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IHK hat Situation von 36 Dorfläden untersucht

„Viele Gemeinden haben Handlungsbedarf erkannt“

christine-neumannKassel. Der ländliche Raum in Nordhessen und dem Altkreis Marburg steht vor großen Herausforderungen: Die Menschen werden älter, die Bevölkerungszahlen sind oftmals rückläufig. Zugleich wandern junge Nachwuchskräfte häufig aus dem ländlichen Raum in die Städte und Ballungszentren ab. Um eine Gemeinde als Wohnstandort attraktiv zu halten, bildet ein Dorfladen einen wichtigen Faktor. Das hat die Untersuchung „Dorfläden in Nordhessen“ der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg ergeben, die die Situation von 36 kleinen Nahversorgern in der Region genauer beleuchtet.     

„Viele Gemeinden haben den Handlungsbedarf erkannt“, berichtet Christine Neumann, Referentin bei der IHK für den Bereich Handel und Stadtentwicklung. „Besonders häufig sind in den vergangenen zehn Jahren Dorf- und Nachbarschaftsläden gegründet oder übernommen worden.“ Möglicherweise sei das ein Indiz für den bestehenden Bedarf an fußläufiger Nahversorgung – trotz des Trends zu immer größeren Flächen bei den Lebensmittelanbietern, die ihren Sitz oft an Ortsrändern und Hauptverkehrsstraßen haben.

Mit einer fehlenden Nahversorgung geht nicht nur ein sozialer Treffpunkt verloren, der für die Dorfgemeinschaft und das Zusammenleben gerade für die ältere Bevölkerung wichtig ist. Eine Gemeinde büßt auf diese Weise ebenso an Attraktivität als Wohnstandort ein. „Fällt das lokale Angebot weg, fehlt eine fußläufige Nahversorgung. Das verstärkt Abwanderungstendenzen“, schildert Neumann. In der Folge verringere sich das Potenzial an Arbeitskräften vor Ort, was sich negativ auf eine Gemeinde als Wirtschaftsstandort für Unternehmen auswirke.

„Die in jüngerer Vergangenheit entstandenen Dorf- und Nachbarschaftsläden sollen dazu dienen, möglichst viele Funktionen zu vereinen“, sagt die IHK-Referentin. Neben der klassischen Nahversorgung mit Artikeln des täglichen Bedarfs werden zusätzlich Dienstleistungen angeboten. Besonders oft finden sich Lieferservice (24), Café- beziehungsweise Bistro-Ecken (19) sowie Postservice (14). Danach folgen Paketdienstleistungen (10), Geldautomaten (6) und Lotto (5). Auch das Annehmen von Rezepten sowie Gegenständen für die Reinigung gehören dazu. „Der Verkauf der Waren allein stellt kaum einen wirtschaftlichen Betrieb der Dorfläden sicher“, erklärt Neumann. „Zusätzliche Standbeine sind für den Erfolg der Märkte sehr wichtig. Sie erhöhen die Kundenfrequenz.“ Je umfassender das Angebot gestaltet sei, desto geringer bestehe bei der Bevölkerung die Notwendigkeit, für Besorgungen und Erledigungen in den nächsten größeren Ort zu fahren.

Die überwiegende Mehrheit der 36 untersuchten Geschäfte befindet sich in Orten beziehungsweise Orts- und Stadtteilen mit 500 bis 1.500 Einwohnern. „Es handelt sich um Standorte, die für normale Vollsortimenter oder Discounter aus heutiger Sicht nicht mehr interessant sind“, sagt Neumann. Zwei Drittel der Dorfläden haben weniger als 250 Quadratmeter Verkaufsfläche. Durchschnittlich sind 3600 Artikel im Sortiment zu finden. „Über 80 Prozent bieten regionale Produkte an und unterstreichen damit die enge Verbundenheit zum Standort und der Region“, ergänzt Neumann.

Die Hälfte der kleinen Nahversorger beschäftigt lediglich einen fest angestellten Vollzeitmitarbeiter, 20 Prozent zwei Vollzeitkräfte. Typisch für den Handel ist die relativ hohe Zahl an Teilzeitmitarbeitern. „Dorfläden stellen oftmals eine gute Gelegenheit dar, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die ansonsten für diesen Schritt sehr hohe Hürden zu nehmen haben“, sagt Neumann. Ein Dorfladen kooperiere beispielsweise mit der Agentur für Arbeit und beschäftige Menschen, die anderweitig schwierig vermittelt werden können.

Die Varianten, einen Dorfladen zu realisieren, sind sehr unterschiedlich, teilt die IHK-Referentin mit: „Die Läden werden von den Betreibern in unterschiedlichen Rechtsformen geführt.“ Am häufigsten handele es sich um Einzelunternehmen beziehungsweise eingetragene Kaufleute – ein Unternehmer trifft die Entscheidungen und trägt das Risiko allein. Es gebe ferner die Beteiligung von Gemeinden, Genossenschaften der Bürger sowie Dorfläden als Integrationsbetriebe für Menschen mit Behinderung und zur Beschäftigungsförderung. Viele Dorfläden arbeiten mit sozialen Trägern zusammen, zum Beispiel der Baunataler Diakonie Kassel, der Stellenwert GmbH (Werra-Meißner), dem Ausbildungsverbund Starthilfe Schwalm-Eder e.V. sowie Neue Arbeit Marburg.

„Wichtig für den Erfolg und Bestand eines Dorfladens sind eine gute Akzeptanz im Ort sowie die Kooperation mit den örtlichen Vereinen“, fasst Neumann zusammen. „Durch das Angebot von zusätzlichen Dienstleistungen wird die Frequenz im Laden erhöht.“ Sie weist darauf hin, dass es neben der gezielten Förderung von Beschäftigungsverhältnissen und Integrationsbetrieben die Dorfläden auch im Rahmen der Dorferneuerung gefördert wurden. (red)