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Diese Menschen tauchen nirgends auf

Hephata-Berufshilfe nimmt an Studie zum Wahlverhalten von Langzeitarbeitslosen teil

Schwalmstadt. Der Bedarf an Tafeln in Deutschland steigt, die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer – doch an den Wahlurnen sucht man viele Hartz-IV-Empfänger vergebens. „Demokratie ohne Langzeitarbeitslose?“ Diese Frage steht im Mittelpunkt einer Studie des Evangelischen Fachverbands für Arbeit und soziale Integration (EFAS), dem auch die Hephata-Berufshilfe angehört. Als einer von bundesweit zehn Trägern der beruflichen Bildung nimmt sie an dem Projekt teil, in dem das Wahlverhalten von Langzeitarbeitslosen untersucht wird.

„Es ist spannend und wichtig, dass man diesen Vorstoß macht“, sagt Lothar Eberhardt, Leiter der Hephata-Berufshilfe mit Sitz in Ascherode. Langzeitarbeitslose hätten in unserer Gesellschaft selten eine Stimme, und das Thema Langzeitarbeitslose als Nichtwähler sei bisher kaum erforscht. Diese Personengruppe habe per se keine Lobby, so Eberhardt: „Wenn sie in keinem System sind wie bei uns in der Berufshilfe, tauchen diese Menschen auch nirgends auf.“ Hinzu komme, dass in den vergangenen zehn Jahren ein deutlicher Rückgang an Trägern beruflicher Bildung wie der Hephata-Berufshilfe zu beobachten sei. Die Möglichkeiten Langzeitarbeitslose für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren, nehme stetig ab.

So gebe es im Schwalm-Eder-Kreis derzeit nur 20 Ausbildungsplätze für langzeitarbeitslose Jugendliche, nach dem Sommer nur noch vier. „Der Bedarf liegt weit höher“, so Eberhardt. Ein großer Teil an Teilnehmern der Berufsvorbereitung bleibe unversorgt. Hephata selbst verfüge nur über eine begrenzte Zahl an Ausbildungsplätzen, die von der Agentur für Arbeit finanziert werden.

Ziel der Studie ist es, in Interviews heraus zu finden, ob, warum und weshalb Menschen, die länger ohne Job sind, so wenig an der Gesellschaft teilhaben – und dies fängt beim Gang zur Wahlurne an. Dabei handelt es sich um keine repräsentative Studie, sondern um beispielhafte Aussagen der einzelnen Interviewten. Hierzu hat die Berufshilfe einen von insgesamt 20 ehemaligen Langzeitarbeitslosen gewonnen, der sich derzeit in der Berufshilfe für den Arbeitsmarkt qualifiziert. Er wird im Rahmen der Studie zu einem Forscher, indem er aktuelle Hartz-IV-Empfänger zu ihrem Wahlverhalten interviewt. Begleitet von Fritz Gatzke von der Hephata-Berufshilfe hat er in Stuttgart an einem Workshop für Interviewer teilgenommen. Dabei ging es neben Fragen zur Interviewtechnik auch darum, die Fragen für die Interviews gemeinsam zu erarbeiten.

Bis Ende des Jahres sollen die Daten vorliegen, bis dahin hat jeder Interviewer ein halbes Dutzend Gespräche mit Langzeitarbeitslosen geführt. Wissenschaftlich begleitet wird die Studie von Prof. Dr. Frank Schultheis, Professor für Soziologie an der Universität St. Gallen (Schweiz), der die Daten auch auswertet. Publiziert werden soll die Studie über die Bertelsmann-Stiftung. Eberhardt: „Rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl sollen die Ergebnisse vorliegen, um die Bewerber für das Amt damit zu konfrontieren.“

Hintergrund: 272 Menschen sind zurzeit bei Hephata in der Berufsvorbereitung, Ausbildung oder qualifizieren sich für eine Beschäftigung. „Wir müssen Jahr für Jahr kämpfen, um die Möglichkeit aufrecht zu erhalten, Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen“, so der Bereichsleiter. Auch die Förderung von Langzeitarbeitslosen sei derzeit auf dem „tiefsten Niveau, was vorstellbar ist“, da den Jobcentern immer weniger Geld zur Verfügung stehe. Gleichzeitig werde von Politik und Wirtschaft ein hoher Fachkräftemangel in Deutschland beklagt. „Der löst sich nicht von alleine auf.“ (red)