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Spannender geht’s nicht: MT – HSV 30:29

Kassel/Melsungen. Das Spiel zwischen der MT Melsungen und dem HSV Hamburg vor 3.246 Zuschauern in der Kasseler Rothenbach-Halle stand bis zum Abpfiff auf der Kippe. Die Entscheidung fällte letztendlich das Kampfgericht. Weil das Freiwurfgeschoss von Hamburgs Lijewski einen Wimpernschlag zu spät die Linie überquerte, durften die Nordhessen einen verdienten 30:29 (17:16)-Sieg gegen die Hanseaten bejubeln. Die Karten waren eigentlich vor der Partie nicht gerade zu Gunsten der Nordhessen verteilt. Denn kurzfristig gesellte sich zum verletzt ausfallenden Michael Allendorf mit Christian Zufelde der zweite Linksaußen. Kapitän Nenad Vuckovic hatte seinen Muskelfaserriss noch nicht auskuriert und konnte deshalb fast ausschließlich in der Verteidigung eingesetzt werden. Der ebenfalls angeschlagene Alin Sania blieb gleich ganz auf der Bank. Unter diesen Bedineungen war der holperige Auftakt nachvollziehbar. Und die 3:1-Führung der Gäste nach fünf Minuten entsprach dem, was sich auf dem Feld abspielte: Melsungen bemüht, aber mit Fehlern – der HSV dafür mit viel Tempo bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

An ein Absetzen des Favoriten war jedoch nicht zu denken. Dafür präsentierten sich die Melsunger zu motiviert und – nachdem sie ihre Anfangsnervosität abgelegt hatten – einfach zu stark. Festzumachen war das vor allem an Felix Danner. Der ließ sich von Igor Vori überhaupt nicht beeindrucken und beförderte den Abpraller nach Patrik Fahlgrens geblocktem Wurfversuch trotz Bedrängnis ins Netz. Die nächsten beiden Hamburger Treffer waren nicht zu vermeiden, so dass der Favorit immerhin auf 2:5 erhöhen konnte. Weil Dan Beutler spektakuär gegen Alexandros Vasilakis parierte und Matthias Flohr einen weiteren schnellen Gegenstoß versenkte.

Eine Momentaufnahme allerdings nur, weil sich die MT auf ihre spielerischen Mittel besann. Beim dritten Treffer beispielsweise durch Savas Karipidis wurde die Meister-Deckung in Überzahl mustergültig auseinander gespielt. Wohingegen das 4:5 in die Kategorie „kurios“ einzuordnen war: Hans Lindberg sprang in einen Kurzpass von Grigorios Sanikis auf Michael Schweikardt, angelte sich den Ball und spielte zu Domagoj Duvniak weiter. Von dem holte sich Sanikis das Leder aber mit einem blitzschnellen Griff zurück und passte auf Felix Danner, der erst schon zurücklief, sich aber wieder umorientiert und vollkommen frei vor Dan Beutler auftauchte. Als Per Sandström anschließend den Siebenmeter von seinem ehemaligen Mannschaftskollegen Hans Lindberg entschärfte und Alex Vasilakis im Gegenzug den Ausgleich machte, waren die Bartenwetzer nach elf Minuten zurück im Geschäft.

Bis zu einer Führung sollte es jedoch noch weitere vier Minuten dauern. Die war fällig, nachdem Sandström zum zweiten Mal Sieger blieb gegen Lindberg vom Siebenmeterstrich. Bis dahin übrigens die beiden einzigen Paraden des Schweden, der aus dem Spiel heraus in der Anfangsviertelstunde eher unglücklich agierte und erst später zu Höchstform auflief. Dann sorgte Felix Danner für das nächste Highlight, indem er sich gegen die Hand um Guillaume Gille herum wand, fast ohne Ausholbewegung zum 9:8 einnetzte und damit Gästetrainer Martin Schwalb zum Legen der Grünen Karte zwang.

