bis zur 19. Minute ihren Vorsprung gar auf 11:7 ausgebaut hatte, zog SG-Coach Carlén die Grüne Karte. Allerdings verfehlte seine Ansprache in der Auszeit offenbar ihre Wirkung. Denn die MT setzte unbeirrt ihren Weg fort. Und das obwohl mit Junillon und Vuckovic zwei Korsettstangen aus der Anfangsbesetzung inzwischen das Feld geräumt hatten. Der Weltmeister hatte nach einem Schlagwurf die Hand des Gegners unbeabsichtigt vor dem Kopf und musste anschließend mit einer Platzwunde auf die Bank. Kurz danach hatte Vuckovic den Finger von Lasse Boesen im Auge und benötigte ebenfalls Erholung. Die beiden wurden von Stojanovic und Sanikis ersetzt. – Mit Erfolg! So baute die MT nach deren jeweiligem Treffer ihre Führung gar auf komfortable fünf Tore aus (8:13, 22. Min.). Zu diesem Zeitpunkt machte die “Hölle Nord” ihrem Namen keinerlei Ehre, die gut 6.000 Zuschauer hatten ihre akustische Unterstützung längst auf Sparflamme zurück gedreht.

Gespielt waren 27 Minuten und 52 Sekunden als Grigorios Sanikis – Melsungen war aufgrund einer Zeitstrafe gegen Daniel Valo dezimiert – mit seinem dritten Treffer die Melsunger Führung auf 16:11 schraubte. Als sich die Rotweissen in ihrem folgenden Angriff in Unterzahl schwer tat, erlöste Robert Hedin seine Schützlinge mit einer Auszeit. Die Uhr stand auf 28:48 Minuten. Acht Sekunden nach Wiederanpfiff würde Daniel Valo die MT wieder komplettieren. Die Chancen, den Vorsprung mit in die Pause zu nehmen, standen also nicht schlecht. Doch es sollten zwei Nackenschläge folgen, von denen sich später herausstellen würde, dass sie der eigentliche Ausgangspunkt waren, ab dem das Spiel kippte. Binnen der verbleibenden 78 Sekunden bis zum Halbzeitpfiff leistete sich Melsungen mehrere völlig überflüssige Fehler, von denen zwei durch Flensburgs Mogensen und Christiansen (Strafwurf) zur Verkürzung auf 13:16 genutzt wurden.

Das Unheil setzte sich aus MT-Sicht gleich nach Wiederanpfiff fort. Robert Hedin ließ in der Anfangsbesetzung spielen. Innerhalb von nur gut fünf Minuten schaffte es Flensburg – obwohl während dieser Phase gleich zweimal in Unterzahl – den 13:16 Halbzeitrückstand in eine 17:16-Führung umzuwandeln. Es war die erste für die Hausherren an diesem Abend. Zudem hatte der 17. Treffer durch Thomas Mogensen die Campus-Halle aus ihrer Lethargie erweckt, jetzt standen die Fans tatsächlich – wie stets in einer Kultprozession vor jedem Spiel gefordert – wie der “8. Mann” hinter ihrer SG. Was aber war in diesen Minuten bei der MT Melsungen passiert, dass sie sich das Heft aus der Hand nehmen ließ? Statt vorne die jeweiligen Überzahlsituationen in Ruhe zu nutzen, wurde überhastet und fehlerhaft geworfen. Statt hinten auch gegen die dezimierten Gastgeber weiterhin engagiert zu Werke zu gehen, waren Beine und Arme wie gelähmt. Stellvertretend für die Umkehr des Spiels steht die Situation in der 34. Minute: Daniel Valo leistet sich einen Fehlwurf in Überzahl und im anschließenden Flensburger Angriff markiert Christiansen per Kempa-Trick das 16:16.

Als sich in der 36. Minute Thomas Klitgaard zum 17:17 durchgetankt hatte, war die MT zum letzten Mal an diesem Abend mit der SG auf Augenhöhe. Fortan übernahm das Carlén-Team das Kommando auf dem Feld. Nicht zuletzt, weil ihm Melsungen durch eine gewisse Kopflosigkeit den Weg dazu erleichterte. Robert Hedin zog zwar anschließend noch einmal einige Register, um das Blatt wieder zu wenden – leider ohne Erfolg. Dazu zählten die Wechsel Karipidis gegen Tzimourtos, Sanikis gegen Junillon,  Stojanovic gegen Vuckovic und Herold gegen Kelentric genauso, wie die Maßnahme, Flensburgs Regisseur Mogensen durch Tellander eng beschatten zu lassen. Der Faden im MT-Spiel war einfach auf unerklärliche Weise gerissen.

