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Hein: Flüchtlingsunterbringung in kirchlichen Räumen prüfen

Dekan Christian Wachter ruft auf seiner Facebook-Seite zur Spende von Fußball-Schuhen auf, die im Dekanat in Ziegenhain abgegeben werden können (Paradeplatz 3). Dekan Wachter: „Wir brauchen noch gebrauchte Fußballschuhe in verschiedenen Größen.“ Screenshot: nhSchwalmstadt. Die Einwohnerschaft in unserer Region ist durch die asylsuchenden Menschen in Bewegung geraten. Einige kommen hinzu, andere ziehen weiter. Die Zahlen schwanken, verändern sich täglich. Viele werden ausgesprochen provisorisch zunächst nur in beheizten Zelten untergebracht und es ist damit zu rechnen, dass die Aufgabe, Flüchtlinge aufzunehmen, noch lange bleiben wird. Zurzeit leben zirka 1500 Asylsuchende im Schwalm-Eder-Kreis, davon etwa die Hälfte im Kirchenkreis Ziegenhain. In dieser Woche hat der Bischof der Landeskirche, Prof. Dr. Martin Hein (Kassel), die Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen aufgefordert, die Unterbringung in kirchlichen Räumen zu prüfen. 

Der Dekan des Kirchenkreises Ziegenhain, Christian Wachter, bestätigt, das sei nun in den Kirchengemeinden wohlwollend zu prüfen. Wo immer Wohnraum zur Verfügung gestellt werde, brauche es auch Menschen, die dies begleiteten. Er sieht die Gemeinden schon länger auf dem Weg einer aktiven Hilfe für Flüchtlinge. Es gebe natürlich zunächst auch Angst und Sorge um die Zukunft in unserem Land. Das sei durchaus verständlich, aber Christinnen und Christen sollten sich in ihrem Handeln nicht von Ängsten leiten lassen, sondern von dem Gott, der in Jesus Christus sagt: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden (Die Bibel, Johannesevangelium 16,33).“ Damit könnten sich die Gläubigen in ihren Entscheidungen stets neu „von dem Gott leiten lassen, der die Liebe ist.“

Professionell organisierte Hilfe, die in der Breite auf dem Ehrenamt aufbaue, werde durch die klassischen Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, dem Technischen Hilfswerk, dem Johanniter-Hilfsdienst und den Freiwilligen Feuerwehren umgesetzt. Auch dort sieht Wachter viele Menschen, die diesen Dienst als engagierte Christen wahrnähmen. Das habe beispielsweise auch Auswirkungen darauf gehabt, wie schnell und gut organisiert die Zeltstadt in Schwarzenborn aufgebaut worden sei und Menschen danach geholfen hätten, den Alltag der Menschen zu ermöglichen und Hilfen zu organisieren.

Dekan Wachter: „Mag sein, dass die Hilfsbereitschaft und die Willkommenskultur in unserem ländlichen Raum nicht die gleichen spektakulären Bilder bieten, wie jene vom Frankfurter Hauptbahnhof. Wichtiger ist, dass unsere Hilfsbereitschaft langfristig wirkt.“ Hilfe, die aus dem christlichen Glauben heraus geschehe, beschränke sich selbstredend nicht auf christliche Flüchtlinge, sondern geschehe unabhängig von Religions- oder Konfessionszugehörigkeit, so der Dekan.

In verschiedenen Gemeinden gebe es Hilfegebote. Die Zeltstadt in Schwarzenborn habe in den letzten Tagen eine besondere Aufmerksamkeit durch die öffentliche Wahrnehmung bekommen und 13 Frauen der Kirchengemeinde in Schwarzenborn hätten Kleidung gesammelt und sortiert und dann zusammen mit dem Roten Kreuz an die Menschen im Lager verteilt. Zuvor schon habe die Kirchengemeinde Schwarzenborn in der Gemeinschaftsunterkunft neben der Kaserne Menschen begleitet, ihnen Sprachunterricht gegeben und Begegnungen geschaffen. Gut organisiert sei auch die Hilfe in der Kirchengemeinde Neukirchen. Das Meiste geschehe  dabei aber im Verborgenen, ohne dass es die Öffentlichkeit erfahre. Dies diene auch dem Schutz der Privatsphäre von Menschen in Not.

Ähnliches gelte seit über 25 Jahren in Treysa, wo der „Arbeitskreis für Toleranz und Menschenwürde“ beispielgebend in der Begleitung und liebevollen Zuwendung zu Flüchtlingen tätig sei und auf viele Erfahrungen zurückgreifen könne. In Ziegenhain habe sich unter der Federführung der Kirchengemeinde und in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis in Treysa ein weiterer überkonfessioneller Arbeitskreis gebildet, der aktuell 13 junge Männer und eine Familie begleite, die in der Festung untergebracht sind. Darüber hinaus gebe es Flüchtlinge in Gilserberg, in Michelsberg, in Zella, in Oberaula, in Ottrau. Und überall fänden sich Menschen, Nachbarn oder Initiativen, die heute vor Ort eine Willkommenskultur lebten, ohne dazu von jemandem aufgefordert zu werden.

Bei den Fußballvereinen in Schwalmstadt könnten Flüchtlinge mit trainieren, allerdings werde noch Ausstattung benötigt.  Die Flüchtlings-Beratungsstelle des Diakonischen Werk im Schwalm-Eder-Kreis stehe in Homberg seit 22 Jahren asylsuchenden und Menschen auf der Flucht mit Rat und Tat zur Seite. Die Beratungsstelle werde aus Kirchensteuermitteln und somit von evangelischen Kirchenmitgliedern finanziert.

Silvia Scheffer, Flüchtlingsberaterin des Diakonischen Werkes im Schwalm-Eder-Kreis, sagt: „Weil dies die einzige Beratungsstelle ist, die sich in der Region kontinuierlich mit den Problemen von Flucht und Asyl befasst, greift der Landkreis seit Jahren gerne auf unsere Erfahrungen zurück. Die Arbeit der Kirche kommt damit allen zugute.“

Die Diakoniepfarrerin und verantwortliche Geschäftsführerin der Beratungsstelle, Margret Artzt, beschreibt die Perspektive: „Mir ist der lange Atem wichtig. Eine große Herausforderung ist es, immer wieder neu Menschen willkommen zu heißen. Aber die noch größere Herausforderung ist es, offen zu bleiben für das weitere Zusammenleben. Denn die Zuwanderung wird auch uns selbst verändern.“ (red)