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Endstation Betreutes Wohnen?

Verschiedene Hilfeformen teilen sich einen Begriff

Schwalmstadt. „Betreutes Wohnen ist doch nur etwas für Alte, die alleine nicht mehr zu Recht kommen.“ Diese und ähnliche Meinungen spiegeln heute das weit verbreitete Verständnis zu den Angeboten der Einrichtungen des Betreuten Wohnens wider. Doch was trifft davon zu? Tatsächlich gibt es zunächst im Bereich der Versorgung von alten Menschen Pflegeheime, die einen Teil ihrer Dienstleitungen als „Betreutes Wohnen“ bezeichnen. Oft handelt es sich dabei um unmittelbar den Heimen angegliederte Appartements, in denen Senioren ähnlich einer eigenen Wohnung untergebracht sind und dabei Pflege- und Betreuungsleistungen des Heimpersonals  in Anspruch nehmen.

Es liegt in der Natur der Sache: Menschen werden nicht jünger, vielmehr altern sie und werden zunehmend pflegebedürftig.  So folgt nach dieser Form des Betreuten Wohnens häufig auch nur noch die Überleitung in die vollständige Unterbringung in einem Pflegeheim.
Der Begriff „Betreutes Wohnen“ umfasst aber erheblich mehr, als nur die Bereitstellung von Betreuungsleistungen an Senioren im engen Umfeld eines Heimes. Er bedeutet beispielsweise auch die ambulante Betreuung eines psychisch erkrankten, hilfebedürftigen Menschen  fernab von stationären Strukturen an dem Ort, an dem er aufgewachsen ist. Dabei spielt das Lebensalter eine nur sehr untergeordnete Rolle.

Grundsätzlich findet diese Form der Betreuung im weit überwiegenden Teil der Fälle in der eigenen Wohnung statt. Ist diese Unterstützung nicht ausreichend, stehen in Ausnahmefällen auch Wohnplätze in ambulant betreuten Wohngemeinschaften zur Verfügung.

Der Auftrag: Hilfe überflüssig machen
Das Betreute Wohnen hat es zum Ziel, die betreuten Menschen auf dem Weg in die Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu begleiten und zwar so lange, bis die Hilfe nicht mehr erforderlich ist. Dabei gilt es, die individuelle Situation des Betroffenen zu berücksichtigen, den tatsächlichen Bedarf an Hilfe zu ermitteln und in kooperativer Weise Lösungswege für vielfältige Hemmnisse zu erarbeiten.
Leichter gesagt, als getan; Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen erleben oft ein auf und ab, das den Weg in die Normalität bis zur Unerreichbarkeit erschweren kann. Doch damit nicht genug: die Folgen der Krankheit sind sehr häufig Arbeitsunfähigkeit, Armut, Perspektivlosigkeit und soziale Isolation.

Ansatz des Betreuten Wohnens ist es nun, die vorhandenen Probleme strukturiert zu anzugehen und  gleichzeitig die vorhandenen Fähigkeiten des betreuten Menschen einzubeziehen, ohne ihm seine Eigenverantwortung abzunehmen. Eine rechtliche Vertretung übernimmt das Betreute Wohnen daher nicht, die letztendliche Entscheidungskompetenz bleibt immer beim Betroffenen.
Genau dieser Umstand erfordert den Wunsch und Willen des betreuten Menschen, seine Situation zum Positiven zu verändern. Hilfe ist da unnütz, wo sie unerwünscht ist. Dort jedoch, wo sie gewollt und angenommen wird, bildet sie die Grundlage zur Weiterentwicklung, Verselbständigung und letzten Endes zur Unabhängigkeit von Hilfesystemen.

„Hilfe“ – was kann das konkret heißen?
Die Betreuungsangebote des ambulanten Betreuten Wohnens für Menschen mit chronisch psychischer Erkrankung umfassen zunächst alle Lebensbereiche, in denen ein Hilfebedarf besteht. Im Wege der Ermittlung des individuellen Hilfebedarfes wird ein speziell auf den betroffenen Menschen zugeschnittener Plan erstellt, der festschreibt, welche Veränderungen erreicht werden sollen und welche Maßnahmen dazu erforderlich sind.

