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MT in Flensburg: Trotz weißer Weste Außenseiter

Flensburg/Melsungen. Den jüngsten Sieg im DHB-Pokal eingerechnet, hat sich Handball-Bundesligist MT Melsungen in den vier Pflichteinsätzen dieser Saison vier Erfolgserlebnisse verschafft. Nun aber wartet die bislang größte Herausforderung auf die Nordhessen: Am Samstag, 24. September, muss das Roth-Team bei der SG Flensburg/Handewitt, dem deutschen Vertreter im Europapokalwettbewerb der Pokalsieger, antreten – und ist dort nur Außenseiter. Anwurf in der Flensburger Campus-Halle ist um 19 Uhr. Erwarteten Siegen gegen die beiden Aufsteiger Hüttenberg und Hildesheim ließ die MT ein beeindruckendes 33:26 gegen Altmeister Gummersbach folgen. Dann wurde am Mittwoch in der zweiten Runde des DHB-Pokals ohne große Mühen Zweitligist Korschenbroich geschlagen; nun sieht sich die Mannschaft von Michael Roth ihrer bislang größten Bewährungsprobe ausgesetzt.

Man reist zwar als verlustpunktfreier Tabellenzweiter zum derzeit Achtplatzierten Flensburg/Handewitt (4:2 Punkte), wähnt sich dort aber nur in der Rolle des Außenseiters. ”Flensburg ist ein besonderes Pflaster. Die SG ist traditionell sehr heimstark, sie ist gut besetzt und hat stets eine beeindruckende Fan-Kulisse im Rücken”, weiß der MT-Trainer aus unzähligen Bundesligaspielen in der Fördestadt. ”Doch”, so Roth, ”wir wollen unsere derzeitige Euphorie nicht verstecken, sondern dorthin mitnehmen. Schließlich bietet jeder Spieltag jeder Mannschaft eine Chance.”

Dabei weiß Roth auch, dass Punkte- und Tabellenstände in dieser frühen Saisonphase im Hinblick auf das wahre Vermögen einer Mannschaft nur bedingt aussagekräftig sind. So ist das Auftaktprogramm der Nordlichter ungleich schwerer einzuschätzen, als das der MT. Flensburg musste am ersten Spieltag beim Top-Meisterschaftsfavoriten THW Kiel antreten und bekam prompt eine 35:21-Lehrstunde erteilt. Davon erholte sich die von Ljubomir Vranjes trainierte Mannschaft schnell: Zuhause wurde der TBV Lemgo mit 32:26 dominiert und bei den gewiss nicht als heimschwach geltenden Göppingern ein 25:23-Sieg erkämpft. Im DHB-Pokal zeigte man sich beim 38:28 bei Zweitligist GWD Minden souverän. Keine Frage also, dass die SG am Samstag gegen die Nordhessen ihre Erfolgsserie  fortsetzen will.

Prominente Neuzugänge im Vranjes-Team waren zu Saisonbeginn die beiden deutschen Nationalspieler Lars Kaufmann und Holger Glandorf. Sie bilden zusammen mit dem dänischen Auswahlakteur Thomas Mogensen eine starke Rückraumachse. Die Nahwurfzone wird in der Regel von Anders Eggert (LA), Jacob Heinl (KM) und Lasse Svan Hansen (RA) besetzt. Im Tor ist mit Matthias Andersson ein weiterer Neuzugang erste Wahl. Und auch die vermeintlich ”zweite Besetzung” kann sich sehen lassen: Petar Djordjic (RL), Viktor Szilagyi, Tamas Mocsai, Michael Knudsen (KM) oder auch Sören Rassmussen (TW) sind alles gestandene Nationalspieler in ihren jeweiligen Heimatländern.

Und noch ein Pfund, mit dem die Fördestädter wuchern können: Die 6.300 Plätze bietende Campus-Halle, davon 1.500 als größte Stehplatztribüne der Liga, ist im Schnitt mit rund 5.800 Fans gefüllt. ”Und die stehen wie der Achte Mann hinter ihrem Team,” weiß MT-Regisseur Patrik Fahlgren aus eigener Erfahrung. Schließlich trug der Schwede vor seinem Wechsel nach Nordhessen zwei Jahre lang das SG Trikot. Auf die Frage nach den Chancen seiner neuen Mannschaft bei seinem alten Verein antwortet der Spielmacher mit einem Achselzucken: ”Darüber denke ich nicht nach. Flensburg ist sicherlich Favorit, aber wir fahren ja nicht hin, um einfach die Punkte dort abzuliefern”, so Fahlgren.

Das hatte sich die MT beim letzten Gastspiel in Flensburg, im März diesen Jahres, allerdings auch schon vorgenommen. Doch in einer Rumpfbesetzung –  mit Felix Danner, Grigorios Sanikis, Predrag Dacevic und Alexandros Vasilakis fehlten damals gleich vier Stammkräfte – musste man sich am Ende den Gastgebern mit 26:33 beugen. Überhaupt setzte es in den zwölf Vergleichen in den nunmehr sechs gemeinsamen Erstligajahren ausschließlich Niederlagen für die MT.

Doch das Kapitel ”Letzte Saison” will Michael Roth nicht nur im Hinblick auf den kommenden Gegner als abgeschlossen betrachten. ”Wir haben allen Grund, Vergangenes zu vergessen und positiv nach vorne zu schauen”, versucht der Coach seinen Schützlingen zu vermitteln. Die MT hätte schließlich lange genug auf solche Glücksmomente warten müssen, wie sie sich derzeit in Anbetracht des famosen Saisonstarts eingestellt haben. ”Das darf man ruhig mal auskosten, wenn man beim Stichwort Tabellenspitze in einem Atemzug mit dem THW Kiel genannt wird. Denn wir haben uns dies nicht zuletzt durch eine intensive Vorbereitung hart erarbeitet”, so Roth. Dass bei diesem Hochgefühl der Blick für die Realitäten verloren gehen könnte, befürchtet der Trainer indes nicht: ”Das sind ja zunächst immer nur Momentaufnahmen. Und die können im Leistungssport bekanntlich sehr schnell auch eine andere Wendung nehmen.”

Am Samstag wird die MT – im Gegensatz zum letzten Gastspiel bei der SG – mit voller Kapelle antreten können. ”Alle Mann an Bord” heißt es vor dem Trip gen Norden. Weitere erfreuliche Kunde aus dem Lager der Nordhessen: Kapitän Nenad Vuckovic macht nach seiner Schulterverletzung weitere Fortschritte. Am Mittwoch hat er im Pokalspiel erstmalig länger als 30 Minuten auf dem Parkett gestanden und sich dort ordentlich präsentiert. Andererseits ist derzeit die Rückraumachse Sanikis – Fahlgren – Vasilakis sehr gut eingespielt und präsentiert sich seit Saisonbeginn in Topform. ”Natürlich ist es in solchen Konstellationen für Spieler von der Bank nicht einfach, wieder rein zu kommen”, weiß Roth, ”aber schon in Flensburg werden wir sicher nicht wie zuletzt, mit sechs, sieben Akteuren durchspielen können. Die SG ist ein stärkeres Kaliber, da werden wir alle Mann brauchen.” (Bernd Kaiser)

Schiedsrichter in Flensburg:
Ronny Dedens / Nico Geckert (beide Magdeburg), DHB-Aufsicht: Hans-Jürgen Gottschlich