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Pollenbach: Sommerzeit!

Von Tobias Knopp

Pollenbach. Heißa, da ist sie wieder, die geliebte Sommerzeit! Und da sind sie wieder, die hellen, langen Abende, an denen wir auf den Terrassen der ungezählten Langzeitkreditvertrags-Einfamilienhäuser halbblutige Steaks herunter schlingen, Bier aus der Dose trinken, die mutmaßlichen Eheprobleme abwesender Nachbarn besprechen und mit der fortschreitenden Dunkelheit den weiten, unendlichen Sternenhimmel bestaunen. Nebenbei bemerkt: Nach aktuellen seriösen Schätzungen renommierter Wissenschaftler tummeln sich alleine in unserer Galaxie bis zu 10.000 intelligente Zivilisationen. Nur auf unserem Planeten ist bisher nichts in der Richtung zu finden. Ist nicht schlimm, Lebbe geht weider…

Aber ist es nicht schön, jetzt vor dem Klingeln des Weckers im Bett zu liegen und dem enthusiastischen Gezwitscher der sich paarenden Vögelein zu lauschen? Wie lieblich sie den jungen Morgen begrüßen, es ist die reinste Wonne! Allerdings soll es Menschen geben, die selbst das stört. Und wie man hört, soll der Absatz von Luftgewehrmunition in den letzten Tagen sprunghaft angestiegen sein.

Problematischer stellt sich aber die Umgewöhnung auf die Sommerzeit dar. Gewiss, wenn eine Stunde fehlt, das ist schon schwierig. Viele behaupten ja, ihnen seien die 60 Minuten gestohlen worden. Daraufhin sagen wieder andere, das wäre nicht so schlimm, sie bekämen die Zeit ja im Herbst wieder. Daher könne man bestenfalls von „vorübergehender Zeitaufbewahrung“ und nicht von „heimtückischem Diebstahl“ im eigentlichen Sinne reden. Gut. Problematisch wird die ganze Geschichte allerdings, wenn man im Sommer verstirbt. Dann ist man nämlich eine Stunde früher verstorben und hat  rein rechnerisch eine Stunde weniger gelebt. Überlegen Sie mal: Eine ganze Stunde! Was könnte man damit alles machen…?

Zum Beispiel die richtigen Lottozahlen tippen. Oder Wattestäbchen mit DNA versauen, damit das Bundeskriminalamt mal wieder was zu suchen hat. Oder mit den Fingern bei „Bauer sucht Frau“ ein paar Hühnern im Arsch rumwühlen und dafür Geld kassieren. Oder in derselben Sendung als Vollpfosten eine drei Köpfe größere, mürrische Zicke übers Tanzparkett schubsen und anschließend allen Ernstes glauben, sie würde einen heiraten.

Auch dafür gibt’s Geld, wie man hört. Und das ganz ohne Intelligenz. Fest steht jedenfalls, dass es in Trendelburg und Neukirchen-Rückershausen keine Außerirdischen gibt. Oder – falls doch, sind die anderen 10.000 Zivilisationen in unserer Galaxie genauso doof wie wir. Dann brauchen wir aber nicht mehr nach den Aliens  zu suchen und können das Geld anderweitig verbraten. Zum Beispiel zur Lösung der wirklich wichtigen Probleme auf unserem Planeten.  Ja, Herrschaften, manchmal ist das Leben voller Überraschungen.

Apropos Probleme: Traditionell fangen die wirklichen Probleme im Zusammenhang mit der Zeitumstellung bereits bei der kompetenten Handhabung der eigenen Uhr an. Sind wir doch mal ehrlich: Ist erstmal die überraschende Tatsache wahrgenommen worden, dass mal wieder Sommerzeit ist, drehen wir hektisch an unserer Tchibo-Armbanduhr herum. Das Resultat: Die Zeiger bleiben wo sie sind, aber das Datum ist verstellt. Toll! Richtig spaßig wird die Geschichte erst, wenn man – so wie ich – einen EU-Importwagen fährt. Ich nenne jetzt mal nicht die Marke, aber in Frankreich gibt’s glaube ich nur eine.

