Pollenbach: Versaute Jugend
Von Tobias Knopp
Pollenbach. Verehrte Leser, aus aktuellem Anlass spricht heute Vikar Gabriel Himmelstreu (Freie Glaubensgemeinschaft Pollenbach) über die Gewaltverrohung unserer Kinder.
Liebe Leichtgläubige,
als ich unlängst, bei der Weihnachtsfeier der Pollenbacher Messdiener den Klingelbeutel für die Adventsspendenaktion „Ein neuer Dienstwagen für den Gemeindevikar 2009“ umherkreisen ließ, bemerkte ich, wie zwei Knaben, die die feierliche Stunde bislang einträchtig nebeneinander verbrachten, plötzlich in Streit gerieten. Der Ministrant Siggi Stutzke (36) wollte beobachtet haben, wie Messdiener Henner Hase (8) angeblich aus dem Klingelbeutel zwei Euro entnommen hat. Auf die frevelhafte Tat angesprochen, zeigte Messdiener Henner Hase zunächst keine Reaktion und setzte gänzlich unerwartet zu einem „Stille Nacht, heilige Nacht“ in Cis Moll an. Völlig verdutzt zog Ministrant Siggi Stutze darauf hin seinen Rosenkranz aus dem Talar und schlang ihn zweifach um den Hals von Messdiener Henner Hase, dessen Gesichtsfarbe augenblicklich in ein ungläubiges Dunkelblau wechselte.
Sein Versuch, das „Stille Nacht, heilige Nacht“ wenigstens in H Moll zu Ende zu pfeifen, scheiterte im Ansatz und wurde lediglich vom rhythmischen Beifall der zufällig den Gemeindesaal betretenden Laienspielgruppe „Kommet ihr Hirten 1860 Pollenbach“ flankiert. Aus dieser Gruppe löste sich nun eine Abteilung von drei Mädchen unter der Führung von Annemarie Faust, die sich seit ihrem Ausschluss aus der Heilsarmee zu den Sympathisanten von Messdiener Henner Hase zählt und aus einer in den Gemeindesaal eingeschmuggelten Dose „Drei-Wetter-Taft“ das Feuer eröffnete, während ihre Schwestern Mathilde und Rosemarie mittels des in ihre Gewalt gebrachten Weihrauchbechers für Gefechtsfeldvernebelung sorgten.
Nun war für den überwiegenden Teil der Anwesenden der Zeitpunkt gekommen, hinter dem Traktatständer Schutz zu suchen. Erwartungsgemäß zwang die zunehmende Anreicherung der Luft durch leicht entzündliche Gase Ministrant Siggi Stutzke, den eisernern Griff um den Hals von Messdiener Henner Hase zu lockern, der augenblicklich in die freie Interpretation des „Herbei, oh ihr Gläubigen“ in D Dur überging. Aufgestachelt von soviel Impertinenz des Sängerknaben Hase ergriff Ministrant Stutzke den linkerhand montierten eisernen Kerzenständer Modell „Fackelmanns Inferno“, in der Absicht, im rechtsseitigen Schläfenbereich des Messdieners Hase einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Dieser jedoch entzog sich kurz vor der anzunehmenden maximalen Krafteinwirkung durch eine geschickte Drehung des Oberkörpers, was ein Aufschlagen des eisernen Kerzenständers Modell „Fackelmanns Inferno“ auf den rustikalen Landhausfliesen des Gemeindesaales zur Folge hatte. Erstaunlichweise reichte der dabei entstehende Funke aus, um die gasgeschwängerte Raumluft im Bereich der vorderen Sitzgruppe zur Verpuffung zu bringen.
Dabei wurde der Gemeindesaal in erhebliche Mitleidenschaft gezogen. Die Verglasung im Eingangsbereich zersplitterte durch die Wucht der Explosion und der nun einsetzende Brand zerstörte verschiedene Wandteppiche mit den aufmunternden Motiven der Johannesoffenbarung. Der Klingelbeutel ist der Feuersbrunst jedoch dem Himmel sei Dank nicht zum Opfer gefallen.
