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MT hat mit Böker und Geier heiße Eisen im Feuer

Melsungen. Ohne dass man im Trubel der vielen sportlichen Ereignisse in den letzten Wochen daran dachte, sind die drei Tage der deutschen Seniorenmeisterschaften in Erfurt näher und näher gerückt und stehen nun am Wochenende vom Freitag bis zum Sonntag vor der Tür.  Mit Hella Böker und Harry Geier hat die MT 1861 Melsungen zwei heiße Eisen im Feuer, die bei der Titelvergabe mitmischen wollen. Beide zeichnen eine große Trainingsbereitschaft und besonders ihr Ehrgeiz aus und beide verfügen auch über eine große internationale Erfahrung.  Aber die Konkurrenz hat in den letzten Wochen nicht geschlafen und wurde immer besser, so dass auch bei den vielen Titelanwärtern ein klarer Aufwärtstrend in den Leistungen zu erkennen ist.

Die meisten der Medaillenanwärter starten sechs Wochen später bei der Senioren-EM, die vom Städteverbund Zittau (Deutschland), Bogatynia (Polen) und Hradek (Tschechische Republik) ausgetragen wird.  Bei diesem Festival der ca. 3500 älteren Leichtathleten wird die europäische Idee gelebt und praktisch durchgeführt. Auch Hella Böker und Harry Geier haben sich neben Dr. Uwe Holzapfel  (3000 m Hindernis) für die kontinentalen Meisterschaften qualifiziert.  In Zittau werden sie neben der elektronischen Uhr und dem Bandmaß, die wieder unbestechliche und harte Richter sein werden, auch auf die Landesmeister aus allen Teilen Europas treffen. Und diese werden den drei MT-Athleten das Erreichen des Finales bestimmt nicht einfach machen.

Bei den deutschen Seniorenmeisterschaften in Erfurt hat Harry Geier sowohl über 200 als auch über 400 Meter gemeldet.  Der deutsche 400m-Meister des Jahres 2011 konnte wegen verschiedener Verletzungen im Frühjahr nicht an seine Spitzenleistungen aus dem Vorjahr und aus der zurückliegenden Hallensaison  anknüpfen, wo er ebenfalls den Titel gewinnen konnte. Bei den hessischen Seniorenmeisterschaften in Rüsselsheim musste er wegen einer Verletzung seine beiden Starts absagen. So konnte er in der bisherigen Saison bis zum letzten Wochenende noch kein Zeugnis seines Könnens abliefern. Da aber jedes Tief einmal ein Ende nimmt und sich niemand in einer Talsohle ewig aufhält, überzeugte Harry Geier beim Feriensportfest in Borken. Trotz starker Schmerzen in der Achillessehne benötigte er für die Stadionrunde bei der Generalprobe für Erfurt nur 72,88 Sekunden. Möge also auch für den Melsunger Juwelier gelten: Ende gut, alles gut.

Aber mit Klaus Heidinger vom Turnerbund Emmendingen, der vor einem Monat in Edenkoben die 400 Meter in glänzenden 71,53 Sekunden zurücklegen konnte, schickt sich ein Viertelmeiler an, Harry Geiers Vormachtstellung streitig zu machen. Noch im März ließ der Melsunger bei den DLV-Hallenmeister-schaften mit 72,18 Sekunden die gesamte Konkurrenz mehr als fünf Sekunden hinter sich. Heidinger sicherte sich in 80,40 Sekunden den dritten Platz. Aber in den letzten vier Monaten konnte sich der zwei Jahre jüngere Langsprinter aus Emmendingen um fast neun Sekunden verbessern. Somit kann er durchaus in Erfurt über den erfolgsverwöhnten Melsunger triumphieren.  Aber Harry Geier weiß um die Stärke seines Kontrahenten. „Wer Deutscher Meister in der M75 werden will, muss unter 72 Sekunden laufen“, sagte er selbstbewusst. Man darf seine Worte ruhig ernst nehmen, denn wie sagte er doch vor einem Jahr in Minden?  „Wer heute gewinnen will, muss die Stadionrunde unter 72 Sekunden zurücklegen – und mit 71,32 Sekunden tat es Harry Geier als deutscher Meister recht überzeugend.  Obwohl Heidinger und Geier die beiden unumstrittenen Favoriten sind, sollten man auch Dr. Horst Hufnagel aus Hamburg auf der Rechnung haben.  Der 77jährige lief im Vorjahr bei den Weltmeisterschaften in Sacramento (USA) die 400 Meter in 72,62 Sekunden und scheint  zur alten Form zurückgefunden zu haben. Wer von den anderen elf Startern in die Phalanx dieser Drei eindringen will, wird sich in Erfurt erheblich steigern müssen. Von den weiteren Finalteilnehmern sind noch Klemens Wittig aus Dortmund (74,46 Sek.), Siegfried Burkhardt von der LG Rhein-Wied (75,21 Sek.) und Günter Linke (SV Schöneiche) zu nennen.

Mit seiner 200m-Zeit von 31,91 Sekunden, die Harry Geier am 6. Mai bei den nordhessischen Meisterschaften in Kassel lief, nimmt er in der deutschen Bestenliste Rang sieben ein.  Aber wegen seiner Achillessehnenbeschwerden und vor allem um Kräfte und Energie zu sparen, verzichtet er auf einen 200m-Start und setzt alles daran, seinen Vorjahrestitel über 400 Meter zu verteidigen.

