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Meisterschaft der Pleiten und Peinlichkeiten

Dennis Horn qualifizierte sich als Dritter im Zwischenlauf für das Finale. Foto: nhKassel/Melsungen. Der erste Tag der Landestitelkämpfe der Männer und Frauen sowie der Jugend U18 im Kasseler Auestadion, der als als Testwettkampf für die deutschen Meisterschaften (18./19. Juni) dienen sollte, wird als Meisterschaft der Pleiten und Peinlichkeiten in die Geschichte des Hessischen Leichtathletik-Verbandes eingehen. Das war der einstimmige Tenor der Athleten und Trainer, die sich teilweise wegen der langen Warterei sehr verärgert zeigten.

Das Wettkampfbüro schien total überfordert, denn man war nicht in der Lage, die Zwischenläufe der WU18 ordnungsgemäß zu setzen oder die richtige Reihenfolge im 800-Meter-Finale der WU18 bei der Siegerehrung festzulegen. Da wurde die letzte Läuferin als Siegerin ausgerufen und die Siegerin zunächst nicht einmal erwähnt.

In den Wurf- und Stoßwettbewerben, die unverständlicher Weise auf dem Nebenplatz stattfanden, vermisste man die Weitenlinien als Orientierung. „Man hätte für das Diskuswerfen doch zumindest eine 50-Meter-Linie für die Zuschauer ziehen können“, monierte HLV-Kader-Trainer Michael Kollmar. Die Zuschauer wurden während des Diskuswerfens und des Kugelstoßens nicht über den Zwischenstand informiert und die Wartezeiten für die Siegerehrungen dauerten ebenfalls viel zu lange.

Da auch zeitweilig der Computer abgestürzt war, mussten die 100-Meter-Zwischenläufe der Männer und Frauen um über eine Stunde nach hinten verschoben werden. Wenn sich nur einer dieser vielen Fehler in zwei Wochen bei den deutschen Meisterschaften wiederholen würde, wäre die Blamage noch viel größer, weil man es durch die Fernsehübertragung bundesweit mitbekommt. Auch Anja Wolf-Blanke, die Präsidentin des HLV, war wegen dieser Mißstände not amused.

Aber auch von den Athleten im Aktivenbereich (Männer- und Frauen) sah man am ersten Tag viel mehr Schatten als Licht. Es gab zu viel schwache Siegerleistungen, mit denen man nicht einmal die Norm für die nationalen Meisterschaften erreicht. Vielleicht lag es daran, dass die Spitzenathleten von der LG Eintracht Frankfurt es vorzogen, diesen Meisterschaften fernzubleiben und wo anders an den Start zu gehen.

Den Männertitel im Hochsprung konnte man mit 1,85 Meter gewinnen. Hessens Nummer eins, Martin Günther, zog es vor, außerhalb der Wertung bei den Landesmeisterschaften in Stuttgart zu springen. Auch Kamghe Gaba und Julia Gerter, die beiden Viertelmeiler der LG Frankfurt, waren nicht präsent. Im Weitsprung der Frauen fehlten mit Xenia Stolz, Claudia Rath, Maryse Luzolo und Carolin Schäfer vier Spitzenathletinnen. Doch auch ohne dieses Quartett gab es ein gutes Ergebnis.

Gesa Katharina Kratzsch (Friedberg) siegte mit 6,20 Meter vor Nathali Buschung (6,07 m). Über 100 Meter der Frauen hatte Lisa Meyer, die die Norm für die Olympischen Spiele bereits in der Tasche hat, gar nicht erst gemeldet. Ebenso vermisste man das 3000-Meter-Hindernis-Ass Gesa Felicitas Krause über 1500 bzw. 5000 Meter der Frauen. Im Hochsprung der Frauen fehlte Mona Gottschämer, die im Vorjahr mit 1,86 Meter beeindruckte.

Ariane Friedrich war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie stieg in den Wettkampf ein, als die beiden Konkurrentinnen bereits ausgeschieden waren. Aber sie enttäuschte die wenigen Zuschauer, die wegen ihr in das Auestadion gekommen waren, denn die Hallen-Europameisterin von 2009 riss ihre Anfangshöhe von 1,76 Meter recht deutlich. Als sie die Latte auf 1,79 Meter legen ließ, musste sie nicht nur feststellen, dass diese Höhe zu hoch war, sondern das die Europameisterschaften in Amsterdam in weite Ferne gerückt und die Olympischen Spiele schon nicht mehr in Sichtweite sind.

