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Senioren-WM: Zweite Silbermedaille für Hella Böker

Jyväskylä/Melsungen. Bei den 5. Senioren-Hallen- und Winterwurf-Weltmeisterschaften, die von 3. bis 8. April in Jyväskylä (Finnland) ausgetragen werden, herrschen absolut winterliche Bedingungen, denn in der Nacht vom 2. auf 3. April gab es über 20 Zentimeter Neuschnee. So begannen am zweiten Tag die Wettkämpfe im Diskuswerfen, bei denen Hella Böker (MT 1861 Melsungen) in der Altersklasse der W70 mit der deutschen Jahresbestweite von 26,64 Meter die Silbermedaille gewinnen konnte, mit Verspätung.

Am dritten Tag stand um 9.30 Uhr das Gewichtwerfen auf dem Programm. Wieder war es eisig kalt, aber dieses Mal starteten die elf Werferinnen nicht im Harju-Stadion, wo um diese Zeit die Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt lagen, sondern die Wettkämpferinnen schleuderten das  5,450 Kilogramm schwere Gerät in der Hippos-Halle aus einem Kreis heraus. Da die Wurftechnik beim Gewichtwerfen im Wesentlichen der des Hammerwurfs entspricht, spielen die guten Hammerwerferinnen in diesem Wettbewerb die absolute Hauptrolle.

Der Weltrekord in der Altersklasse der W70 steht seit dem 26. März 2010 bei 12,30 Meter und wurde von Carol Young (USA) in Boston aufgestellt. Zwei Jahre vorher verbesserte Sigrun Kofink aus Tübingen in Clermont-Ferrand den Europarekord und damit auch die deutsche Bestleistung auf 11,68 Meter, eine Leistung, die auch Hella Böker und ihre große Gegenspielerin Gudrun Mellmann aus Hamburg zu werfen in der Lage waren.

Die Estin Helvi Erikson kam von den infrage kommenden Medaillengewinnerinnen als erste an die Reihe und kam auf gute 11,10 Meter. Irma Kirchhofs, die für den Tuspo Borken startet, erreichte zum Auftakt  11,02 Meter. Anschließend war Gudrun Mellmann an der Reihe. Die Hamburgerin begann mit einem Paukenschlag, denn mit 11,77 Meter blieb sie neun Zentimeter über den Europarekord von Sigrun Kofink. Hella Böker, die ebenfalls in der Lage war, eine solche Weite zu erzielen, wurde nach diesem Glanzwurf von Gudrun Mellmann ein Opfer ihrer Nerven. Ihr Wurf wurde vom Kampfgericht ungültig gegeben.

Im zweiten Durchgang verbesserte sich Helvi Erikson auf 11,16 Meter und baute damit ihren zweiten Platz vor Irma Kirchhofs, die nur auf 10,67 Meter kam, weiter aus. Gudrun Mellmann, die schon beim Einwerfen mehrfach über die 12 Meter-Marke geworfen hatte, stellte sich in Jyväskylä gut vorbereitet vor. Im ihrem zweiten Versuch klappte bei ihr von der Drehung bis zum Abwurf einfach alles:  Die mehrfache Seniorenweltmeisterin im Hammerwerfen steigerte sich auf 12,18 Meter und blieb zum zweiten Mal über dem alten Europarekord von 11,68 Meter. Das war nicht etwa die halbe Miete, das war schon die Miete für den Rest des Jahres im voraus. Der Schock für ihre Konkurrentinnen war perfekt. Völlig durcheinander schien Hella Böker, denn auch im zweiten Durchgang kam sie nur auf 11,11 Meter. Damit verdrängte sie zwar Irma Kirchhofs aus dem Medaillenrang, aber sie lag fünf Zentimeter hinter Helvi Erikson zurück.  Bestimmt  hatte sie sich den Beginn dieses WM-Finales anders vorgestellt, denn ihre Miene drückte nach zwei Durchgängen nicht volle Zufriedenheit aus.

Im letzten Versuch des Vorkampfes egalisierte die Estin mit 11,16 Meter ihre bisherige Weite und untermauerte ihre Ambitionen auf eine Medaille.  Aber sie hatte die Rechnung ohne Irma Kirchhofs gemacht, die nach der Schwäche von Hella Böker ebenfalls mit einer Medaille liebäugelte. Im dritten Durchgang steigerte sich die Hammerwerferin aus Borken auf 11,41 Meter und lag für wenige Minute auf dem Silberrang. Gudrun Mellmann blieb auch mit ihrem dritten Wurf über dem alten Europarekord, denn dieser wurde mit 12,12 Meter vermessen. Hella Böker, die mit ihren ersten beiden Versuchen ernorme Schwierigkeiten hatte, konzentrierte sich länger als sonst und ließ ihre Drehungen noch einmal durch den Kopf gehen. Das half, denn das Gewicht landete bei 11,45 Meter, vier Zentimeter weiter als Irma Kirchhofs bester Wurf.  Sie lag damit zum ersten Mal auf dem Silberrang.

