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Jörg-Uwe Hahn: Sicherheit bleibt oberstes Gebot

Justizminister macht sich ein Bild vom Umbau der Sicherungsverwahrung

Schwalmstadt. In der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt machte sich der Minister der Justiz, für Integration und Europa und stellvertretende Ministerpräsident und Jörg-Uwe Hahn am Mittwoch ein Bild vom Stand der Umbauarbeiten in der künftigen Sicherungsverwahrung hochgefährlicher Straftäter. Der E-Flügel ist derzeit eine einzige Baustelle. Mit schweren Betonsägen wird jeweils eine Tür in die Zwischenwand zwischen zwei Hafträumen geschnitten. Dadurch werden die beiden Räume zu einem Zimmer zusammengeschlossen. Die Zwischenwände sind zwischen 12 und 20 Zentimetern dick und aus „extrem hartem Beton“, wie Justizminister Hahn von den Bauarbeitern erfuhr. Die herausgeschnittenen Stücke wiegen zwischen 600 und 700 Kilogramm. Parallel zu dieser Schwerarbeit erfolgt die Erneuerung der Zu- und Abwasserleitungen sowie der elektrischen Leitungen.

Der Betrieb der Baustelle erfolgt unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. Der Gebäudeflügel E ist von der Hauptanstalt völlig abgetrennt. Er wird über eine eigene Tor-Einfahrt angedient. Entschlossen betonte Justizminister Jörg-Uwe Hahn: „Die Sicherheit der Bevölkerung ist oberstes Gebot – auch beim Bau.“

Justizminister Jörg-Uwe Hahn erinnerte noch einmal an die ursprüngliche Überlegung,  die Sicherungsverwahrung in einem Neubau unterzubringen: „Dafür waren Kosten von 26 Millionen Euro geschätzt worden. Wobei es dabei kaum geblieben wäre.“ Für die jetzige Lösung, den Umbau des E-Flügels, stehen 12 Millionen Euro bereit, zuzüglich von 0,5 Millionen Euro Umbaukosten für die Unterbringung weiblicher Sicherungsverwahrter in der JVA Frankfurt III. Damit werde man hinkommen. Minister Hahn: „Wir haben uns angestrengt und die preiswertere Lösung gewählt, um die Steuerzahler möglichst wenig zu belasten.“

Nach Abschluss der Betonarbeiten erfolgt der weitere Innenausbau. Jedes der insgesamt mindestens 18 Quadratmeter großen Zimmer erhält eine räumlich abgetrennte Toilette und Nasszelle. Darüber hinaus entstehen Gruppenräume, Therapieräume und Gemeinschaftsküchen. Die Sicherungsverwahrten sollen beschäftigt und an einen geordneten Tagesablauf gewöhnt bleiben. Im Hof des E-Flügels wird ein Sportplatz gestaltet. Auch ein Kleingarten soll den Sicherungsverwahrten zur Verfügung stehen.

Insgesamt werden Plätze für 60 Sicherungsverwahrte entstehen. Die Umbauarbeiten sollen voraussichtlich bis Februar 2014 fertiggestellt sein. Während der Bauzeit seien derzeit 37 Sicherungsverwahrte vorübergehend in der neu gegründeten Zweiganstalt der JVA Schwalmstadt auf dem Gelände der JVA Weiterstadt (bei Darmstadt) untergebracht.

Die Neuordnung der Sicherungsverwahrung war nötig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Bundesländern aufgegeben hatte, die Sicherungsverwahrung neu zu regeln. Die dafür eingeräumte Übergangsfrist ist zum 31. Mai 2013 ausgelaufen. Justizminister Jörg-Uwe Hahn betonte: „Wir erfüllen bereits in der Zweiganstalt Weiterstadt die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Sicherungsverwahrung gestellt hat.“

Insbesondere stehen in Weiterstadt 38,5 Stellen, die mit Schwalmstädter Bediensteten besetzt sind, zur Betreuung und Behandlung der maximal 38 Sicherungsverwahrten zur Verfügung. „Hierdurch können wir bereits in der Interimsphase bis zum Rückzug in das umgebaute E-Haus eine umfassende Behandlung und Betreuung der Untergebrachten sicherstellen, die in vollem Umfang den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und des Hessischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes entsprechen. Die Einrichtung in Weiterstadt wird den therapeutischen Erfordernissen einer verfassungskonformen Sicherungsverwahrung gerecht. Sie bietet auch erweiterte Besuchsmöglichkeiten, damit familiäre und soziale Kontakte nicht abreißen“, so Justizminister Jörg-Uwe Hahn.  Ein großer eigener Freibereich, eine Küche in der Wohngruppe, Wohnzimmer bzw. Gruppenräume, Therapie-, Sozial- und Büroräume für Fachdienste sind ebenfalls vorhanden.

