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Forum Diakonische Kirche – All inclusive

Schwalmstadt-Treysa. „Diakonisch Kirche sein – Grenzen vor Ort überwinden“, so lautete das Thema des sechsten Forums Diakonische Kirche, das am vergangenen Freitag in Hephata stattfand. 120 Teilnehmer waren zu Vortrag und Workshops angereist. Den Gastvortrag hielt Prof. Dr. Eberhard Hauschildt, Universität Bonn, zum Thema „Diakonische Kirche – all inclusive“. All inclusive – für die Organisatoren des Diakonischen Forums stimmt dies jedes Jahr aufs Neue. Bereits zum sechsten Mal stellten die Kooperationspartner Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, Diakonisches Werk in Kurhessen-Waldeck, Evangelische Fachhochschule Darmstadt (EFHD) und Hephata Diakonie die Fachtagung auf die Beine. Traditionsgemäß geht es dabei um die Beziehungen von Kirche und Diakonie, um Trennendes und Verbindendes.

Hephata-Vorstand Pfarrerin Barbara Eschen in ihrer Begrüßung: „Heute geht es nicht um Grenzen zwischen Kirche und Diakonie. Heute geht es um Grenzen innerhalb von Kirche und von Diakonie. Es geht um soziale Grenzen, die unsere Gesellschaft zerschneiden. Grenzen, die Menschen von einander trennen.“ Diakonie arbeite für und mit Menschen, die häufig zu den Verlierern in diesen Ausgrenzungsprozessen gehörten. Oft könnten dabei die individuellen Lebenschancen und -bedingungen verbessert werden. Die Ausgrenzung zu überwinden, gelinge jedoch nur in Einzelfällen. Den Kirchengemeinden wiederum falle es schwer, diese Abgrenzungsprozesse überhaupt wahrzunehmen, so Eschen.

Grenzen und Leistungen

Ein Dilemma, bei dessen Lösung die so genannte Milieuperspektive ins Spiel kommt. Ihre Leistungen und Grenzen nahm Prof. Dr. Eberhard Hauschildt in seinem Gastvortrag unter die Lupe. „Unterschiede der Sprachen und Kulturen, der Grade an Freiheit, der körperlichen Gegebenheiten und sozialen Zuordnungen sind nicht grundlegend und unüberwindbar“, so Hauschildt. Kirche und Diakonie müssten versuchen, die jeweiligen Milieus zu erkennen und in ihre Arbeit einzubeziehen. Die Milieuperspektive unterscheidet sechs Gruppen in der Gesellschaft, die aufgrund von Durchschnittsalter, Bildung, Interessen und Werten als jeweils eigene Lebenswelten bezeichnet werden können: Die Hochkulturellen, die Bodenständigen, die Kritischen, die Mobilen, die Geselligen und die Zurückgezogenen. Was passiert jedoch mit Menschen, die nur schwer in eine dieser Kategorien passen?, so Hauschildt. „Wer versucht, Kinder, Jugendliche und Alte in Tüten der Milieus zu packen, oder Menschen mit Behinderungen und Psychisch-Kranke wird schnell Schiffbruch erleiden.“ Hauschildt favorisiert zur feineren Analyse drei Gegensatzpaare: Hohe / Geringe Bildung; Tradition / Moderne sowie Geselligkeit / Ungeselligkeit. Mit Hilfe dieser Kategorien könne erkannt werden, welche Menschen von Kirche und Diakonie erreicht werden und welche nicht. Menschen mit hoher Bildung, Tradition und Geselligkeit falle der Zugang zur Kirche leicht, so Hauschildt. „Aus dem Milieu der Hochkulturellen sind 50 Prozent kirchennah. Hingegen 50 Prozent derer, die über Kirchenaustritt nachdenken oder gar nicht erst eintreten, sind  aus dem Milieu der Mobilen.“

Die Kunst für diakonische Gemeinden wie für große diakonische Träger liege also darin, so Hauschildt, diakonische Projekte / Profile so anzulegen, dass die Milieus sich aus ihrer Perspektive heraus daran beteiligen können. „Die Grenzen überschreitende diakonische Arbeit sollte nicht als milieuübergreifende Arbeit, sondern als milieuverknüpfende verstanden werden.“ Ein Ansatz, den die anschließende offene Podiumsdiskussion mit Dr. Thomas Zippert, Leiter der Hephata-Akademie für soziale Berufe, und Oberlandeskirchenrat Joachim Lies, Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, sowie die am Nachmittag folgenden Workshops noch vertieften. (me)