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„So gut versteht einen sonst niemand“

Trialog-Seminare der Sozialpsychiatrie Hephatas bieten Plattform

trialog-seminar-hephataSchwalmstadt-Treysa. Auf einmal waren die Stimmen da. In Gesprächen wusste die 39-Jährige plötzlich nicht mehr, ob ihr Gegenüber auch wirklich das sagte, was sie verstand. Oder ob sie es sich einbildete. Menschen, die sei einweihte, reagierten mit: „Das bildest Du Dir nur ein“. Erst als eine Ärztin ihr sagte: „Ich glaube Ihnen“, ging es aufwärts. Heute hat die Frielendorferin ihre Psychose dank Therapien und Medikamenten im Griff. Sie ist eine von durchschnittlich sechs Frauen und Männern, die sich beim Psychose-Seminar „Trialog“ der Sozialpsychiatrie Hephatas treffen. Trialog – das bedeutet: Betroffene, Angehörige und in der Psychiatrie Tätige an einem Tisch. Von September bis April treffen sich Frauen und Männer aus Schwalmstadt und Umgebung jeweils am ersten Montag im Monat, um über das Thema Psychose zu reden.

Für einige von ihnen kostet das jedes mal wieder Überwindung: „Eigentlich hatte ich heute keine Lust, ich musste mich wirklich zwingen“, sagt eine 69-Jährige Psychose-Erfahrene. „Das Problem ist, dass Betroffene nicht gerne über ihre Probleme reden. Die Scham ist zu groß“, weiß Gudrun Sommer-Werner, Leiterin der Sozialpsychiatrie-Wohngruppe Hephatas in Schwalmstadt, die auch das Seminar organisiert. Dabei ist der Austausch wichtig. „Ich unterhalte mich gerne mit Menschen, die auch hatten, was ich hatte. So gut versteht einen sonst niemand“, findet eine 39-Jährige Teilnehmerin aus Frielendorf.

Verständnis, Austausch, aber auch Wechsel der Perspektive – dazu bieten die Trialog-Seminare eine gute Möglichkeit. Zum einen, weil sie anonym sind, kein Diskussionsteilnehmer muss seinen Namen oder seine Beweggründe offenbaren. Zum anderen handelt es sich nicht um therapeutische Sitzungen, sondern offene Gespräche, an denen sich alle gleichberechtigt beteiligen und auch deren Themen mitbestimmen können. Beispielsweise die Definition der Psychose, deren Auswirkungen und Therapiemöglichkeiten oder aber Suchtprobleme und Co-Abhängigkeiten – je nachdem, wer aus welchem Blickwinkel auf das Thema Psychosen blickt und an welcher Stelle des Verlaufs er sich befindet, gestalten sich auch seine Fragen.

Was ist die Norm?
„Wenn ich ein bisschen außerhalb der Norm bin, werde ich schief angesehen. Aber wer legt fest, was die Norm ist?“, fragt eine 69-jährige Betroffene aus Treysa. Sie hat Zeitungsausschnitte mitgebracht über eine psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle und möchte erfahren, was dies genau ist und welchen Nutzen sie vielleicht davon haben könnte. Eine andere Teilnehmerin hat Interesse am Sportangebot der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) der Hephata-Klinik. Denn neben Gudrun Sommer-Werner ist aus beruflichem Interesse auch Fachkrankenpfleger Psychiatrie Horst Wiegand bei den Treffen dabei. Er arbeitet in der PIA und bietet eine Nordic-Walking-Gruppe für psychisch kranke Menschen an. Andere Betroffene versuchen sich im künstlerischen Bereich. „Psychosen können auch etwas sehr Produktives haben“, weiß Gudrun Sommer-Werner. Eine Trialog-Teilnehmerin ergänzt: „Neben allen schlechten Dingen hatte ich damals auch sehr schöne Gefühle, die ich nicht missen wollte.“

Das nächste Trialog-Seminar findet am Montag, 7. Dezember, von 19 bis 21 Uhr, Marta-Mertz-Haus, Marburger Straße 25, Treysa, statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, die Teilnahme kostenlos. Nähere Informationen: Soziale Rehabilitation Hephata – Sozialpsychiatrie, Gudrun Sommer-Werner, Telefon (06691) 9110238, gudrun.sommer-werner@hephata.com oder unter www.trialog-psychoseseminar.de. (me)