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Coup gelungen: MT gewinnt gegen Kiel

Johan Sjöstrand, der bei seinem Comeback nach fast dreimonatiger Verletzungspause gleich wieder zu den Matchwinnern gehörte. Foto: HartungKassel/Melsungen. Was für ein Statement in Sachen Europapokal-Qualifikation! Die MT Melsungen rang vor 4.300 Zuschauern in der erneut ausverkauften Kasseler Rothenbach-Halle den THW Kiel mit einer ganz starken Vorstellung in der zweiten Halbzeit noch mit 30:29 (14:17) nieder und machte damit die Meisterschaft endgültig zu einem Zweikampf ohne die Zebras. Den Nordhessen fehlt jetzt nur noch ein Punkt aus den verbleibenden beiden Partien beim Bergischen HC und gegen Eisenach, um die zweite Europapokal-Teilnahme der Vereinsgeschichte zu sichern. Matchwinner waren Johan Sjöstrand, der im ersten Spiel nach seiner Verletzungspause seiner alten Mannschaft vor allem nach dem Seitenwechsel den Nerv raubte, und Kapitän Michael Müller mit einer starken Partie, als es drauf ankam. Erfolgreichster Schütze der MT war jedoch Momir Rnic, der alle seine sechs Tore vor der Pause erzielte. Auf Seiten der Kieler waren Domagoj Duvnjak und Marko Vujin je fünfmal erfolgreich.

Mit Überraschungen warteten beide Trainer zunächst auf der Torhüterposition auf. Auf Melsunger Seite bekam René Villadsen noch einmal den Vorzug gegenüber Johan Sjöstrand, dessen Vertragsverlängerung bis Juni 2020 direkt vor dem Anpfiff bekannt gegeben wurde, bei den Kielern begann Nikolas Katsigiannis an Stelle von Niklas Landin. Keine Überraschung war die 5:1-Deckung der Nordhessen mit Marino Maric auf vorgezogener Position, die dem Rekordmeister das Leben in den ersten Minuten schwer machte. Und die die Grundlage war, auf der Momir Rnic alle drei rot-weißen Treffer zum 3:3 nach fünf Minuten machte. Denn das Umschalten klappte bei der MT zunächst besser als bei den Zebras.

Weil sich aber früh erste Stockfehler einschlichen und die Gäste gut ins Gegenstoßspiel kamen, liefen die Gastgeber bald einem klaren Rückstand hinterher. Dazu kam, dass Katsigiannis das Duell der Schlussmänner klar dominierte und Marino Maric sowie Momir Rnic gute Einwurfmöglichkeiten zunichte machte. Trainer Michael Roth reagierte nach Christian Dissingers 6:10 mit einer Auszeit (16.), brachte Timm Schneider für den blass gebliebenen Patrick Fahlgren einen neuen Spielmacher. Der führte sich sofort mit einem Tor ein und war beteiligt an der Kreuzung zu Momir Rnic‘ 8:10, doch Dissinger mit seinem vierten Treffer und Vujin stellten den alten Abstand schnell wieder her (8:12, 18.).

Villadsen machte Platz für Sjöstrand, der auch sofort Sieger gegen Dissinger blieb. Dessen unmittelbar darauffolgender Wurf saß aber. Kiel spielte aufmerksam, clever und verwaltete seinen Vorsprung geschickt. Konnte sich dabei allerdings auch weiter auf den starken Katsigiannis verlassen. Der konservierte seine ausgezeichnete Verfassung der ersten Minuten und war regelmäßig Endstation für die Bemühungen der Hausherren. Die zeigten ein durchaus gefälliges Spiel, zeigten jedoch Schwächen beim entscheidenden Pass in die Spitze oder spätestens beim Abschluss. Sehenswert dagegen der feine Konter, den Johannes Sellin und der letztlich erfolgreiche Jeffrey Boomhouwer nach Sjöstrands Parade gegen Rune Dahmke zum 12:15 in Unterzahl liefen sowie die kraftvolle Einzelleistung von Malte Schröder zum 13:16, bevor es mit diesem Abstand auch in die Kabinen ging.

Den Auftakt zur zweiten Hälfte bestritt die MT mit einem Mann mehr auf dem Feld. Mamelund hatte unmittelbar vor dem Pausenpfiff noch eine Strafe kassiert, und das nutzten Felix Danner und Johannes Sellin. Weil Johan Sjöstrand seine Extraklasse bei Bällen von Außen gleich doppelt gegen Rune Dahmke unter Beweis stellte und der immer stärker werdende Michael Müller auf Zuspiel von Sellin traf, waren die Bartenwetzer nach kurzer Zeit dran. Das sogar in Unterzahl, weil Malte Schröder draußen saß (17:18, 34.). Es kam sogar noch besser, als Maric und eben der wieder zurückgekehrte Schröder die MT zum 19:18 erstmals in Führung warfen (37.).

