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Luft und Licht in die Seele lassen

Interview mit der Gastrednerin der Hephata-Festtage, Dr. Gabriele Fröhlich-Gildhoff

Schwalmstadt-Treysa. Dr. Gabriele Fröhlich-Gildhoff, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, ist Rednerin der Auftaktveranstaltung der Festtage am 8. September ab 11 Uhr im Kirchsaal der Hephata-Kirche. Ihr Thema: „Das Immunsystem der Seele stärken“. Alle Interessierten sind zu dem Vortrag herzlich eingeladen.

Frau Dr. Fröhlich-Gildhoff, Ihr Vortrag heißt, „das Immunsystem der Seele stärken“. Bei Immunsystem denke ich an Schnupfen…
Wenn die Seele einen Schnupfen bekommt, werden die Menschen häufig seelisch krank. Ich werde über Faktoren sprechen, die hilfreich sind, die Seele gesund und stabil zu halten.

Wie geht das?
Günstiger Weise stabilisiert man Menschen sehr früh, als Kinder, dann sind sie seelisch widerstandsfähig. Wenn das nicht gelingt, dann gibt es Menschen wie mich, die Psychotherapie anbieten. Es gibt aber auch allgemeine Dinge, die man selber für seine Seelengesundheit tun kann.

Welche sind das?
Ich spreche von sechs Faktoren. Der erste ist: In der Lage zu sein, sich selbst und seine Fähigkeiten angemessen einschätzen zu können. Also Möglichkeiten und Grenzen von sich zu kennen. Der zweite Faktor ist, die eigenen Regungen und Gefühle regulieren zu können.  Ich muss also lernen mich selber zu beruhigen, aber auch, mich selber zu aktivieren.  Dritter Faktor ist die Überzeugung, dass ich Anforderungen gut bewältigen kann. Das hängt an Erfahrungen und Selbstvertrauen.

Welche Faktoren gibt es noch?
Soziale Kompetenzen. Fünftens, der Umgang mit Stress. Dann noch die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Diese Faktoren kann man lernen, wenn man nicht das Glück hatte, sie von Klein auf beigebracht zu bekommen.

Wodurch wird die Seele häufig krank?
Es ist meist eine Disbalanz zwischen Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten. Und die Anforderungen werden  in vielfacher Hinsicht ständig höher.

Was meinen Sie?
Einmal im privaten Bereich. Unsere Wertesysteme sind am Schwimmen, woran orientiere ich mich noch? Das, was früher klare Werte waren, das fehlt den Eltern in der Erziehung. Die erzieherische Verunsicherung  wird in die Schulen getragen, damit sind die Lehrer oft heillos überfordert. Sie können Fachwissen vermitteln, aber sie sind keine Sozialarbeiter und es fehlt oft die Zeit, individuell auf Probleme der Kinder einzugehen.

Und im Beruf?
Egal, wo Sie hingucken, gibt es Arbeitsverdichtung und erhöhte Anforderungen an Flexibilität. Wir sollen in unseren Berufen eine Flexibilität an den Tag legen, die teilweise mit Entwurzelung einher geht. Immer mehr Menschen haben entfernte Arbeitsplätze. Immer mehr müssen mal schnell ins Ausland. Immer mehr Verantwortung, die Entscheidungskompetenzen werden aber gleichzeitig immer mehr beschnitten. Dazu kommt die ständige Erreichbarkeit per Handy und keine klare Trennung zwischen Freizeit und Beruf.

Wie kann man da seine Seele schützen?
Menschen können viel arbeiten, aber sie brauchen auch Ruhezeiten. Viele Menschen haben dafür kein Konzept. Erstmal geht es darum, sich das bewusst zu machen. Danach darum, an sich zu arbeiten, dazu bedarf es meistens auch professioneller Hilfe.

Das Jahresmotto Hephatas „miteinander leben lernen“ bedeutet dann in erster Linie „mit mir leben lernen“?
Mit mir leben lernen. Aber auch, im Umgang mit einander wertschätzend zu sein, tolerant mit anderen zu sein. Nicht nur zu gucken, was können die anderen nicht, sondern, was können sie. Das ist eine Frage von Haltung gegenüber Freunden, Bekannten, Familie, aber auch in der Psychotherapie. Auch das kann man lernen.

Prophylaxe im Kleinen…
Ja. Wenn ich mit mir und anderen wertschätzend umgehe, macht das Menschen stark und ist eine Art Prävention.

Welche Rolle spielt der Körper bei der Prävention und Pflege der Seele?
Wenn wir gut für den Körper sorgen, mit ausreichend Schlaf, mit ausreichend Essen, gesunder Ernährung – wenn der Körper gesund ist, dann wohnt da auch die Seele lieber drin. Und umgekehrt genauso.

Was haben Sie heute für Ihr Immunsystem getan – für Körper und Seele?
Ich hatte gerade fünf Minuten Pause. Einmal in der Stunde versuche ich fünf Minuten für mich zu haben. Einfach mal in mich reinzuhorchen, wie es mir geht. Ich habe Luft und Licht reingelassen, in mein Büro und in die Seele. (Gespräch: Melanie Schmitt)