Für ihn genoss Felix Danner am Kreis zu viel Raum, und von Zufriedenheit über seine generell zu löchrige 3:2:1-Deckung war er auch weit entfernt. Doch die ließ auch nach der Auszeit weiter Kompaktheit vermissen, was Grigorios Sanikis nutzte und bis auf sechs Meter vorstieß. Igor Vori holte ihn auf Kosten eines Siebenmeter und seiner zweiten Zeitstrafe von den Beinen und verhinderte so einen höheren Rückstand. Weil Savas Karipidis vom Punkt nur die Latte anvisierte und Marcin Lijewski dafür in Unterzahl erneut ausglich.

Es blieb ungemein spannend in der Rothenbach-Halle, denn nach Domagoj Duvniaks Tor in der 22. Minute führten die Gäste plötzlich wieder. Was postwendend Sanikis und Schweikardt per Strafwurf korrigierten. Und diese Führung gaben die Nordhessen nun bis zur Pause nicht mehr her. Zweimal Schweikardt per Siebenmeter, einmal Felix Danner unnachahmlich vom Kreis bei Ausgleichstreffern von zweimal Blazenko Lackovic, Matthias Flohr und Michael Kraus erzielten die Tore zum 16:16. Dann war die Pause praktisch schon da, als Alex Vasilakis den Passversuch von Michael Kraus blockte, das Leder zu Felix Danner sprang, und der seine grandiose Leistung der ersten Hälfte bei auslaufender Uhr mit seinem siebten Volltreffer zum 17:16 krönte.

Beide Mannschaften kamen gut aus der Kabine und schenkten sich in der Folge nichts. Hamburg verlor zwar kurzfristig die Linie, als Nenad Vuckovic und einmal mehr Felix Danner auf 21:19 stellten. Doch sie kamen schnell zurück und drehten die Begegnung ihrerseits durch den eingewechselten Torsten Jansen und zwei erfolgreich abgeschlossene Tempogegenstöße von Hans Lindberg in eine eigene Führung. Die Torsten Jansen dann mit einem Doppelpack nach Sanikis’ zwischenzeitlichem Ausgleich sogar auf 22:24 ausbaute.

Noch vor Jahresfrist wäre das für die Melsunger vermutlich der entscheidende Schlag gewesen. Nicht jedoch in der augenblicklichen Form und mit dem unglaublichen Lauf des Felix Danner. Der schnappte sich wieder einen abgeblockten Fahlgren-Wurf und verwertete den Abpraller. Auch dass Michael Schweikardt für zwei Minuten raus musste, stoppte die MT nicht. Alex Vasilakis holte im richtigen Moment die „Peitsche“ heraus: nach einer geschickten Kreuzung mit Landsmann Sanikis hämmerte er den Ball aus neun Metern zum 24:24 unter die Latte. Gerade als Martin Schwalb nach einer dreiviertel Stunde Pascal Hens als letzten Trumpf aufs Feld beordert hatte.

Nicht nur die hohen Temperaturen sorgten für Schweißperlen bei den Fans in beiden Lagern. Auf dem Feld wurde um jeden Ball erbittert gerungen. Zu erbittert von Guillaume Gille, der nach einem eher harmlosen Foul gegen Nenad Vuckovic seine dritte Zeitstrafe kassierte und die verbleibenden 13 Minuten nur noch als Zuschauer erleben durfte. Freud und Leid wechselten einander teilweise in Sekundenabständen ab. So, als ein Sanikis-Pass in den Armen von Jansen landete, der im gemeinsamen Tempogegenstoß Renato Vugrinec bediente, und Per Sandström dessen Abschluss mit einem Reflex an die Querlatte ablenkte. Wiederum nur zwölf Sekunden später bebte die Halle, als Vasilakis knallhart abzog und Rot-Weiss mit 25:24 erneut nach vorn warf.