Spätestens jetzt war es nicht nur spielerisch, sondern auch vom Ergebnis ein packendes Duell auf Augenhöhe. Auch Niklas Landin war mittlerweile auf dem Feld und zeigte sofort Präsenz gegen Schröder. Konnte jedoch nicht verhindern, dass seine Vorderleute nun ständig einem Rückstand hinterherliefen. Als den Kielern ein Pass ins Aus rutschte und Sellin den Einwurf schnell zu Boomhouwer auf die gegenüberliegende Seite ausführte, wollte der Keeper dazwischen spritzen. Verfehlte das Leder aber und Melsungens Linksaußen erzielte unter frenetischem Jubel von den Rängen fast von der Mittellinie das 24:22. Nur zwei Minuten später war der Holländer erneut erfolgreich und baute den Vorsprung auf drei aus. Es herrschte Volksfest-Stimmung in der Rothenbach-Halle (25:22, 49.).

Schon zu diesem frühen Zeitpunkt standen die rot-weißen Fans bei jedem Angriff und peitschten ihre Mannschaft nach vorn. Mit Erfolg, denn bis zum 27:24 durch Michael Müller saß jeder Versuch. Erst Momir Rnic scheiterte danach wieder an Landin. Ohne Folgen, weil Kiel wenig einfiel gegen die bärenstarke MT-Deckung und Dener Jaanimaas Notwurf bei drohender Passivität an der Latte landete. Dennoch kam Kiel noch einmal zurück. Durch Christian Sprengers Tempogegenstoß zum 28:27 (56.). Lief aber weiter hinterher, weil Johannes Sellin vom Siebenmeterstrich eiskalt blieb und Michael Müller, der in der zweiten Hälfte ein Riesenspiel lieferte, Landin frech tunnelte (30:28, 58.).

Knapp 40 Sekunden waren noch auf der Uhr, als Philipp Müller bei angezeigtem passivem Spiel einen schlecht vorbereiteten Abschluss riskieren musste und an Erlend Mamelund in der Kieler Deckung hängen blieb. Der letzte Angriff gehörte damit nach einer finalen Auszeit von Alfred Gislason dem THW. Igor Anic kam als siebter Feldspieler, Patrick Wiencek hatte drei Sekunden vor der Sirene auf Pass von Anic an den Kreis die Chance zum Ausgleich. Doch Johan Sjöstrand riss die Arme nach oben und parierte den Wurf des hart bedrängten Kreisläufers. Der Schlusspunkt unter einer denkwürdigen Partie, die Kiel auch der letzten theoretischen Meisterschaftschancen beraubte und die MT mit einem Bein in den Europacup brachte.

Stimmen zum Spiel
Michael Roth: Ich bin happy heute. Zum Glück hat ein Handballspiel zwei Halbzeiten, denn mit der ersten war ich nicht zufrieden. Wir haben zu viele Chancen ausgelassen. Gerade gegen Kiel muss man immer ein wenig mehr machen, und das war viel zu wenig. Für uns ging es immerhin um den Europacup, aber den Eindruck hatte ich vor der Pause nicht. In der zweiten Hälfte haben wir dann clever gespielt und kaum noch Angriffe weggeschenkt. Da muss ich unserem Kapitän mal ein Lob zollen. Michael Müller war in der ersten Halbzeit wohl noch zu Hause, hat dann aber die Mannschaft toll geführt. Auch die Stimmung in der Halle war klasse. Es macht einen Riesenspaß, hier vor diesem Publikum zu spielen. Das waren zwei Punkte für Platz vier und das Ergebnis macht mich stolz auf diese Mannschaft.

Alfred Gislason: Herzlichen Glückwunsch an Schorle und Melsungen zu den zwei Punkten. Wir hätten davon gern was abbekommen. Wenigstens einen Punkt, denn die letzte Aktion war ein Siebenmeter. Die Entscheidung fiel direkt nach der Halbzeit. Da verlieren wir eine eigene Überzahl. Wir sind extrem schlecht aus der Kabine gekommen und haben die Leistung der ersten Hälfte nicht halten können. Beide Mannschaften haben einen sehr guten Handball geboten und mit dem Siebenmeter zum Schluss hätten wir wenigstens einen Punkt mitgenommen. Trotzdem war die Partie wegen der sehr guten ersten Halbzeit eine gute Generalprobe für das Final Four in der Champions League nächste Woche in Köln.

Statistik
MT Melsungen: Sjöstrand (13 Paraden / 19 Gegentore), Villadsen (3 P. / 10 G.), Paske (n. e.); Maric 3, Sellin 3/1, Fahlgren, Schröder 2, Forstbauer, Hildebrand, Danner 3, P. Müller 2, Boomhouwer 3, Rnic 6, Schneider 3, Vuckovic, M. Müller 5.

THW Kiel: Landin (6 P. / 11 G.), Katsigiannis (10 P. / 19 G.); Duvnjak 5, Mamelund, Sprenger 2, Dissinger 4, Wiencek 1, Ekberg 3/3, Anic 2, Canellas 2, Dahmke 2, Jaanimaa 1, Klein 2, Brozovic, Vujin 5.

Schiedsrichter: Fabian Baumgart (Neuried) / Sascha Wild (Offenburg)

Zeitstrafen: 4 – 6 Minuten (M. Müller 26:35, Schröder 32:10 – Mamelund 20:51 30:00, Wiencek 42:19)

Strafwürfe: 1/1 – 3/3

Zuschauer: 4.300 in der Rothenbach-Halle, Kassel (ausverkauft)

(Bernd Kaiser)