Helvi Erikson, die nach dem Vorkampf mit 11,16 Meter auf dem undankbaren vierten Platz lag, gab sich noch nicht geschlagen. Sie steigerte sich im Finale auf 11,32 Meter und kam bis auf neun Zentimeter an Irma Kirchhofs Leistung heran. Doch die erfahrene Borkener Athletin konterte sofort und packte im vierten Durchgang 11,54 Meter aus, so dass sie Hella Böker wieder auf den Bronzerang verdrängte. Während Gudrun Mellmann 11,56 Meter folgen ließ,  zeigte Irma Kirchhofs Wurf bei der 35-fachen deutschen Seniorenmeisterin Wirkung: Sie kam nur auf 11,18 Meter.  Hatte sie damit ihr Pulver verschossen?

Im fünften Durchgang setzte Helvi Erikson alles auf eine Karte, doch sie konnte sich bei diesem Wurf nicht im Kreis halten, so dass die Kampfrichter die rote Fahne hoben und den weiten Wurf für ungültig erklärten. Irma Kirchhofs demonstrierte weiterhin ihre gute Form und kam im fünften Durchgang auf 11,46 Meter. Gudrun Mellmann verspürte nach ihren drei vorzüglichen Würfen keine Spannung mehr und erreichte mit ihrem vorletzten Versuch nur noch 11,31 Meter.

Hella Böker, die mit 11,45 Meter noch auf dem Bronzerang lag, musste immer noch mit Helvi Erikson rechnen, die im fünften Durchgang bewiesen hatte, dass sie ebenfalls in der Lage war, über 11,50 Meter zu werfen. In dem Bestreben, sich ihren eigenen Vorstellungen weitgehend zu nähern, drehte sie konzentriert an und wuchtete das Gerät auf 11,68 Meter. Das wäre 50 Minuten vorher noch die Einstellung des Europarekordes für die W70 gewesen. Jetzt aber bedeutete diese Weite im WM-Finale wieder Rang zwei.

Der letzte Durchgang musste über die Medaillenvergabe die Entscheidung bringen. Die Estin Erikson legte alles in diesen entscheidenden Wurf. Aber trotz persönlicher Bestweite von 11,42 Meter blieb sie auf Rang vier. Irma Kirchhofs versuchte sich noch einmal zu verbessern, doch ihr letzter Versuch wurde mit 11,40 Meter gemessen. Aber die Bronzemedaille hatte sie sicher. Gudrun Mellmann machte ihren letzten Versuch ungültig, so dass Hella Böker es in der Hand hatte. Sie lag einen halben Meter hinter der Führenden zurück und hätte schon Europarekord werfen müssen, um die Goldmedaille im Gewichtwerfen zu bekommen.

Vor diesem letzten Wurf griff sie zum Besen, wie es stets vor großen Wettkämpfen ihre Art ist, und fegte den Wurfring. Dann legte sie dieses Hausgerät auf dem Hallenboden ab, nahm das Wurfgewicht in die Hand, ging impulsiv mit schnellen Schritten in den Ring, konzentrierte sich und versuchte das Blatt noch zu ihren Gunsten zu wenden. Hella Böker legte nach zwei guten Drehungen alles in diesen Wurf hinein und schleuderte das 4,450 Kilogramm schwere Wettkampfgerät in die Mitte des Wurfsektors. Ein Raunen ging durch die Zuschauer, die diesen Wettbewerb in der frühen Morgenstunde mit verfolgten.   474  –   6 –  1201  leuchtete an der elektronischen Tafel auf.  Die Startnummer 474 erzielte im 6. Durchgang 12,01 Meter. Das war zwar nicht die Goldmedaille, aber der erfolgreichen Athletin aus Fuldabrück gelang damit ebenfalls ein Wurf über die 12 Meter-Marke.  Mit ihren 12,01 Meter holte sie sich bei diesen Senioren-Weltmeisterschaften  beim zweiten Auftreten in Finnland bereits die zweite Silbermedaille.  So kann es weitergehen. (ajw)