Besser als die WM-Dritte von Berlin machten es die beiden U23-Athleten sowie die vier Jugendlichen der MT 1861 Melsungen. Die jungen und motivierten Athleten überzeugten mit neuen Bestzeiten und guten Platzierungen und wuchsen mit einem unerwarteten zweiten Platz sowie mit den Rängen fünf, sechs, sieben und zweimal Rang zwölf über sich hinaus.

Für Dennis Horn, der bei den deutschen Hochschulmeisterschaften in Paderborn seinen Hausrekord von 11,43 auf sensationelle 11,17 Sekunden drücken konnte, gab es im Auestadion erneut eine 100-Meter-Bestzeit. Im ersten von vier Vorläufen führte der 20-Jährige bis fünf Meter vor dem Ziel und konnte erst am Ende vom Wiesbadener Mario Vogel (11,03) abgefangen werden. Mit 11,12 Sekunden qualifizierte sich Horn als Zweiter seines Vorlaufes vor dem 11,04-Sprinter Steffen Trenk (LG Soden/Sulzbach, 11,28 Sek.) für den Zwischenlauf, der ursprünglich um 13.40 Uhr vorgesehen war. Kurz vorher wurde bekanntgegeben, dass der Lauf 30 Minuten später stattfinden würde. Aber aus den 30 wurden 65 Minuten. „Ich musste mich zweimal aufwärmen und mich ständig in Bewegung halten, damit meine Spannung nicht verloren ging“, sagte der Sportstudent nach dem Zwischenlauf. Dabei verlor er sicherlich Energie, aber er qualifizierte sich hinter den beiden 10,90-Sprintern Lars Hieronymi (Friedberg, 10,95) und Jannik Schmelz (Burgsolms, 11,12) als Dritter vor Mario Vogel (11,30) mit 11,16 Sekunden für das Finale.

Bei leichtem Gegenwind holte sich Florian Daum (Wiesbaden) mit 10,69 Sekunden den Titel. Daum hatte sich vor zwei Wochen in Flieden auf glänzende 10,28 Sekunden verbessert. Aber im Auestadion konnte er diese Zeit nicht annähernd bestätigen. Während sich Steven Müller (10,76) und Lars Hieronymi (10,91) (beide Friedberg) die Plätze zwei und drei holten, sicherte sich Jannik Schmelz mit 11,15 Sekunden den vierten Platz. Aber dann kam schon Dennis Horn, den niemand für das Finale auf der Rechnung hatte. Mit 11,24 Sekunden blieb er an diesem Nachmittag ein zweites Mal vor Mario Vogel (LV Wiesbaden, 11,28). Man muss lange in den alten Unterlagen blättern, bis man einen Melsunger Sprinter im Finale einer hessischen Meisterschaft findet.

Lorenz Funck hatte zu diesem Zeitpunkt noch zwölf Runden vor sich. Am Ende wurde der Jugendliche Siebter im 5000-Meter-Lauf der Männer. Foto: nhDen 5000-Meter-Lauf der Männer hatte Jens Nerkamp (PSV Grün-Weiß Kassel) von Beginn an im Griff. Der Ausdauerspezialist, der bei der EM in Amsterdam im Halbmarathon startet, setzte sich nach einem „Trainingslauf“ in 14:51,86 Minuten souverän vor Philipp Stuckhardt (LG Alheimer, 15:17,99) und Benjamin Staff (Dorteweil, 15:21,15) durch. Lorenz Funck (MT Melsungen), der einzige Jugendliche in dem Feld, blieb im Rahmen seiner Möglichkeiten. Der 19-Jährige lief die erste Runde in 75 Sekunden und passierte die 1000m-Zwischenmarke nach 3:13 Minuten. Rico Keidel (LG Alheimer) wechselte mit Funck Runde für Runde die Plätze sieben und acht. Für die ersten fünf Stadionrunden notierte man für die beiden 6:31 Minuten. Obwohl sich Lorenz Funck von seinem Begleiter nach der Hälfte der Strecke verabschiedete, wurde er merklich langsamer und lief den dritten 1000m-Abschnitt nur mehr in 3:25 Minuten. Eigentlich sollte er die 3000 Meter unter 9:45 Minuten zurücklegen, aber der Jugendliche aus Obermelsungen passierte diese Marke erst nach 9:57 Minuten. Fünf Runden vor Schluss lief er an den langsamer werdenden Martin Herbold (Kassel) heran und machte auf dem vierten 1000m-Abschnitt etwa fünf Sekunden gut. Herbold passierte die 4000m-Marke genau 13 Minuten, Lorenz Funck erreichte diese Stelle fünfzehn Sekunden später. Aber auf den letzten beiden Runden drehte Herbold noch einmal auf und sicherte sich nach 16:04,80 Minuten den fünften Platz. Lorenz Funck, dem es noch an Spurtqualität mangelt, erreichte vor Rico Keidel (16:50,85) als Siebter nach 16:30,10 Minuten das Ziel.

