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Landesturnfest: Silber und Bronze für Henri Alter

Friedberg/Melsungen. Das 14. Landesturnfest in Friedberg unterschied sich in mancherlei Beziehungen von den früheren. Vor allem die Organisation wurde von vielen Athleten kritisiert. Als Beispiel sei nur der Mehrkampf der männlichen und weiblichen Jugend zu nennen. Da wurden innerhalb von 90 Minuten vier Wettbewerbe durchgezogen, aber auf den abschließenden 1000 Meter-Lauf musste man fast drei Stunden warten. Da der Meldeschluss bereits drei Monate vorher war, hätten die Verantwortlichen einen vernünftigeren Zeitplan ausarbeiten können. Auch nach Abschluss der Wettkämpfe gab es Unmut bei den Athleten, denn wiederum musste man über zwei Stunden auf die Siegerehrung warten. Die nordhessischen Teilnehmer, die am Morgen um 6 Uhr nach Friedberg fuhren, hätten zwei bis drei Stunden später abfahren können, wenn man einen besseren  Zeitplan angeboten hätte. So gab es nach dem vierten Wettbewerb zu viel Leerlauf, Langeweile und keine Tribüne zum Unterstellen.

Obwohl die Teilnehmerfelder kleiner als sonst waren, kämpften die Athleten dieses Mal ebenbürtiger um die Medaillen. Auffällig war auch, dass die Mehrkampfsieger nicht die hessischen Großvereine stellten, sondern viele erfolgreiche Athleten  aus Glauberg, Villmar, Idstein, Hartenrod und Melsungen kamen. Diese Jugendlichen und Schüler traten bereits selbstbewusst, kampfstark und ohne Hemmungen auf und gingen nach dem Wahlspruch von Turnvater Jahn „frisch, fromm, fröhlich und frei in ihren Wettkampf  und sorgten auf diese Weise für manche Überraschung.

Die drei Melsunger Starter Henri Alter, Tobias Stang und Christian Schulz zogen sich bei diesem Landesturnfest recht achtbar aus der Affäre und sicherten sich nach einem anstrengenden Mehrkampf mit den anschließenden Einzelwettbewerben im Schleuderballwerfen und Steinstoßen eine Silber- und zwei Bronzemedaillen. Für alle, die nur Medaillen werten, hätte die Bilanz der MT Melsungen natürlich viel mehr Glanz gehabt, wenn die Melsunger Athleten etwas mehr Glück gehabt hätten. Es war aber auch so zufriedenstellend, ja in mancher Hinsicht besser, als erwartet werden konnte. Dass diese so gefällige Medaille auch eine Kehrseite hat, versteht sich von selbst, weil jede Medaille zwei Seiten hat.

Im Fünfkampf der männlichen Jugend starteten in der Altersklasse der U18 16 Mehrkämpfer, von denen die Hälfte eine Chance hatte, die Norm von 48 Puntken für die deutschen Mehrkampfmeisterschaften in Einbeck zu erreichen. Sowohl Henri Alter als auch Tobias Stang gehörten zu den Medaillenanwärtern und hätten, wäre es bei den ersten beiden Wettbewerben besser gelaufen, sogar ein Wörtchen bei der Vergabe der Goldmedaille mitreden können. Die Vielseitigkeitsprüfung begann mit dem Kugelstoßen. Henri Alter hatte sich zwölf Meter vorgenommen, Tobias Stang wollte die 5kg Kugel weiter als zehn Meter stoßen. Nach zwei von drei Durchgängen waren die beiden Melsunger weit vom anvisierten Ziel entfernt. Erst im letzten Versuch schaffte Henri Alter 11,92 Meter und erhielt dafür 9,54 Punkte. Tobias Stang büßte wertvolle Punkte ein und kam nur mit 9,38 Meter in die Wertung. Alexander Fiehn aus Villmar  war mit 13,75 m der überragende Kugelstoßer.  Der spätere Sieger Andreas Nimmerfroh  aus Glauberg  blieb mit 11,35 m im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Im Sprint über 100 Meter bewies Tobias Stang seine derzeit vorzügliche Verfassung und verbesserte sich auf 12,46 Sekunden. Damit nahm er A. Fiehn fast eine Sekunden ab und hatte nach zwei Wettbewerben mit 18,62 Punkte nur etwas mehr als zwei Punkte Rückstand auf  Fiehn (20,71 Punkte). Durch seine 12,11 Sekunden übernahm A. Nimmerfroh mit 20,89 Punkten die Führung. Henri Alter lief drei Tage vorher beim Abendsportfest in Melsungen zwei Zehntelsekunden schneller als Tobias Stang. In Friedberg kam er nie richtig in den Lauf und  wurde nur mit 12,97 Sekunden gestoppt. Mit dieser schwachen Zeit blieb er über eine halbe Sekunde hinter den Erwartungen zurück. Statt der eingeplanten 21 Punkte hatte er nur 19,71 Punkte auf dem Konto, was ihm am Ende mindestens die Silbermedaille kostete.