Experten  aus Schwalmstadt
Justizminister Jörg-Uwe Hahn dankte den Mitarbeitern der JVA Schwalmstadt, die hervorragend ausgebildet seien und langjährige Erfahrung im Umgang mit Sicherungsverwahrten haben. „Dieses Potenzial wollen wir mit unseren Thüringer Nachbarn teilen. Diese Lösung spart Kosten auf beiden Seiten. Sie erfolgt wesentlich auch zugunsten der Steuerzahler.“

Minister Hahn würdigte das Engagement der Mitarbeiter, die quasi mit nach Weiterstadt umgezogen seien, um hier die Sicherungsverwahrten weiter zu begleiten. Diese Mitarbeiter seien ein eingespieltes Team, das über hohe Sachkunde und Gespür auch für schwierige Situationen verfüge. Sie betreten nach der Neuorganisation der Sicherungsverwahrung ebenfalls eine Art Neuland. Die Mitarbeiter betrachten dies als Herausforderung. Der Minister betonte ausdrücklich: „Ich danke Ihnen im Namen des Landes Hessen für Ihre hervorragende Arbeit und Ihren Einsatz.“ Gleiches gilt für die Bediensteten der JVA Weiterstadt, ohne deren große Kooperationsbereitschaft die Bewältigung der Aufgabe nicht möglich wäre. Justizminister Hahn würdigte auch das Engagement der in Schwalmstadt verbliebenen Mitarbeiter: „Sie versehen unter erschwerten Bedingungen ihren ohnehin nicht leichten Dienst. Wir setzen alles daran, dass die Bauarbeiten zügig vorangehen und der Betrieb an zwei gleichzeitigen Standorten bald ein Ende hat.“

Staatsvertrag mit Thüringen
Justizminister Jörg-Uwe Hahn verwies auf die Kooperation mit dem Nachbarland Thüringen, die durch Staatsvertrag auf 30 Jahre geschlossen worden sei. Demnach stehe dem Freistaat Thüringen in Schwalmstadt nach der Fertigstellung ein Kontingent von 15 Plätzen zur Verfügung. Entsprechend diesem Kontingent werde Thüringen ein Viertel der Kosten tragen. Minister Hahn: „Derzeit sind in der Außenstelle Schwalmstadt in Weiterstadt bereits sechs Sicherungsverwahrte aus Thüringen untergebracht.“

Hintergrund:
„Von der Sicherungsverwahrung betroffen sind Straftäter, die ihre Strafe verbüßt haben, aber dennoch als so gefährlich eingestuft werden, dass ihre Freilassung nicht verantwortbar erscheint“, so der Justizminister. Die Sicherungsverwahrung komme einer vorbeugenden Haft auf möglicherweise drohende Verbrechen gleich.  „Aber oberstes Gebot ist für mich die Sicherheit der Menschen“, so Hahn. „Der Staat hat die Pflicht, seine Bürger vor Tätern, die als hochgefährlich erkannt werden, zu schützen. Das ist das Ziel der Sicherungsverwahrung, die wir verwirklichen nach den Regeln, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat.“

Hahn erinnerte an die Urteile des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Sicherungsverwahrung nur ein letztes Mittel sei. Sie sei auch nur dann zulässig, wenn sie auf die Therapie des Probanden ausgerichtet sei. Die Forderung „wegsperren und zwar für immer“ sei populistisch – und unrealistisch. Sie entspreche nicht der Menschenwürde, die jedem Menschen zustehe, gleich welche Tat der Verurteilung zu Grunde liegt. Wiederum das Bundesverfassungsgericht habe geurteilt, dass jedem Täter ein Stück Hoffnung verbleiben müsse, irgendwann noch einmal in die Freiheit zurückkehren zu können.

Am Stichtag 30. Juli  2013 befanden sich im Justizvollzug in Hessen 54 Sicherungsverwahrte; 53 Männer und eine Frau.

