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Gesunde Mitarbeiter: Diskussionsrunde in der IHK

ihk130906Kassel. Die Fragestellung scheint einen Nerv getroffen zu haben: Wie wichtig sind gesunde Mitarbeiter für den Erfolg eines Unternehmens? 120 Akteure aus der Wirtschaft hatten sich für eine entsprechende Veranstaltung in der IHK angemeldet – fast alle kamen. Die Erfolgsformel des Informationsnachmittags, den das Kasseler wertenetzwerk e.V., der nordhessische Beschäftigungspakt Perspektive 50+ und die IHK organisiert hatten, lautete „Starke Mitarbeiter, gesundes Unternehmen“. „Besonders kleine Unternehmen belastet es stark, wenn Angestellte länger ausfallen“, erklärte Carsten Heustock, stellvertretender IHK-Geschäftsbereichsleiter Unternehmensförderung und Standortpolitik. „Der Mensch rückt immer stärker in den Fokus.“

In einer komplexer und turbulenter werdenden Arbeitswelt entpuppt sich die gegenseitige Wertschätzung als Grundlage für den betrieblichen Erfolg, sagte Dr. Michael Schmidt von der Gesundheitsakademie Bad Wilhelmshöhe. „Entscheidend ist, ob und wie Werte in den Unternehmen gelebt werden“, stellte der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychiatrie klar. Er diagnostizierte, dass die Leistungs- zu einer Müdigkeitsgesellschaft mutiert sei. Die zunehmende Informationsflut überfordere das Individuum. „Dabei gibt es ein Recht auf Inkompetenz“, argumentierte der Vertreter des wertenetzwerks. „Warum versuchen wir im vorauseilenden Gehorsam immer alles perfekt zu machen?“

Was Betriebe beherzigen sollten
Um das Unternehmen für Arbeitnehmer attraktiv zu positionieren, sollten Führungskräfte drei Faktoren beherzigen, riet Schmidt. Erstens: Sinnstiftende Arbeit sei unabdingbar für die Gesundheit des Mitarbeiters. Zweitens müsse der Einzelne von den Anderen unterstützt werden und Anerkennung erhalten. Ferner profitiere jeder Angestellte – der dritte Faktor –, wenn Denken und Fühlen in einer Verhaltensgemeinschaft wurzelten. „Jeder braucht ein Zuhause“, konkretisierte der Referent. Wenn ein Mitarbeiter trotz großen Engagements glaube, nichts mehr im Betrieb bewegen zu können, löse er das Ticket zur Depression – oder stehe kurz vor der Kündigung.

Wie der nordhessische Beschäftigungspakt Perspektive 50+ wertschätzend mit Arbeitssuchenden zusammenarbeitet, schilderte Carsten Höhre. Im Rahmen der individuellen Beratung werden gemeinsam mit den älteren Bewerbern deren Stärken und Kompetenzen herausgearbeitet, wobei Empowerment-Ansätze eine wichtige Rolle spielen. In der beruflichen Qualifizierung geht der Beschäftigungspakt auch neue Wege: So wurde für Nicht-Muttersprachler in Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen ein arbeitssprachlicher Lehrgang entwickelt, der den tatsächlichen kommunikativen Erfordernissen innerhalb kleinerer Handwerks- und Produktionsbetriebe gerecht wird.

Gabriele S. Scholten vom Unternehmen AnodiTec mit Standorten in Sontra und Hamburg berichtete über ihre positiven Erfahrungen mit älteren Mitarbeitern. Für ein gutes Betriebsklima sei eine gemischte Altersstruktur der Belegschaft wichtig. Derzeit mangele es jedoch am Nachwuchs. „Es ist schwierig, junge Menschen zu finden, die den Beruf des Oberflächenbeschichters erlernen wollen“, sagte Scholten. Dafür seien gute Kenntnisse in Mathematik, Physik und Chemie elementar. Scholten: „Einige Schulabgänger sind nicht ausbildungsfähig, andere auch nicht ausbildungswillig.“ Die älteren Mitarbeiter, die AnodiTec auf Vermittlung angestellt hat, seien offen für Neues und hätten sich in unbekannte Aufgabenfelder eingearbeitet. „Ich kann nicht verstehen, dass hochqualifizierte Menschen über 50 Jahre keinen Job bekommen“, verdeutlichte sie. „Oft sind sie völlig unverschuldet in die Arbeitslosigkeit geraten und haben den festen Willen, diese zu beenden.“

Selbstkritisch zeigte sich in der Podiumsdiskussion Dirk Richard, Geschäftsführer der Kasseler POLYMA Energiesysteme GmbH. „Als Führungskraft muss man sehr sensibel sein, um bei Mitarbeitern die Signale frühzeitig zu erkennen, dass etwas nicht stimmt“, erläuterte er. Derzeit arbeiten in seinem Betrieb sieben Angestellte an einem neuen Projekt – und das „weit über dem normalen Pensum“. Es gilt einen Messetermin einzuhalten. Richard sorgt sich, seinen Kollegen zu viel Arbeit aufzulasten. Oft gebe es Grenzsituationen für Führungskräfte: Wenn diese zum Beispiel Sitzungen führten, könnten sie durch eine kleine, unbeabsichtigte Geste Mitarbeiter verunsichern – denn viele Angestellte würden das Auftreten der Firmenleitung ihnen gegenüber interpretieren. „Gleichzeitig kann man eine Menge von den Sorgen und Nöten der Mitarbeiter mitbekommen, wenn man die Augen und Ohren öffnet“, sagte Richard.

Den hohen Stellenwert der Kommunikation in Unternehmen für die Wertschätzung untereinander betonte Dr. Michael Schmidt. Mitarbeiter und Führungskräfte sollten die Möglichkeit finden, Probleme anzusprechen: „Die Akteure müssen lernen, dass man Klartext sprechen darf und dass man diesen auch dem Nächsten zumuten kann.“ Schmidt empfahl den Entscheidern aus der Wirtschaft ausdrücklich das Instrument der Supervision – eine externe, beratende Instanz, die helfe, Probleme in Betrieben zu benennen und zu lösen.

„Die Führungskräfte erreichen in einem persönlichen Gespräch mit den Mitarbeitern viel mehr als bei einer elektronischen Kommunikation via E-Mail“, ergänzte Astrid Mangold von der Agentur für LQ®-Management und Mitglied des wertenetzwerks. Durch die mediale Welt entstünden in der Kommunikation viele Missverständnisse, weil die Stimmungen und Gefühle des Gegenüber nicht einzufangen und nicht zu spüren seien. Die Welt der Begriffe habe oft unterschiedliche Bedeutungen für jeden Einzelnen. Mangold: „Wichtig ist hierbei das Fördern und Sensibilisieren der Wahrnehmung der Führungskräfte.“

Kurz-Info:
Ziel des Projekts unternehmensWert: Mensch ist es, die Betriebe auf den Fachkräftemangel vorzubereiten. Gefördert wird eine Fachberatung zu personalwirtschaftlichen Themen aus den Feldern Wissensvermittlung, Chancengleichheit, Gesundheitsmanagement sowie strategische Personalführung und Organisation. Die IHK Kassel-Marburg bietet das Modellprojekt befristet bis zum 31. Dezember 2014 an. Ein kleines Kontingent von Beratungsförderungen ist für 2014 noch offen. Kontakt: Projektbetreuerin Ute Mayer (IHK), Telefon (0561) 7891-238, E-Mail: ute.mayer@kassel.ihk.de. (red)