Zuversichtlich begaben sich die beiden Führenden Nimmerfroh und Fiehn zum Schleuderballwerfen, denn beide waren in der Lage, den 1 kg schweren Gummiball mit der 28 cm langen Schlaufe über 50 Meter zu werfen. Während Fiehn im Vorjahr bereits  54,98 Meter erzielt hatte, standen die Bestleistungen von Henri Alter und Tobias Stang bei 43,47 bzw. 38,71 Meter. Fiehn kam  mit 54,64 Meter in die Wertung und übernahm nach drei Wettbewerben die Führung von Nimmerfroh, der mit 47,98 Meter etwas an Boden verlor.

Für eine große Überraschung sorgte in diesem Wettbewerb Henri Alter, denn er konnte sich auf 49,38 Meter steigern und damit seinen Hausrekord um fast fünf Meter verbessern. Es sei schon an dieser Stelle erwähnt, dass er sich am Nachmittag beim Schleuderball Finale auf sensationelle 57,24 Meter verbessern konnte. Hätte er eine ähnliche Weite im Mehrkampf erzielt, wäre er mehr als drei Punkte besser gewesen und hätte souverän diesen Mehrkampf angeführt. Tobias Stang legte seit dem Vorjahr mehr als drei Meter zu und verbesserte sich auf 41,68 Meter. Aber dafür gab es wie im Kugelstoßen keine zehn Punkte. Mit dieser Schwäche hatte man im Melsunger Lager gerechnet. Mit dem Weitsprung und dem abschließenden 1000 Meter-Lauf  hatte der Malsfeld aber noch zwei Wettbewerbe vor sich, wo er in der Lage war, wertvollen Boden gut zu machen. Obwohl er mit  5,89 Meter und Henri Alter (5,80 Meter) die beiden besten Weiten vor Andreas Nimmerfroh (5,70 Meter) erzielten, hatten sie nicht gerade einen Grund zum Jubeln. Doch enttäuschend war ihr Abschneiden keinesfalls, auch wenn es auf den ersten Blick so aussah. Beide verschenkten beim Absprung viele  Zentimeter und blieben erneut unter der anvisierten und im Training mehrfach übersprungenen 6 Meter-Marke. In diesem Wettbewerb hätten sie weiteren Boden zur Spitze gut machen können, aber es sollte nicht sein.

