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Stolpersteinprojekt erstmals in Neukirchen

stolpersteine-neukirchen140319Neukirchen. Am 17. März wurden im Rahmen einer Gedenkveranstaltung durch den Berliner Künstler Gunter Demnig drei „Stolpersteine“ in der Kurhessenstraße 50 in Neukirchen verlegt. Mit dabei waren junge Leute der Steinwald- und der Melanchthon-Schule, ihre Lehrkräfte Hans-Werner Dittmar und Lotte Kraushaar, offizielle Vertreter der Stadt Neukirchen sowie interessierte Mitbürgerinnen und Mitbürger. Der Künstler Gunter Demnig, der 1994 in Köln begann, Gedenksteine für jüdische Einwohnerinnen und Einwohner in Pflaster zu verlegen, erklärte: „ Neukirchen ist die 934. Kommune in Deutschland, die sich an meinem Projekt „Stolpersteine“ beteiligt.“

Wie er erläuterte, verlegte er die Gedenksteine anfangs illegal. Seit dem Jahr 2000 ist Demnig für sein Projekt in ganz Europa unterwegs, um seine Idee zu verwirklichen. Am Montagnachmittag, 17. März, war es in Neukirchen soweit: Für Jakob, Else und Pauline Spier verlegte Künstler Demnig die Steine auf städtischem Grund vor dem heutigen Sporthaus Karwacki. Bis 1936 lebte die Kaufmannsfamilie Spier in der damaligen „Obergasse“, der heutigen Kurhessenstraße. Vor ihrem früheren Haus, das sie bis 1936 besaßen, – heute gehört es dem Inhaber des Sporthauses Karwacki, Daniel Karwacki – wird nun in Form der eigens für sie gefertigten Steine mit Inschrift erinnert.

Schülerinnen und Schüler der Steinwald- und der Melanchthon-Schule hatten sich zusammen mit Bürgermeister Klemens Olbrich, Stadtverordnetenvorsteher Willi Berg, Ortsvorsteher Peter Jöckel, Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung, des Magistrates, des Ortsbeirates, Vertretern der Kirchen getroffen, um aus dem Leben der Spiers zu berichten und ein Friedensgebet der Franziskaner vorzutragen. „Seit 20 Jahren wird an der ehemaligen Synagoge in der Untergasse der jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner Neukirchens gedacht“, erklärte Bürgermeister Klemens Olbrich.

stolpersteine neukirchenb140319Ortsvorsteher Peter Jöckel erzählte authentisch davon, dass sein Vater das Haus von der Familie Spier 1936 erworben habe. Die Familie Spier hatte bis dahin ein Textilgeschäft betrieben. Jakob und Else Spier sowie Jakobs Schwester Pauline, später verheiratete Israels, flohen in die USA. Dort baute Jakob Spier fünf Modehäuser auf. „Bis heute gibt es eine Verbindung zur Familie Spier“, erklärte Jöckel. Erst vor einem halben Jahr besuchte ein Enkel von Pauline Israels geb. Spier die Stadt Neukirchen. Zusammen mit dem heutigen Geschäftsinhaber Daniel Karwacki hat Peter Jöckel die Stolpersteine finanziert. Es sei ihm wichtig, so Peter Jöckel, dass die Geschichte in Neukirchen nicht vergessen und die Erinnerung an die nächste Generation weitergetragen werde.

Pfarrer Piotr Pasko machte deutlich: „Der jüdische Glaube ist der Ursprung des Christentums“. Stadtverordnetenversammlung Willi Berg gab den Schülern mit auf den Weg: „Schaut hin, geht den Dingen selbst auf den Grund!“

Der Künstler Gunter Demnig machte deutlich, dass er mit dem Projekt „Stolpersteine“ die ehemals hier lebenden Menschen jüdischen Glaubens zurück in ihre Stadt bringen wolle. „Keiner hat freiwillig seine Heimat verlassen. Es war eine Flucht vor der Vernichtung.“ Er trug sehr glaubhaft vor, dass es ihn bis heute berühre, wenn Angehörige sehr weite Reisen auf sich nähmen, nur um bei der Verlegung eines Steines dabei sein zu können. Auf die Frage eines Reporters, ob man mit dem Fuß über die Steine stolpere, habe einmal ein Schüler gesagt, so der Künstler: „Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“ Ein weiteres Bild gab der Künstler Demnig den Anwesenden mit auf den Weg: Beim Lesen der Steine müsse man zumindest den Kopf verneigen oder sogar auf die Knie gehen, was im Nachhinein noch eine besondere Symbolik beinhalte. (red)