Kämpferisch indes gaben sich die Nordhessen nie auf. Nachdem Flensburgs kurzfristig verpflichteter Neuzugang Jakob Thoustrup in der 42. Minute zum ersten Mal für seinen neuen Club traf (21:18), konterte die MT durch zwei Valo-Treffer, und so keimte beim 22:20 (43.) noch einmal leichte Hoffnung im Melsunger Lager auf. Die aber wurde durch Christiansen (per Strafwurf), Jensen und Boesen rasch zerstreut. Das 25:21 (46.) kam einer Vorentscheidung gleich.

In der Schlussviertelstunde wurde Flensburg dann vollends seiner Favoritenrolle gerecht. Der Tabellensiebte schien sich den Frust der letzten Misserfolge von der Seele werfen zu wollen. An den restlichen acht SG-Treffern waren nicht weniger als sechs verschiedene Schützen beteiligt. Zum Matchwinner war bis dahin aber längst Ersatztorwart Jendrik Meyer avanciert, der die MT-Angreifer vor allem in der zweiten Halbzeit reihenweise mit Blitzreaktionen zur Verzweiflung getrieben hatte.

Stimmen zum Spiel
Per Carlén:
Ich glaube, unsere Spieler waren in der ersten Halbzeit in Gedanken noch in Montpellier. Anders kann ich mir diese Leistung nicht erklären. In der Pause wurde es in der Kabine dann sehr laut, die Worte kann ich hier jetzt nicht wiederholen. Das scheinen die Spieler aber verstanden zu haben. Ich bin froh, dass wir die Wende noch geschafft haben.

Robert Hedin: Wir wussten, dass Flensburg die Strapazen aus dem vor zwei Tagen bestrittenen Championsleague-Spiel noch nicht ganz verdaut haben würde und wir hatten uns hier entsprechend viel vorgenommen. In der ersten Halbzeit klappte das auch hervorragend. Aber danach haben wir unerklärlicherweise total die Linie verloren. Schon in den Anfangsminuten der zweiten Halbzeit deutete sich das an, als wir nach eigenen, dummen Fehlern – noch dazu in Überzahl – gleich zwei Gegentore kassierten. Wir haben jetzt ausreichend Zeit, um uns auf das schwere Heimspiel Ende des Monats gegen Balingen vorzubereiten. Das wollen und müssen wir unbedingt gewinnen.

Statistik

SG Flensburg/Handewitt – MT Melsungen 26:33 (16:13)

SG Flensburg/Handewitt: Beutler (1.-17., 2 Paraden), Meyer (18.-60., 14 P.); Christiansen 13/8, Mogensen 5, Carlén 4, Boesen 3, Hansen 3, Knudsen 2, Jensen 1, Thoustrup 1, Heinl 1, Molsen, Schneider, Johannsen.

MT Melsungen: Kelentric (1.-48., 12 P.), Herold (49.-60. und bei 2 Strafwürfen., 5 P.); Junillon 1, Orzlowski, Klitgaard 5, Valo 7, Tellander 1, Tzimourtos 3/1, Stojanovic 1, Treutler (n.e.), Sanikis 3, Karipidis, Vuckovic 5.

SR: Martin Harms / Jörg Mahlich (Magdeburg/Stendal)

Zeitstrafen: 7 – 3 (SG: Carlén 2, Boesen, Knudsen, Jensen 2, Heinl – MT: Valo, Vuckovic, Klitgaard).

Siebenmeter: 8/8 – 1/1 (SG: Christiansen – MT: Tzimourtos)

Zuschauer: 6.097, Campus-Halle, Flensburg.

Spielfilm: 1:2 (3.), 2:3 (6.), 3:4 (9.), 5:7 (12.), 6:8 (15.), 7:10 (18.), 8:12 (21.), 10:14 (24.), 11:15 (27.), 13:16 (HZ); 15:16 (33.), 17:17 (36.), 19:17 (39.), 21:19 (42.), 24:21 (45.), 26:22 (48.), 28:23 (51.), 29:23 (54.), 32:24 (57.), 33:26 (EN)