Vor dem abschließenden 1000 Meter-Lauf  führte Alexander Fiehn mit 43,75 Punkten vor Andreas Nimmerfroh (42,95 Punkte). Henri Alter hatte 42,28 Punkte und lag damit auf Rang drei. Auf Platz vier fand sich Felix Mundorff vom TSV Königshofen mit 40,28 Punkten wider, und auf Rang fünf folgte Tobias Stang mit 39,66 Zählern. So musste die letzte Disziplin über den Gesamtsieg entscheiden.  Unmittelbar nach dem Start übernahm Tobias Stang die Führung, gefolgt von David Klein aus Villmar und Tim Rumrich aus Enkheim.  Mit etwas Abstand folgte A. Nimmerfroh, der zwölf Sekunden schneller laufen musste als A. Fiehn. Henri Alter hing mit äußerster Kraftanstrengung an Fiehn und kämpfte gegen seinen Trainingspartner Tobias Stang um die Bronzemedaille. Tobias Stang musste etwa eine halbe Minute schneller laufen als Henri Alter. Als die letzte Runde eingeläutet wurde, wollte Tobias  noch einmal sein Tempo forcieren, aber er war dazu nicht mehr in der Lage. Sein Sprint- und Sprungtraining hatte ihm zu viel von seiner früheren Ausdauer genommen. Dennoch lief er nach 3:01,22 Minuten als Erster über die Ziellinie. Danach folgte David Klein (3:03,68 Minuten), der sich mit diesem guten Lauf noch für Einbeck qualifizieren konnte. Nach Tim Rumrich (3:07,61 Minuten) erreichte schon Andreas Nimmerfroh (3:09,21 Minuten) als Vierter die Ziellinie und wurde mit 53,59 Punkten Hessischer Mehrkampfsieger. Alexander Fiehn benötigte für diese 1000 Meter 3:25,88 Minuten und sammelte als Vize-Meister 52,94 Punkte. Nur wenige Schritte hinter Fiehn sicherte sich Henri Alter mit 3:27,25 Minuten die Bronzemedaille (51,35 Punkte). Auf dem undankbaren vierten Platz landete Tobias Stang, der sowohl bester Weitspringer und schnellster über 1000 Meter war, mit 51,10 Punkte.

Alle, die nach diesen fünf Wettbewerben ins Ziel kamen, schnappten nach Luft, stützten sich auf den Knien oder lagen auf der Laufbahn. An ihren Gesichtern war abzulesen, was in ihnen in diesen Minuten vorging.  Glück, Freude, Enttäuschung, Rechtfertigung, Genugtuung.

Ein großer Mehrkampf war damit zu Ende. A. Nimmerfroh konnte bei der Siegerehrung die Goldmedaille in Empfang nehmen. Silber ging an A. Fiehn. Die beiden Melsunger Vertreter sicherten sich nur minimal auseinander liegend Bronze (51,35 Punkte) und Platz vier (51,10 Punkte). Sie hatten beide die Genugtuung, sich nicht nur für die deutschen Mehrkampfmeisterschaften im September in Einbeck qualifiziert zu haben, sondern auch die Melsunger Vielseitigkeitsschule würdig vertreten und erneut zum Ansehen im Lande beigetragen zu haben.

Christian Schulz überzeugte im Fünfkampf der A-Schüler
Im Fünfkampf der Schüler A überzeugte Christian Schulz mit 44,97 Punkten und qualifizierte sich ebenfalls für die Mehrkampfmeisterschaften, da er in der Endabrechnung als Vierter fast fünf Zähler über der erforderlichen Norm für diese deutschen Meisterschaften lag. Er beeindruckte zu Beginn im Schleuderballwerfen mit 40,55 Meter und lag nach dem ersten Wettbewerb hinter dem späteren Sieger Nico Kratz aus Idstein überraschend auf Rang zwei. Leider blieb er im Kugelstoßen mit schwachen 8,68 Meter weit hinter den Erwartungen zurück. „Das Kugelstoßen ist nicht seine Schokoladenseite“, betonte Alwin J. Wagner, nach dieser Disziplin. Aber wenn man hier fast  zwei Meter liegen lässt, fehlen die Punkte am Ende.

Im Weitsprung kam er auf famose 4,98 Meter und hatte sogar noch einen ungültigen Sprung jenseits der fünf Meter. Über 100 Meter wurden für den Schüler aus Röhrenfurth nur 13,79 Sekunden notiert. Auch hier ließ er einige Zehntelpunkte liegen. Beim abschließenden 1000 Meter-Lauf trumpfte er wieder auf und seine Energie, seine Willenstärke und sein Können trugen zu seiner starken Zeit bei. Mit 3:13,19 Minuten verbesserte er nicht nur seinen Hausrekord um über fünf Sekunden, sondern war mit dieser Zeit hinter Lukas Klingelhöfer aus Hartenrod der zweitschnellste Läufer des Feldes. Wenn er im Kugelstoßen stabiler wird, seine 100 Meter-Zeit weiter nach unten drückt und sich auch im Schleuderballwerfen auf über 45 Meter verbessern könnte, wäre er bei den deutschen Meisterschaften in der Lage  47 Punkte und mehr zu sammeln.

