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Kreis sagt „Nein“ zur Höchstspannungsleitung im Fuldatal

Schwalm-Eder. In seiner Sitzung am 23. August 2010 hat der Kreisausschuss dem Vorhaben zur Verlegung einer 380kV Höchstspannungsfreileitung im Fuldatal der Firma transpower stromübertragungs GmbH eine Absage erteilt. Betroffen von der Planung sind die Fuldatal-Kommunen Körle, Guxhagen, Melsungen Malsfeld und Morschen. Randlich berührt werden Flächen der Stadt Felsberg und der Gemeinde Knüllwald. Der Kreisausschuss ist derzeit aufgefordert, im laufenden Raumordnungsverfahren zur Verlegung einer Freileitung vom niedersächsischen Wahle nach Mecklar eine Stellungnahme abzugeben.

Der Kreistag hat bereits am 21. Juni 2010 einstimmig einen Beschluss gegen das Vorhaben gefasst. Der Wortlaut des Beschlusses wird hier wiedergegeben:

„Der Kreistag des Schwalm-Eder-Kreises fordert: Die geplante 380-kV-Hochspannungsverbindung Wahle-Mecklar ist für die nordhessische Region eine bedeutsame Infrastrukturmaßnahme; dies wird durch die Aufnahme des Projektes in den Bedarfsplan des Energieleistungsausbaugesetzes (EnLAG) dokumentiert. Das Vorhaben hat erhebliche Auswirkungen auf Mensch, Landschaft, Natur und Umwelt.

Wir fordern den Vorhabenträger (transpower stromübertragungs GmbH)  und die Landesplanungsbehörde (Regierungspräsidium Kassel) auf, die Bevölkerung an der Stromtrasse über das Projekt umfassend zu informieren – und in den Verfahrensprozess (Planung, Raumordnungs-/Planfeststellungsverfahren) einzubinden.

Um die Auswirkungen auf die Schutzgüter (Mensch, Tiere/Pflanzen/biologische Vielfalt, Landschaft, Kultur-/Sachgüter etc.) zu minimieren, fordern wir, dass die Erdkabeloption nach § 2 EnLAG ausgeschöpft und die Stromleitung in Nordhessen als Erdkabel errichtet wird.

Sollte der Vorhabenträger die Rechtsgrundlage für eine Erdverkabelung als unzureichend erachten, erwarten wir von der Hess. Landesregierung, dass das Raumordnungsverfahren ausgesetzt wird – bis eine entsprechende eindeutige gesetzliche Regelung getroffen ist und Rechtsklarheit herrscht.

Der Deutsche Bundestag ist aufgefordert, das Energieausbaugesetz in der Weise zu ändern, dass eine Erdverkabelung dezidiert und verbindlich festgelegt wird – und dass eventuelle Mehrkosten für den Vorhabenträger auf die Netznutzungsentgelte umgelegt werden können.

Die Hessische Landesregierung ist aufgefordert, einen entsprechenden Antrag im bzw. über den Bundesrat einzubringen.

Der Kreisausschuss wird beauftragt, die Hess. Landesregierung entsprechend zu unterrichten.

Zum Sachverhalt – Begründung:
Der Bundesgesetzgeber beabsichtigt, mit dem Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze vom 21. August 2009 den Ausbau des Stromnetzes in Deutschland zu forcieren. Artikel 1 beinhaltet das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG), dem ein Bedarfsplan angefügt ist – in diesem Bedarfsplan ist unter 24 Vorhaben die Höchstspannungsverbindung Wahle-Mecklar ausgewiesen. Die Trasse Wahle-Mecklar ist damit per Gesetz als energiewirtschaftlich notwendig eingestuft und zugleich als eines von vier Pilotprojekten mit einer Erdkabeloption versehen worden. Diese Option ist lediglich für Teilabschnitte unter den Bedingungen des § 2 EnLAG vorgesehen. (Abstände zu Wohnsiedlungen, technische und wirtschaftliche Effizienz). Im Grundsatz bleibt die Planungs- und Gestaltungsfreiheit des Vorhabenträgers jedoch unangetastet, da es sich um eine „Kann-Regelung“ handelt. Im Rahmen der Ermessensanwendung ist es jedoch auch problematisch, ob dem Vorhabenträger von der Bundesnetzagentur eventuelle Mehrkosten für Erdkabel anerkannt werden und damit auf die Nutzungsentgelte abwälzbar sind bzw. umgelegt werden können.