Hella Böker könnte mit einer Goldmedaille diese Meisterschaften eröffnen
Am Freitagmorgen um 10.45 Uhr geht Hella Böker das erste Mal an den Start, denn da fällt bereits die Entscheidung im Kugelstoßen der W70.  Das letzte Mal stand sie bei der Siegerehrung im Kugelstoßen der W65 vor zwei Jahren in Kevelaer auf dem obersten Treppchen. Im Vorjahr stieß sie bei den Titelkämpfen in Minden 9,24 Meter und belegte hinter Monika Bernert von der LG Altmark, die sich im letzten Versuch auf 9,42 m steigerte, den zweiten Platz. Die Titelver-teidigerin wurde mit ihrer Meisterschaftsleistung von Minden gemeldet und führt die Rangliste mit einem Vorsprung von 0,37 Meter an. Allerdings konnte sich Hella Böker am 3. März bei den deutschen Hallenmeisterschaften mit 9,34 zu 8,98 Meter gegen die Kugelstoß-Spezialistin aus der Altmark überzeugend durchsetzen. Und auch in der Freiluftsaison blieb Monika Bernert hinter den Erwartungen zurück. Mag sein, dass sie alles in Erfurt nachholt. Hella Böker zeigte in den letzten Wochen ein hohes und vielversprechendes Niveau. Dennoch sollte man die stark verbesserte Ingrid Holzknecht aus Elmshorn, die vor zwei Wochen nur um vier Zentimeter die 9m-Marke verpasste, im  Auge behalten. Ein spannender Wettkampf steht bevor.

Wenn vier Stunden später  die Seniorinnen ihre Meisterin im Hammerwerfen der W70 ermitteln, wird es für Hella Böker nicht einfach, ihren Titel von Minden zu verteidigen. Zwar sorgte sie am 28. April bei den nordhessischen Meisterschaften in Borken für einen Paukenschlag, als sie sich mit 33,60 Meter wieder eindrucksvoll zurückmeldete, aber die Favoritenposition hat in diesem Wettbewerb ganz klar Gudrun Mellman vom SV Lurup Hamburg inne.  Die mehrfache Welt- und Europameisterin bestätigte ihre Sonderklasse zuletzt bei der Winterwurf-WM in Finnland mit eindrucksvollen 33,35 Meter und hatte dabei fast drei Meter Vorsprung vor ihrer Dauerkonkurrentin aus Fuldabrück. Vier Wochen vorher setzte sie sich bei den deutschen Winterwurfmeisterschaften nach einer imponierenden Serie mit 34,48 Meter vor Hella Böker (30,58 m) durch. So wird bei diesen Meisterschaften zwischen diesen beiden Ausnahmewerferinnen  wieder die Entscheidung fallen, obwohl auch Ingrid Holzknecht ebenfalls in der Lage ist, an die 30 Metermarke zu werfen.

Obwohl Hella Böker aus Melsunger Sicht im Speerwerfen der W70 die klare Favoritin auf den Titel ist, scheint bei objektiver Betrachtung auch dieser Wettbewerb eine offene Angelegenheit zu werden. Die MT-Sportlerin des Jahres 2011 hat nach ihrer Silbermedaille von Finnland mit 28,55 Meter und ihren 27,45 Meter als Landesmeisterin von Rüsselsheim sicherlich ein leichtes Übergewicht gegenüber Ingrid Holzknecht, denn sie führt die deutsche Rangliste mit einem Vorsprung von zwei Metern an. Aber die immer besser werdende Athletin aus Schleswig-Holstein machte bei den Landesmeisterschaften in Delmenhorst mit guten Würfen auf sich aufmerksam und möchte auch in Erfurt auf dem obersten Podest stehen. Fast in einem Atemzug auf eine Chance auf die Bronzemedaille müssen Christina Helmke aus Potsdam und Christa Bensch (Blau-Weiß Auma) genannt werden. Beide Seniorinnen sind  in der Lage, den Speer über 25 Meter zu werfen.  Monika Bernert und Karin Mathes aus Ockenheim müssten schon über sich hinaus wachsen, wenn sie eine Medaille gewinnen wollen. Vorausgesetzt, dass das Wetter den Speerwerferinnen günstig gesinnt ist, kann man in diesem Wettbewerb starke Leistungen erwarten.

Wenn einen Tag später die deutsche Diskuswurfmeisterin der W70 ermittelt wird, könnte es noch einmal spannend werden. Es ist kein Geheimnis, dass Hella Böker mit den Goldmedaillen im Speer- und Diskuswerfen liebäugelt.  Nach der Absage ihrer Dauerkonkurrentin Karin Illgen aus Leipzig, die sich wegen ihrer Herzprobleme in ärztlicher Behandlung befindet, könnte wiederum Ingrid Holzknecht aus Elmshorn der Melsunger Ausnahmeathletin einen Strich durch die Rechnung machen. Hella Böker sicherte sich im Vorjahr mit überragenden 28,55 Meter ihre 29. deutsche Seniorenmeisterschaft  in den Wurf- und Stoßwettbewerben.  Bei den hessischen Meisterschaften in Rüsselsheim setzte sie sich im Regen mit 26,91 Meter durch und erzielte die beste Leistung aller Teilnehmerinnen ab der W50.  Aber Ingrid Holzknecht zog eine Woche später in Delmenhorst mit 26,63 m nach und möchte bei der Titelvergabe in Erfurt  auch vorne dabei sein.

Ob Hella Böker genauso auftrumpft wie seinerzeit im Vorjahr in Minden, wo sie drei Siege und eine Vizemeisterschaft gewinnen konnte, muss abgewartet werden.  Alwin J. Wagner wäre zufrieden, wenn Hella mit vier Medaillen, zwei Gold und zwei Silber, zurückkommen würde. Aber die Konkurrenz schläft nicht und so werden bei diesen Meisterschaften wenige Zentimeter entscheiden und alles von der Tagesform abhängen. (ajw)