Zwei Medaillen in den Einzelwettbewerben
Im Schleuderballwerfen hatte Henri Alter nach seiner Steigerung im Mehrkampf auf 49,38 Meter sogar eine Chance auf Bronze. Er war mit  einer Bestweite von 43,47 Meter nach Friedberg angereist und überraschte alle Anwesenden mit seinem ersten Wurf. Technisch sauber eingedreht, absolvierte er zwei schnelle Drehung und schleuderte den 1kg Ball auf fast unglaubliche 54,06 Meter. A. Fiehn, der eine Medaillenchance bei den deutschen Meisterschaften in dieser Disziplin besitzt, begann mit 57,97 Meter. Doch er durfte sich keinesfalls sicher fühlen, denn Henri Alter hatte noch Mängel beim Abwurf gezeigt, so dass mit einer weiteren Steigerung gerechnet werden konnte.  Im dritten Durchgang war es soweit: Wieder drehte der vierfache hessische Jugendmeister des Jahres 2012 rhythmisch sauber und erwischte dieses Mal den Abwurf etwas besser, aber immer noch nicht optimal. Als die Kampfrichter die Weite von 57,24 Meter bekannt gaben, war die Freude groß und A. Fiehn begann unruhig zu werden. Im letzten Durchgang verbesserte er sich auf 58,35 Meter; aber Henri Alter hatte es mit seinem letzten Versuch noch in der Hand. Wieder begann er mit einer großartigen Eingangsdrehung, steigerte seine Geschwindigkeit in der zweiten Drehung und kam gut in die Abwurfposition. Er wollte alles und setzte mit seinem Wurf etwas zu früh an, so dass er ihn nicht in die Mitte des Feldes brachte. Dennoch flog der Ball so weit wie nie an diesem Tag. Während die Sektorenlinie bei 55 Meter aufhörte, landete der Gummiball mindesten fünf Meter weiter an der imaginären Sektorenlinie. Der Feldkampfrichter, der in der Mitte stand, machte keine Anstalten zur Landung des Balles zu laufen und erklärte diesen besten Wurf, der Henri Alter die Goldmedaille gebracht hätte, für ungültig. Selbst Alexander Fiehn und dessen Betreuer  Walter Haas aus Villmar waren überzeugt, dass dieser Wurf von Henri Alter im Sektor gelandet und deshalb gültig war. Aber der Kampfrichter ließ nicht mit sich reden. Der Fachmann konnte bei Henri Alter sehen, dass Können und Kampfkraft bei seinen großen Leistungen immer eine besondere Rolle spielen. Wie sonst hätte er ohne seine bewundernswerte Selbstsicherheit und Nervenstärke eine Steigerung in diesem Wettbewerb um fast 15 Meter bieten können? So war die Vielseitigkeit seiner Begabung  die Grundlage seiner beiden Medaillen. Wenn man ihn im Wettkampf beobachtet, sieht man ihm die Kraft seines starken Willens nicht an. Aber sie ist in ihm, auch wenn er manchmal dazu neigt, etwas übermotiviert in den Wettkampf zu gehen und dadurch zu viel zu wollen. Wie bei seinem Sieg bei den Landesmeisterschaften  im Dreisprung erwies sich auch in diesem Schleuderballwettbewerb, dass der Melsunger Gymnasiast sein Talent, sein Können und seine Energie zu einer harmonischen Leistung in sich vereint.

Die zweite Medaille sicherte sich der 15-jährige Christian Schulz im Steinstoßen mit dem 10kg schweren Stein. Im letzten Durchgang verbesserte er sich auf 5,35 Meter und kam bis auf 0,65 Meter an die Silbermedaille von Marcel Daniel heran. Unmittelbar vorher hatte er sich im Schleuderballwerfen auf 42,63 Meter verbessert und damit den undankbaren vierten Platz belegt. (ajw)