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Kfz-Branche hofft auf ein Soft-Landing

unternehmertag-2009Schwalm-Eder. Unterschiedliche Sichtweisen über die Entwicklung in der Automobilwirtschaft konnten 150 Unternehmer sowie Gäste aus Politik, Verbänden und Institutionen auf dem Unternehmertag Schwalm-Eder in der Homberger Stadthalle hören. Hessens Minister für Wirtschafts-, Verkehr und Landesentwicklung, Dieter Posch und der Präsident des Landesverbandes Hessen des Kfz-Gewerbes, Jürgen Karpinski referierten zu dem Thema: „Die Zukunft der Automobilwirtschaft – Krise als Chance?“ In der anschließenden Podiumsdiskussion kamen zudem der Werkleiter von VW in Baunatal, Prof. Dr. Hans-Helmut Becker und der Vorstandsvorsitzende der Konvekta AG, Constantin Schmitt, als lokaler Zulieferer, zu Wort. Am Ende der dreistündigen Veranstaltung war man sich darüber einig, die Kfz-Branche hofft auf ein Soft-Landing, einen fließenden Übergang ohne größere Blessuren.

Umweltprämie
Nach der Begrüßung und Eröffnung durch Kreishandwerksmeister Frank Dittmar und Landrat Frank-Martin Neupärtl analysierte Präsident Jürgen Karpinski nüchtern die Situation im Kfz-Gewerbe aus Sicht der Autohäuser in Hessen. Auch ohne Wirtschaftskrise kennzeichnen stagnierende Märkte, starker Wettbewerb und Preisdruck, Überkapazitäten und schwache Renditen die Lage vieler Autohäuser. Die Wirtschaftskrise hat diese Entwicklung noch deutlich verstärkt. Die Umweltprämie kam daher für die Branche in einem schwierigen Moment zur richtigen Zeit, unterstrich Karpinski. Mit Blick auf das Ende der Umweltprämie stehe den Händlern und Werkstätten 2010 ein schwieriges Jahr bevor. „Wir hoffen auf ein Soft-Landing“, umschrieb Karpinski seine Sicht und hofft, dass ein starkes Absinken der Verkaufszahlen nicht stattfindet. Dennoch werden die Probleme nicht gelöst, sondern nur weniger stark auftreten. Die Autohäuser müssten sich frühzeitig darauf einstellen. Die Schnelligkeit der Marktveränderungen zwinge zum Handeln. Zwischen vier Szenarien werden sich die Unternehmen entscheiden müssen: dem Wachstum, der Schrumpfung, der Kooperation oder der Auflösung. Unterstützung erhoffen sich die Händler von einer besseren Kooperation mit den Herstellern. Hier müsse es neue Formen der Zusammenarbeit geben, sonst werde es für beide Seiten schwierig, sagte Karpinski.

Staat kein Unternehmer
Der Staat sei sicher nicht der bessere Unternehmer, sagte der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch. „Die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe in der gegenwärtigen Situation vor dem Hintergrund der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist deshalb eine Ausnahme: Die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg hinterlässt ihre Spuren auch in Hessen und ist keine gewöhnliche Konjunkturschwankung mehr, sondern eine absolute Ausnahmesituation. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“, sagte Posch und beantwortet damit auch die Frage nach dem Engagement des Landes im Fall Opel. Die Hessische Landesregierung habe mit dem 1,7 Milliarden Euro-Sonderinvestitionsprogramm einen im Vergleich der Bundesländer beispiellosen Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur geleistet. Gemeinsam mit den Mitteln aus den beiden Konjunkturpaketen des Bundes fließen in den kommenden beiden Jahren über 2,6 Milliarden Euro in die hessische Infrastruktur. Besonders die Schulen und Hochschulen, aber auch die Verkehrsinfrastruktur, werden davon profitieren. Damit werden die Voraussetzungen für kräftiges Wirtschaftswachstum nach dem Ende der Rezession gelegt.

Bremsspuren
In der anschließenden Podiumsdiskussion, die wie der gesamte Abend von Peter Müller von der Grün von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung moderiert wurde, kamen neben den beiden Referenten mit Constantin Schmitt und Prof. Dr. Hans-Helmut Becker auch ein Zulieferbetrieb und der Werkleiter von VW in Baunatal zu Wort. Deutliche Bremsspuren hinterlasse die Wirtschaftskrise auch bei den Kfz-Zulieferern. Schmitt sprach von der schwierigen Situation, vor der viele mittelständischen Unternehmen stehen. Viel werde zur Zeit über Kurzarbeit aufgefangen, aber das sei keine Dauerlösung. Je länger die Krise anhalte, desto mehr werden Anpassungsprozesse nötig, sagte Schmitt. In Europas zweitgrößtem Produktionsstandort für Automobilkomponenten, dem VW Werk in Baunatal, will man von Krise nicht sprechen. Ein Rückgang der Produktionszahlen werde es aber auch hier geben, so Prof. Dr. Hans-Helmut Becker. VW könne sich dem Trend zwar nicht ganz entziehen, stehe aber deutlich besser da als mancher Wettbewerber, unterstrich der Werkleiter. Mit Blick auf die alternativen Antriebstechniken waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Ein Elektroauto mit entsprechender Reichweite werde erst in einigen Jahren Serienreife erlangen. Zudem müsse schlüssig erklärt werden, wie und wo der Strom für die Autos produziert werden soll. Auch beim Thema Hybrid herrschte Einigkeit. Eine interessante Übergangslösung, aber keinesfalls eine dauerhafte Lösung für den Individualverkehr. (red)