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EHF Cup: Final Four für die MT oder Saint-Raphaël?

Kassel/Melsungen. 29. April 2017 – der “Tag der Entscheidung”: Wer zieht in die Endrunde des EHF Cup 2016/17 ein, die MT Melsungen oder deren französischer Widersacher Saint-Raphaël Var HB? Die Antwort darauf wird das Viertelfinal-Rückspiel am Samstag geben. Dabei müssen die Nordhessen einen Vier-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel wettmachen. Anwurf in der Kasseler Rothenbach-Halle ist um 20 Uhr. Geleitet wird dieses Match vom WM-erfahrenen ungarischen Brüderpaar Csaba und Pal Kekes, als EHF-Delegierter kommt Janko Pozeznik aus Slowenien. Es gibt noch Tickets im Vorverkauf und auch am Spieltag an der ab 18:00 Uhr geöffneten Hallenkasse.

Johannes Golla im Hinspiel. Foto: ML Terrier

Johannes Golla im Hinspiel. Foto: ML Terrier

Wer darf sich Ende Mai beim EHF Cup Final Four in Göppingen mit den besten europäischen Teams dieses Wettbewerbs messen, der südfranzösische Erstligist Saint-Raphaël Var HB oder der nordhessische Bundesligavertreter MT Melsungen? Fakt ist, das Erreichen der Endrunde im EHF Cup würde für beide Vereine den bislang größten Erfolg ihrer jeweiligen Geschichte bedeuten. Bei der MT darf der Bogen sogar noch über die Clubhistorie hinaus gespannt werden: Die MT Handballer wären dann die ersten in Nordhessen, die in einer publikumsträchtigen Mannschaftssportart einen derartigen Erfolg feiern würden. Das ist vor ihnen weder den heimischen Fußballern, noch den Kufencracks gelungen. Wobei es letztere in der Saison 1997/98 wenigstens bis in die Gruppenphase der European Hockey League geschafft haben. Aber das hat ja bekanntlich die MT schon jetzt mit dem Viertelfinale getoppt. Und das bereits zum zweiten Mal!

Geerken: Wir wollen es diesmal unbedingt besser machen!
Ihre Premiere auf europäischer Ebene feierten die Rotweissen in der Saison 2014/15. Auch damals standen sie im EHF Cup-Viertelfinale. Aber der Sprung unter die letzten Vier gelang nicht. Das Roth-Team hatte am 19. April 2015 gegen Skjern Håndbold im Rückspiel in Kassel zwar den Fünf-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel egalisiert, weil aber die Dänen dabei auswärts mehr Tore geworfen hatten, blieb für die MT die Tür zum Final Four verschlossen. “Natürlich erinnern wir uns daran noch”, bekennt Vorstand Axel Geerken, “aber inzwischen haben wir weitere Erfahrungen sammeln können, diesmal wollen wir es unbedingt besser machen!”.

Welches Ergebnis am Samstag reicht
Diesmal, so könnte sich die MT zur eigenen Beruhigung bewusst machen, sind es “nur” vier Tore, die sie toppen muss. Das Spiel in Südfrankreich verloren die Nordhessen vor genau einer Woche mit 26:30. Das bedeutet, die MT muss am Samstag mit plus Fünf gewinnen, – es sei denn, sie hält den Kontrahenten unter 26 Toren. Dann würde bei Torgleichheit auch ein Vier-Tore-Sieg zum Vorstoß ins Final Four reichen, welches am 20. und 21. Mai in Göppingen ausgetragen wird.

Roth: Keine Hektik, Ruhe bewahren!
“Wir müssen die Ruhe bewahren, dürfen vor allem im Angriff nicht in Hektik verfallen”, mahnt Michael Roth seine Schützlinge zur Besonnenheit an. “Man darf in einer solchen Konstellation – auch wenn man den Heimvorteil hat – nicht annehmen, dass man diesen Rückstand schon nach ein paar Angriffen aufgeholt hat. Das werden wir uns hart und über das ganze Spiel erarbeiten müssen”, ist sich der MT-Coach sicher.

Patrik Fahlgren. Foto: Hartung

Patrik Fahlgren. Foto: Hartung

Als Einstimmung auf Saint- Raphaël wird er seine Mannschaft daran erinnern, was sie am Mittwoch beim Ligaspiel in Minden alles richtig gemacht hat. Zum Beispiel an die konzentriert vorgetragenen Angriffe mit den überlegten Abschlüssen, an die niedrige Quote technischer Fehler, aber vor allem an die kompromisslose Abwehrarbeit. Die Defensive, jetzt, nach der Rückkehr von Marino Maric, noch zusätzlich verstärkt, hat den Grundstein zum Sieg in Ostwestfalen gelegt. Das hat die MT vor einer Woche in Südfrankreich noch vermissen lassen, hat dem Gegner zu viele leichte Tore ermöglicht.

Was der Gegner der MT voraus hat
International gesehen haben die Franzosen der MT einiges voraus. Und das nicht nur wegen eines aktuellen Weltmeisters in ihren Reihen. Adrien Dipanda, der 2,02-Meter-Hüne im rechten Rückraum, holte im Januar mit der Équipe Tricolore den WM-Titel und gehört bei Saint-Raphaël natürlich zu den tragenden Säulen. Im Hinspiel wurde er erst im zweiten Durchgang aktiv, erzielte vier wichtige Treffer.