Katharina Wagner sicherte sich mit 12,99 Sekunden Rang fünf im B-Finale der Frauen. Foto: nhKatharina Wagner qualifzierte sich nach dem 100-Meter-Vorlauf für das B-Finale der Frauen, wo sie bei einem Gegenwind von 1,5 Meter pro Sekunde hinter Anna Hülsmann (Friedberg-Fauerbach, 12,77), Annika Heß (LV Wiesbaden, 12,79), Naomi Heidrich (Bad Sooden, 12,90) und Milena Hümmer (TG Camberg, 12,91) mit 12,99 Sekunden den fünften Rang belegte und in der Endabrechnung der beiden A- und B-Finals auf Platz zwölf zu finden war. Den Sieg holte sich erwartungsgemäß Lara Matheis, eine 11,90-Sprinterin aus Gießen mit 12,05 Sekunden.

Mit drei neuen Bestzeiten überraschten die drei U18-Starter der Melsunger Turngemeinde, die auch im kommenden Jahr noch einmal in dieser Altersklasse startberechtigt sind.

Nachdem im ersten von zwei 400m-Zeitendläufen Elisa Piotzsch aus Wetzlar 61,99 Sekunden vorgelegt hatte, wussten Pauline Grabiger (LG Eintracht Frankfurt), im Vorjahr mit 42,16 Sekunden über 300 Meter die zweitschnellste hessische Läuferin der W15 sowie Nora-Marie Braun (LG Wetzlar), die 2015 mit 42,50 Sekunden Rang drei in der HLV-Bestenliste belegt hatte, wie sie das Rennen laufen mussten. Zwischen den beiden schnellen Teenagern startete Franziska Ebert auf Bahn fünf. Im Vorjahr lief die HLV-Ranglisten-Achte die 300 Meter in 43,51 Sekunden. Weil die 15-jährige Schülerin aus Röhrenfurt wegen einer Klassenfahrt eine Woche nicht am Training teilnehmen konnte und erst am Abend vor ihrem 400m-Lauf aus Hamburg zurückkehrte, wusste man nicht, welche Zeit Franziska laufen konnte.

Mit einem beeindruckenden 400-Meter-Rennen überzeugte Franziska Ebert als Vize-Hessenmeisterin nach 60,99 Sekunden. Foto: nhUnmittelbar nach dem Start legten die drei Langsprinterinnen ein unerhört flottes Tempo vor und kämpften verbissen um eine gute Zeit. Franziska Ebert benötigte für die erste Hälfte nur 28,5 Sekunden und lag nur einen Schritt hinter Pauline Grabiger. Als er die drei U18-Läuferinnen auf die Zielgerade einbogen, merkte man Franziska Ebert die Anstrengung an. Ihre Knie wurden steifer und es war klar, dass sie diese enorme Fahrt eigentlich nicht durchstehen konnte. Aber sie kämpfte mit letzter Energie und ließ den Abstand zur Führenden Pauline Grabiger nicht größer werden. Aus dem Hintergrund kam Nora-Marie Braun immer näher und holte Zentimeter um Zentimeter auf. Würde sie es noch schaffen und im Kampf um Gold und Silber eingreifen? Sie schaffte es nicht und belegte mit 61,47 Sekunden den dritten Platz. Franziska Ebert kämpfte bis zum Schluss und holte sich nach 60,99 Sekunden den zweiten Platz hinter Pauline Grabiger (60,42 Sek.). Welche Zeit wäre sie gelaufen, hätte sie in der letzten Woche noch zweimal trainieren können? Mit den 60,99 Sekunden erfüllte sie die Norm für die Süddeutschen U18-Meisterschaften in Heilbronn. Dort möchte die hessische Schüler-Hallenmeisterin von 2015 die Stadionrunde zum ersten Mal unter 60 Sekunden zurücklegen.