Als es zehn Minuten vor dem Ende 27:25 für den Außenseiter stand und nach 56 Minuten gar 29:26, da begannen die Träume von einer faustdicken Überraschung Realität zu werden. Das TimeOut von Martin Schwalb, nach Felix Danners 28. und vor Alex Vasilakis’ Treffer 29. mit unglaublichem Knickwurf aus halbrechter Position passgenau in den Torwinkel, entwickelte jedoch noch einmal Wirkung. Äußerst aggressiv, allerdings nie unfair, trieben die Hanseaten die Nordhessen in Fehler. Und nutzten die Ballgewinne routiniert aus. Weder der Block von Danner gegen Lijewski, noch die Glanzparade von Sandström gegen Lindberg konnte verhindern, dass der Vorjahresmeister seine letzte Chance suchte und fast fand. Erst verwandelte Lindberg endlich den ersten Hamburger Siebenmeter des Abends – nach vier vorangegangenen Fehlversuchen. Dann verkürzte der gleiche Spieler per Tempogegenstoß: 29:28. Dem Spieler des Abends, Felix Danner, war das letzte Melsunger Tor vorbehalten, das Blazenko Lackovic aber prompt beantwortete. 30:29, noch 63 Sekunden auf der Uhr. Und auf den Sitzen hielt es schon lange niemanden mehr. Die Zeit tickte lange herunter, doch Alexandros Vasilakis musste bei angezeigtem passivem Spiel zwölf Sekunden vor Ultimo abschließen – und traf nur den Pfosten. Ein letzter Angriff des HSV, ein verzweifelt klammernder Sanikis gegen den anstürmenden Lindberg: Zeitstrafe für den Griechen, Freiwurf für Hamburg und noch genau zwei Sekunden zu spielen.

Das sollte aus Sicht des HSV reichen für ein kurzes Abspiel von Vori, der gemeinsam mit Lackovic abschirmte, auf Lijewski. Tat es aber nicht. Weil die Ablage einen Tick zu lange dauerte. Und das Leder, von Danner noch abgefälscht, als Aufsetzer einen zu weiten Weg in die Maschen nahm. Zwar jubelten zunächst die Norddeutschen und lag Per Sandström konsterniert in seinem Kasten. Doch das änderte sich schlagartig, als die Unparteiischen dem vermeintlichen Treffer nach Rücksprache mit dem Kampfgericht wegen der bereits abgelaufenen Uhr die Anerkennung versagten. Der Rest ging unter in fassungslos protestierenden Hamburgern und ausgelassen feiernden Melsungern. Und unter dem tosenden Jubel von über 3.000 glücklichen Zuschauern, die mit ihrer Leistung auf den Rängen ebenso beteiligt waren am insgesamt erst zweiten Sieg gegen die zuvor übermächtig erscheinenden Nordlichte in sieben gemeinsamen Bundesligajahren. (Bernd Kaiser)

Stimmen zum Spiel

Michael Roth: Wir sind überglücklich über diesen Sieg. Ich denke, dass – wenn man den HSV Handball schlägt – letztendlich alles zusammenpassen muss. Dass man sehr gut spielen muss und den Kampf automatisch mitnimmt, und dass man auch eine gute Torhüterleistung braucht. Ich muss aber gestehen, dass ich heute überrascht war. Weil wir doch große Probleme mit angeschlagenen Spielern hatten. Es waren auch Spieler dabei, die normal gar nicht in der Lage gewesen wären, aufzulaufen. Wenn man in der ersten Halbzeit gegen die 3-2-1-Abwehr des HSV 17 Tore macht, dann ist das klasse. Wir haben tolle Auslösehandlungen gespielt, die auch erfolgreich umgesetzt worden sind. Das geht natürlich nur, wenn jeder Spieler nahezu seine optimale Leistung bringt. Das war heute mit Grigorios Sanikis und Felix Danner, die ich herausheben möchte, und mit einer guten Torhüterleistung von Per Sandström der Fall. Wir haben in den ersten 30 Minuten trotzdem 16 Tore bekommen, was in der Halbzeitpause angesprochen wurde. Wir haben dann in der Abwehr etwas anderes probiert. Vorne lief es sehr gut. Wir haben hier endlich auch mal die Abpraller gekriegt. Felix Danner stand immer da, wo ein Kreisläufer sein muss. Ich kann vor meiner Mannschaft nur den Hut ziehen, dass sie heute so ein tolles Spiel abgeliefert hat. Wichtig ist, dass die Moral stimmt, dass wir unseren Zuschauern immer wieder etwas anbieten und einfach bis zum Schluss der Saison durchziehen -auch wenn vielleicht nach oben wie nach unten nicht mehr viel geht. Umso höher ist es einzuschätzen, dass wir heute so fantastisch gespielt haben.