Geht es also einem chronisch psychisch erkrankten Menschen  dauerhaft sehr schlecht, kann die Hilfeleistung des Betreuten Wohnens beispielsweise daraus bestehen, Sorge dafür zu tragen, dass eine regelmäßige und entlastende fachmedizinische Behandlung aufgenommen wird. Konkret würde dies die gemeinsame Vereinbarung von Arztbesuchen und die Begleitung zu den Terminen über einen längeren Zeitraum bedeuten.

Das mag zunächst äußerst profan klingen. Im Gesamtzusammenhang betrachtet kommt jedoch der Wiederherstellung von psychischer Stabilität als Ausgangspunkt für eine positive Veränderung des Lebens allerhöchste Priorität zu.

Der steinige Weg
In der Realität wirken sich positive Impulse selten gradlinig und ohne Umschweife aus. Lebens- und Gesundheitsveränderungen und die Betreuung von Menschen mit psychischen Erkrankungen insgesamt  sind stets dynamische Prozesse, die Höhen und Tiefen kennen. Dabei tauchen immer wieder unerwartete Schwierigkeiten auf. Auch Wünsche und Bedürfnisse können heute völlig anders sein, als morgen.

Zwar muss Hilfe und Betreuung letztlich so dynamisch sein, angemessen darauf reagieren zu können, dennoch verlangt es allen Beteiligten auch ein gewisses Maß an Geduld und Durchhaltevermögen ab. Denn psychische Erkrankungen und ihre schwerwiegenden Folgen sind oft über viele Jahre „gewachsen“. Genauso braucht es seine Zeit, den Weg zurück in ein stabiles Leben  zu finden. Das Betreute Wohnen bietet dabei Hilfe und Unterstützung an.

Wer zahlt die Zeche?
Das ambulante Betreute Wohnen für Menschen mit chronisch psychischer Erkrankung ist eine Sozialhilfeleistung der Eingliederungshilfe auf Grundlage des XII. Sozialgesetzbuches. Für Betroffene, die einen entsprechenden Hilfebedarf haben und die bedürftig im Sinne des Sozialgesetzes sind, finanziert der Landeswohlfahrtsverband Hessen die Betreuungsleistungen. Liegen alle Voraussetzungen vor, besteht ein Rechtsanspruch auf die Gewährung des Betreuten Wohnens. Zuvor prüft der Landeswohlfahrtsverband jedoch auch, in wie weit das Einkommen und Vermögen des Betroffenen in die Leistungsfinanzierung einzubeziehen sind. Personen, die Arbeitslosengeld II (Hartz IV) erhalten, sind in der Regel von einer Zuzahlung befreit.
Betreutes Wohnen des OIKOS Sozialzentrums

Das Oikos Sozialzentrum bietet das ambulante Betreute Wohnen für Menschen mit chronisch psychischer Erkrankung bereits seit 1. April 1986 an. Heute betreut die Einrichtung mehr als 100 Betroffene im Alter von 18 bis 65 Jahren in Kostenträgerschaft des Landeswohlfahrtverband Hessen, verschiedener Jugendämter und als sog. Selbstzahler. Das Betreute Wohnen ist neben der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle und der Tagesstätte  Teil des Psychosozialen Zentrums Schwalm-Eder Süd. Seit dem 1. August 2005 ist das OIKOS Sozialzentrum regionaler Geschäftsbereich des St. Elisabeth Vereins Marburg/Lahn e.V. (red)

Kontakt:
Markus Neumann (Koordination Aufnahme Betreutes Wohnen)
Telefon (06691) 9635-141
E-Mail: neumann-markus@oikos-sozialzentrum.de

Lena Heder (Bereichsleitung u. Koordination Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle)
Telefon (06691) 9645-167
E-Mail: heder-lena@oikos-sozialzentrum.de

Weitere Informationen:
www.oikos-sozialzentrum.de
www.elisabeth-verein.de