So, da steige ich also Montagmorgen in der Garage in meinen Renault und stelle nach dem knapp 20-minütigen intensiven Studium des Betriebshandbuchs die Borduhr eine Stunde vor. Das Ergebnis: der Rückwärtsgang geht nicht mehr rein. Aha. Jetzt steht die Karre also bis 25. Oktober in der Garage. Und danach steht sie über Winter im Freien. Denn wenn die Uhrzeit eine Stunde zurück gestellt wird, gehen die Vorwärtsgänge nicht mehr rein.

Die gute Nachricht: wenn man so ein Auto kauft, kann man die Abwrackprämie gleich zweimal kassieren. Einmal für die Verschrottung des Altfahrzeuges und einmal für das Einstampfen des Neuwagens. Allerdings erst, wenn man die gestohlene Stunde wieder hat. Aus Zeitgründen, versteht sich. Ob die Steuergelder für die Abwrackprämie dann noch in ausreichendem Umfang vorhanden sind, ist dagegen ungewiss.

Aber auch hier zählt der olympische Gedanke: „Dabei sein ist alles.“ Schließlich ist man ja auch nicht alleine in der großen Masse der Antragssteller, die garantiert in die Röhre schauen. Das schafft auf jeden Fall ein solidarisches Gefühl. Und das ist im „Jahr der schlechten Nachrichten“ äußerst wichtig, bitte glauben Sie mir.

Warum die Abwrackprämie nur auf Autos beschränkt ist und dabei nicht für motorisierte Fahrzeuge allgemein gilt, ist mir ehrlich gesagt völlig unklar. Gerade jetzt, wo man wieder abends auf den Terrassen der ungezählten Langzeitkreditvertrags-Einfamilienhäuser halbblutige Steaks herunter schlingt, Bier aus der Dose trinkt und die mutmaßlichen Eheprobleme abwesender Nachbarn bespricht, hört man sie doch wieder so fröhlich durch die laue Abenddämmerung summen: Die Organspender der Landstraße.

Ja, der Frühling ist die Motorradsaison schlechthin! Wer kennt es nicht, das Jaulen überzüchteter Zweitaktmotoren, die mit anschwellendem Ton durch die kühle Abendluft kreischen, als taumele Manfred von Richthofen mit seiner roter Fokker dem unausweichlichen Fliegertod entgegen. Oft lässt auch bei jenen Motorradrasern das Geräusch des berstenden Einschlages nicht lange auf sich warten. Ja, es ist gefährlich, mit schweren Maschinen über den Asphalt zu jagen. Das kann ins Auge gehen, Herrschaften.

Die Rettungsdienste beklagen bereits jetzt eine zunehmende Kopflosigkeit bei Motorradfahrern auf der A7. Für Erleichterung sorgt jedoch die Erkenntnis, dass sich solche Leute in der Regel nur selbst umbringen. Hinterbliebene zeigen sich aber immer wieder verbittert, dass sie für die Unfallmaschinen keine Verschrottungsprämien in Anspruch nehmen können. Beerdigungen sind nun mal teuer. Andere sind übrigens schon auf die Idee gekommen, die noch brauchbaren Organe bei eBay einzustellen.

Bei privaten Auktionsanbietern macht allerdings noch der Kühlversand Probleme. Deshalb überlegt man nun, Transplantationen direkt am Unfallort vorzunehmen. Das spart dem Gesundheitswesen immense Kosten. Wundern Sie sich bitte also nicht, wenn jetzt in der warmen Jahreszeit entlang der A7 lauter kränklich aussehende Menschen auf wackligen Klappstühlen sitzen. Die warten auf den nächsten Motorradunfall…

Übrigens habe ich jetzt eine Stunde damit verschwendet, einen weitgehend sinnfreien Text zu schreiben. Und ob ich die im Oktober wiederkriege, halte ich für eher fraglich. Auf jeden Fall trage ich seit kurzem immer einen Taschenrechner mit mir herum. Denn das Umrechnen von Euro auf D-Mark und der mathematische Abgleich meiner inneren Uhr mit der Sommerzeit überfordert mich. Ehrlich.

Zum Schluss aber noch ein brandheißer Tipp für alle depressiven Leser: Übernächsten Monat werden die Tage wieder kürzer. Dann beginnt die dunkle Jahreszeit. Die Zeit der Trauer und des Abschieds, des Leids und der Vergänglichkeit. Doch wie sagte Martin Luther dereinst so schön: „Und  wüsste ich, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Na, dann mal los, Herrschaften!

Frühjahr ist Pflanzzeit!