Martin Schwalb: Natürlich Glückwunsch an die MT und an Schorle (Michael Roth, Anmerk.). Hut ab, das haben sie toll gemacht. Sie haben das Tempo halten und in entscheidenden Spielsituationen auch den Spielfluss beibehalten können. Sie haben auch bei 22:24 nicht die Nerven verloren und sich nicht abschütteln lassen, sie sind zurückgekommen und haben uns dann drei Tore abgenommen. Das ist auch das, was uns am meisten weh tut. Wobei ich auch sagen muss, dass der letzte Wurf natürlich ein Tor war. Bei zwei Sekunden ein Pass und ein Wurf, das ist normal immer drin. Vor daher werden wir uns das noch einmal genau das Video des Spiels angucken und dann entscheiden, wie wir darauf reagieren werden. Trotzdem hat das nichts damit zu tun, dass die MT Melsungen ganz tollen Handball geboten hat und dass man sieht, dass hier etwas Großes heranwächst. Bei uns haben heute nicht alle das gebracht, was sie bringen müssten, und wir hatten auch nicht die Alternativen auf einigen Positionen. Aber das soll keine Ausrede sein – Glückwunsch an die MT, sie hat ein tolles Spiel gemacht!

Statistik

MT Melsungen: Sandström (13 P.), Kelentric (n.e.); Schöngarth, Mansson, Schweikardt 5/5, Fahlgren 1, Vasilakis 5, Hildebrandt, Danner 11, Sanikis 5, Karipidis 2/1, Vuckovic 1, Dacevic, Sania.

HSV Handball: Beutler (9 P.), Djordjic (bei zwei 7m); Kraus 2, Duvniak 1, Jansen 3, Lackovic 8, Flohr 4, Vori 1, G. Gille, Vugrinec, Lindberg 7/1, Lijewski 2, Hens 1, Schliedermann.

SR: Lars Schaller (Leipzig) / Sebastian Wutzler (Frankenberg/Sachsen)

Zeitstrafen: 10 – 10 (Schweikardt 26:07 42:31, Danner 36:57, Hildebrandt 47:44, Sanikis 59:58 – Vori 6:36 16:13, G. Gille 27:01 32:03 46:34).

Strafwürfe: 7/6 – 5/1 (Lindberg scheitert an Sandström, 10:15 Min. und 14:21; Karipidis an die Latte, 16:17; Kraus an die Latte, 36:03; Jansen scheitert an Sandström, 52:45).

Zuschauer: 3.246 in der Rothenbach-Halle, Kassel

Spielfilm:
0:1 (2.), 1:1 (4.), 1:3 (5.), 2:4 (7.), 3:5 (9.), 4:5 (10.), 6:6 (12.), 8:8 (15.), 9:8 (17.), 10:9 (18.), 11:10 (20.), 12:12 (22.), 14:13 (25.), 15:14 (28.), 17:16 (HZ), 18:17 (31.), 19:19 (33.), 21:19 (35.), 21:20 (38.), 21:22 (39.), 22:22 (40.), 22:24 (42.), 24:24 (45.), 25:25 (48.), 27:26 (50.), 28:26 (52.), 29:26 (55.), 29:27 (58.), 30:28 (59.), 30:29 (EN)