Von den 53 männlichen Sicherungsverwahrten sind zum Stichtag 37 SVer in der JVA Schwalmstadt – Zweiganstalt Weiterstadt – untergebracht. Einer davon  ist derzeit im ZKH Kassel I. Sechs davon kommen aus Thüringen.   2 SVer sind in der JVA Schwalmstadt – Abteilung Kornhaus untergebracht; 13 SVer befinden sich in der Sozialtherapeuthischen Anstalt Kassel II.

Für die weiblichen Sicherungsverwahrten wurde eine eigene abgetrennte Station in der Frauenvollzugsanstalt JVA Frankfurt am Main III mit fünf Plätzen den Erfordernissen der SV entsprechend umgebaut. Von den fünf Plätzen ist derzeit einer belegt.

Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
Justizminister Jörg-Uwe Hahn fasste die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2011 in drei wesentliche Punkte zusammen: „Der Vollzug der Sicherungsverwahrung muss therapiegerichtet und freiheitsorientiert ausgestaltet werden, d.h. es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um eine Perspektive für eine Beendigung der SV zu schaffen. Die SV muss sich vom Strafvollzug unterscheiden; Stichwort ist hier das Abstandsgebot. Untergebrachte müssen rechtlich und tatsächlich besser gestellt sein als Strafgefangene. Die Anstrengungen müssen frühzeitig beginnen, nämlich schon in der vorausgehenden Strafhaft. Ziel muss es sein, den Antritt der SV zu vermeiden.“

Ultima Ratio
Die Sicherungsverwahrung darf nur als letztes Mittel angeordnet werden, wenn andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Rechnung zu tragen.

Individualisierungs- und Intensivierungsgebot
Eine umfassende und wissenschaftlichen Anforderungen genügende Behandlungsuntersuchung muss spätestens zu Beginn der Sicherungsverwahrung stattfinden und in einen Vollzugsplan münden. Insbesondere im therapeutischen Bereich müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, ggf. durch ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot. Die plangemäß gebotenen Maßnahmen sind zügig und konsequent umzusetzen. Hierzu bedarf es einer individuellen und intensiven Betreuung des Untergebrachten durch ein multidisziplinäres Team qualifizierter Fachkräfte. Erweisen sich standardisierte Therapiemethoden als nicht erfolgversprechend, muss ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot entwickelt werden.

Motivierungsgebot
Den drohenden psychischen Auswirkungen, die mit der unbestimmten Dauer der Sicherungsverwahrung verbunden sind, ist durch ein Behandlungs- und Betreuungsangebot zu begegnen, das nach Möglichkeit eine realistische Entlassungsperspektive eröffnet. Die Bereitschaft des Untergebrachten zur Mitwirkung an seiner Behandlung ist durch gezielte Motivationsarbeit zu wecken und zu fördern.

Trennungsgebot
Der äußere Vollzugsrahmen muss einen deutlichen Abstand zum regulären Strafvollzug erkennen lassen. Das Leben im Maßregelvollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen. Eine vom Strafvollzug getrennte Unterbringung in besonderen Gebäuden oder Abteilungen ist erforderlich, aber keine vollständige räumliche Ablösung vom Strafvollzug. Die Gegebenheiten innerhalb der Einrichtung müssen den therapeutischen Erfordernissen entsprechen und ausreichende Besuchsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung familiärer und sozialer Außenkontakte bereithalten.
Ausreichende Personalkapazitäten müssen zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen.

Minimierungsgebot
Die Konzeption muss Vollzugslockerungen vorsehen und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten. Sind unbeaufsichtigte Lockerungen nicht möglich, müssen begleitete Ausführungen gewährt werden; diese können nur dann unterbleiben, wenn sie trotz der Beaufsichtigung zu schlechthin unverantwortbaren Gefahren führen. Die Entlassungsvorbereitung ist mit planmäßigen Hilfen für die Phase nach der Entlassung zu verzahnen.

Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot
Dem Untergebrachten ist ein Rechtsanspruch auf Durchführung der zur Reduktion seiner Gefährlichkeit gebotenen Maßnahmen einzuräumen. Dem Untergebrachten ist ein geeigneter Beistand beizuordnen oder andere Hilfestellungen anzubieten, die ihn in der Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen unterstützen.

Kontrollgebot
Die Fortdauer der Sicherungsverwahrung ist mindestens jährlich gerichtlich zu überprüfen. Anhaltspunkte für eine Aussetzungsreife gebieten eine unverzügliche gesonderte Überprüfung. Die Vollzugsbehörde hat der zuständigen Strafvollstreckungskammer regelmäßig Sachstandsbericht zu erstatten. (red)



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