Zehn Meter vor dem Ziel lag noch Lea Ludwig aus Hess. Lichtenau vor Lynn Olson. Aber auf der Ziellinie fing die 15-Jährige aus Adelshausen das Lauftalent aus Lichtenau noch um 0,02 Sekunden ab. Foto: nhLynn Olson belegte vor einer Woche bei den nordhessischen Meisterschaften in Baunatal über 800 Meter über sechs Sekunden hinter Lea Ludwig (TV Hess. Leichtenau, 2:25,80) den zweiten Platz und war damit nicht zufrieden. Im Auestadion zeigte sie, was sie wirklich kann, denn sie verbesserte sich über fünf Sekunden. Mit ihrer Bestzeit von 2:29,45 Minuten stand die 15-Jährige auf Rang dreizehn in der Meldeliste. Dennoch zeigte sie keine Scheu vor den sieben U18-Läuferinnen, die in diesem Jahr unter 2:22 Minuten gelaufen waren. Die Schülerin aus Adelshausen lief die erste 200m-Teilstrecke in 33 Sekunden an, passierte die Hälfte der Strecke in 69 Sekunden und wurde mit 1:45,5 Minuten nach der dritten 200m-Teilstrecke gestoppt. Als Elfte bog sie zum zweiten Mal auf die Zielgerade ein. Aber Lynn Olson war die einzige Läuferin, die auf der letzten Geraden noch zulegen konnte. Mit einem brillanten Finish überholte sie zunächst Maya Gries (SSC Bad Sooden-Allendorf, 2:27,20), Imane Faddad (Kelsterbach, 2:26,40) und Annika Bruntner (SG Egelsbach, 2:26,00) und lief fünfzehn Meter vor dem Ziel auch an der höher eingeschätzen Emily Kafka (LV Wiesbaden, 2:25,49) vorbei. Auf der Ziellinie fing sie sogar noch Lea Ludwig (Hess. Lichtenau, 2:24,17) ab und unterbot mit der neuen nordhessischen Jahresbestzeit von 2:24,15 Minuten auch die Norm für die süddeutschen U18-Meisterschaften in Heilbronn. Nur zwei Sekunden hinter Sophia Wolf aus Bensheim, die in diesem Jahr bereits unter 2:20 Minuten gelaufen war, holte sich Lynn Olson überraschend den sechsten Platz.

Die 800 Meter der MU18 waren zwei knappe Lehrminuten von einer besonderen Einprägsamkeit. Oskar Schwarzer, der mit einer Bestzeit von 1:55,05 Minuten anreiste, wurde am Ende auch seiner Favoritenrolle gerecht. Aber er hattet es nicht einfach. Rene Persch aus der Lauf-Talentschmiede Niederelsungen hielt lange Zeit mit dem Tempoläufer aus Groß-Gerau mit. Kaum verließen die 16 Läufer, die jeweils mit zwei Athleten auf einer Bahn starteten, die abgesteckten Bahnen, um nach hundert Meter auf der Innenbahn zu laufen, da bestimmten Schwarzer und Persch die Fahrt. Der Melsunger Marvin Knaust, der vor einer Woche bei den nordhessischen 800m-Meisterschaften seinen persönlichen Rekord auf 2:10,38 Minuten drücken konnte und auf Rang sechzehn der Meldeliste zu finden war, lief sehr couragiert an und passierte die ersten 200 Meter nach 30 Sekunden. Die Stoppuhr zeigte 61,8 Sekunden, als er die erste Runde beendet hatte.

Während Schwarzer und Persch in führender Position auf die Zielgerade einbogen und wie besessen spurteten, lieferte sich weiter hinten Marvin Knaust und Nils Niedernostheide ein spannendes Duell. Der Gelnhäuser hatte bei den hessischen 2000m-Hindernismeisterschaften in Pfungstadt Marvin Knaust über 18 Sekunden abgenommen. In diesem 800m-Rennen mobilisierte der 15-Jährige aus Felsberg seine letzten Reserven und kam immer näher, aber er kam nicht mehr an Nidernostheide vorbei. Oskar Schwarzer wehrte den letzten Angriff von Rene Persch ab und holte sich den Hessenmeistertitel in 1:55,47 Minuten. Persch sicherte sich in 1:56,65 vor Joshua Becker (Frankfurt, 2:00,48) den zweiten Platz. Marvin Knaust belegte mit der neuen Bestzeit von 2:08,76 Minuten knapp hinter Nils Niedernostheide (2:08,50 Min.) Rang zwölf. (ajw)