Nun frage ich Sie, liebe Schwestern und Brüder: Woher kommt so viel Gewaltbereitschaft? Haben wir uns unseren Kindern nicht liebevoll genug zugewandt? Ist es uns nicht gelungen, Werte der Toleranz und Nächstenliebe zu vermitteln? Oder sind die wahren Ursachen am Ende ganz woanders zu suchen? Ich denke, ja. Werfen wir gemeinsam einen Blick auf die uns alle umgebenden Unterhaltungsmedien:
Allem voran leistet das Fernsehen dem fortschreitenden Sittenverfall Vorschub. Dort werden wir täglich zu Versuchungen angehalten, die uns unser Heil in der Fleischlichkeit vorgaukeln wollen. Ich aber sage Euch, lasset ab von dem liederlichen Weibe, denn es ist unrein.
Aber die größten Gefahren für unsere Jugend finden sich in den Computern. Ballerspiele verführen die zarten Seelen unserer Kinder, das Töten zu lernen, satanische Spiele bringen uns die Botschaft Luzifers nahe. Und wenn Luzifer unsere Kinder erst auf seine Seite gezogen hat, haben wir allzu große Not, sie für das Gute zurück zu gewinnen und sie zu lehren, dass auch das virtuelle Schießen Teufelswerk ist.
Und wenn wir unsere Kinder erst auf unsere Seite gezogen haben, kommt dieser unsägliche Sünderstaat, steckt sie in Uniformen, drückt ihnen Gewehre in die Hand und lehrt sie das Morden, weil er seine Sache für gerecht hält. Ja, er meint, in diesem Falle wäre es schon okay, seinem Nächsten die Eingeweide aus dem Abdomen zu ballern. In mir dagegen nagen da noch leise Zweifel.
Doch haben auch Sie bereits von den schrecklichen Nachrichten gehört? Da basteln verirrte Schwachköpfe Bombenattrappen und deponieren sie im Vorgarten schwerhöriger Mütterchen. Und das nicht irgendwo in Marzar-i-Sharif, nein, mitten in Pollenbach. Was soll man dazu noch sagen? Fast schon fehlen mir die Worte. Aber wie ich schon sagte, nur „fast“. Solchen Menschen wünsche ich von Herzen achtzehn Wochen Diarrhö, ohne die geringste Aussicht auf ein Blatt WC-Papier. Ja, wir müssen erkennen, dass da Individuen unter uns sind, für die es keine Aussicht mehr für eine Rückkehr auf den rechten Pfad gibt.
Allen anderen aber rufe ich zu: Kehret um, es ist noch nicht zu spät. Nehmt Einfluss auf Eure Kinder, denn sie sollen nicht wie Hein und Bärbel werden. Bringt Eure Fernseher und Computer in das Gemeindehaus, auf das aus ihnen Geld werde im Garten eBay, z.B. für die Renovierung des Gemeindesaals oder für die Anschaffung eines neuen Dienstwagens des Gemeindevikariats.
Denn Geben ist seliger, denn nehmen und das letzte Hemd kennt keine Taschen. Denen, die geben, wird Erkenntnis zuteil und Erleichterung. Denen aber, die sich verwehren, wird das Feuer der Verdammnis die Augäpfel zum Platzen und die Eingeweide zum Kochen bringen, und ihr Leib wird gevierteilt, in alle Richtungen des Himmels verstreut und den Raben zum Fraße werden.
So lasst uns nun in Frieden hinausgehen und diese Botschaft in alle Welt tragen.
Herzlichst,
Ihr Gabriel Himmelstreu
Gemeindevikar
Zur Person:
Gabriel Himmelstreu ist Gemeindevikar, 44 Jahre alt, verheiratet und hat vier Kinder im Alter von zwei, sieben, neun und achtundzwanzig Jahren. Er übt seit 1. Juli 2006 das Amt des Gemeindevikars der freien Glaubensgemeinschaft Pollenbach aus. Vikar Himmelstreu ist passionierter Jäger und sammelt ost-asiatische Seidenraupenschmetterlinge. Nebenberuflich ist er Anlageberater der Niederhessischen Kapitalgesellschaft mbH und war bis April 2008 ehrenamtliches Mitglied im Vorstandsrat von UNICÄF Deutschland. Sein Sternzeichen ist Widder, zweiter Aszendent.
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