Es besteht in Fachkreisen Einvernehmen darüber, dass das deutsche Stromnetz im Hinblick auf die wachsende Stromerzeugung durch erneuerbare Energien erweitert werden muss, was letztlich den Um- und Ausbau der Verteilungs- und Übertragungsnetze zur Folge haben wird. Bei dem Neubau von Stromleitungen, der nach dem Willen des Bundesgesetzgebers auch dem transeuropäischen Netz dient, werden zu einem erheblichen Anteil reine Transitleistungen errichtet, die erhebliche Eingriffe in die Landschaft und Natur nach sich ziehen.

Zugleich werden Wohnsiedlungen betroffen sein. Die Anwohner sehen sich langfristig nachhaltigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen (verbunden mit verminderter Lebensqualität) und Wertverlusten ihrer Immobilien ausgesetzt. Diese Nachteile werden in keiner Weise kompensiert.

Die Übertragungsnetze werden derzeit in Freileitungsbauweise errichtet (als Standard). Mit Erdkabeln steht jedoch eine Alternative zur Verfügung – dies gilt sowohl in der Dreh – als auch in der Gleichstromtechnik (auch Hochspannungsgleichstromübertragung/HGÜ). Keine der Optionen (Freileitung oder Erdkabel) ist ohne jeglichen Nachteil und konfliktfrei. Erdkabel hat jedoch eine erkennbar höhere Akzeptanz in der Bevölkerung (was Umfragen signifikant belegen); darüber hinaus stellt sich Erdkabel aber auch langfristig in der Einbeziehung aller Eingriffe sowie in der Abwägung aller Faktoren als konfliktärmer dar (für Menschen, Landschaft, Natur und Umwelt). Im Ergebnis ist Erdkabel somit bezogen auf eine zügigere Umsetzung der Projekte eindeutig zielorientiert, da von kürzeren Planungszeiträumen auszugehen ist. Es ist gerade übereinstimmender Wille des Gesetzgebers und der Vorhabenträger, einen beschleunigten Zubau neuer Netze zu realisieren.

Bisher sind technisch innovative Lösungen für Erdkabel völlig unzureichend praktiziert, erforscht und betrieben worden. Für eine Erdverkabelung sind neben VPE-Kabel für Drehstrom (in der üblichen Frequenz von 50 Hertz) die Möglichkeiten der HGÜ-Technik aber auch neue und zukunftsorientierte größere Lösungsansätze bzw. Transporttechniken in Drehstrom auf einer Frequenz von 16,7 Hertz (AC+) gegeben und voranzutreiben.

Das EnLAG ist unverzüglich mit klaren Vorgaben zur unterirdischen Leitungsführung fortzuschreiben, weil nur so Rechtssicherheit für Vorhabenträger, Landesplanungsbehörden sowie Anwohner – und für die Kostenklärung im Rahmen des Investitionsbudgets – erreichbar ist.

Die Aussetzung des Raumordnungsverfahrens erscheint auch aus dem Grund sinnvoll, da durch eine weitgehende Erdverkabelung möglicherweise eine andere Trassenführung gewählt werden kann bzw. wird – eine kürzere oder an anderen Infrastruktureinrichtungen (Bundesautobahnen u.a.) orientierte Streckenführung.“

Diesem Beschluss des Kreistages hat sich jetzt der Kreisausschuss angeschlossen und fordert eine Erdverkablung und Neutrassierung der Leitung, die sich an bestehenden Infrastruktureinrichtungen wie Autobahn, Straßen und Bahntrassen zu orientieren hat, um die mit dem Leitungsbau verbundenen Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt zu minimieren und zu vermeiden. (red)