Der Club selbst, der sich inzwischen in Frankreich einen Namen gemacht hat, aktuell in der “Lidl Starligue” auf Platz vier steht, ist seit 2010 regelmäßig auf europäischer Ebene vertreten. Allerdings ist man im EHF-Cup bislang noch nicht über das Viertelfinale hinausgekommen. In 2013 durften die Südfranzosen sogar Champions League Atmosphäre schnuppern. In der Wildcard-Qualifikation konnten sie die Slowenen aus Koper noch bezwingen, aber gegen den HSV aus Hamburg, der sich später sensationell den Titel sicherte, war dann Endstation. Bemerkenswert ist, dass heute mit Abilly (RL), Caucheteux (LA), Dipanda (RR), Garain (KM), Krantz (RM, früher u.a. VfL Gummersbach) und Djukanovic (TW) fast noch eine komplette Mannschaft  beisammen ist, die auch vor vier Jahren schon auf dem Feld stand. Jüngst sorgten die Routiniers im französischen Liga-Pokal für Aufsehen, als sie im Halbfinale gegen das “Überteam” Paris Saint-Germain (u.a. mit Omeyer, Karabatic, Narcisse, Gensheimer) denkbar knapp mit 31:32 ausschieden.

Was die MT in Waagschale werfen kann
Auch wenn Saint-Raphaël als Mannschaft gegenüber der MT über eine größere internationale Erfahrung verfügt, brauchen sich die Nordhessen keinesfalls zu verstecken. Im Gegenteil: Wer sein eigene Publikum im Rücken weiß, darf dem Kontrahenten ruhig mit breiter Brust gegenüber treten. “Am Samstag haben wir den Heimvorteil und wir dürfen dabei auf unsere Fans bauen, die uns schon die ganze Saison über fantastisch unterstützen”, gibt sich Michael Müller optimistisch. Dabei weiß der MT Kapitän, dass es auf dem Spielfeld nicht zuletzt auch auf ihn ankommen wird. Als einer der besten Vorlagenlieferanten der Liga ist er als Passgeber gefragt, darüber hinaus aber auch als torgefährlicher Schütze im rechten Rückraum.

Seine international erfahrensten Mitstreiter im Team sind mit Abstand die Torhüter Johan Sjöstrand und Svetislav Verkic, Spielmacher Patrik Fahlgren, Rückraumshooter Momir Rnic und Kreisläufer Marino Maric. Sie haben mit ihren jeweiligen Clubs im Schnitt über einen Zeitraum von 12 Jahren in allen drei europäischen Wettbewerben gespielt. Höhepunkte waren dabei der Champions League Titel, den Johan Sjöstrand 2011 mit Barcelona errang und den EHF Cup-Gewinn, den Momir Rnic 2012 mit Göppingen schaffte. Darüber hinaus spielte Johannes Sellin im gleichen Jahr mit Berlin in der Königsklasse.

Nenad Vuckovic „nur“ als Dolmetscher dabei
Mit Nenad Vuckovic wird allerdings am Samstag ein Routinier fehlen. Der Spielmacher brach sich beim Hinspiel in Südfrankreich letzte Woche bei einer Abwehraktion die Mittelhand und wird mindestens vier bis sechs Wochen pausieren müssen. Er selbst geht sogar davon aus, dass für ihn die Saison gelaufen ist. “Das ist sehr schade, wenn ich mich so verabschieden muss. Aber so etwas lässt sich gerade im Profisport nicht immer vermeiden”, so der 36-jährige. So wird er am Samstag seiner Mannschaft von der Tribüne aus die Daumen drücken und als ehemaliger Frankreich-Profi rund ums Spiel auch wieder seine Dolmetscherqualitäten einbringen. Die spannende  Frage dabei: Darf er nach dem Schlusspfiff am Samstagabend einen Trost des deutschen an das französische Team übersetzen oder umgekehrt? Ersteres wäre ihm ganz sicher am liebsten.

Schiedsrichter:
Csaba Kekes / Pal Kekes (HUN), EHF Delegierter: Janko Pozeznik (SLO)

Rund ums Spiel:
Die MT hat Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen aus dem Raum Kassel und Melsungen, die Französisch lernen, in die Rothenbach-Halle eingeladen. Die Resonanz war enorm. Den Vogel schießt dabei die Herderschule ab. Das Kasseler Gymnasium kommt mit fast 100 Gästen, bringt neben seinen Französisch-Klassen auch noch die derzeit hier weilenden Austauschschüler aus Frankreich mit.

Ticketsituation:
Es wird auf jeden Fall auch noch am Spieltag an der ab 18:00 Uhr geöffneten Hallenkasse Karten geben. Stand Donnerstag waren rund 3.000 der 4.300 Tickets abgesetzt. Das Hinspiel in Frankreich hatten 1.657 Zuschauer verfolgt. Apropos: Wer in Kassel am Samstag nicht vor Ort sein kann, kann das Spiel als Internet-Livestream unter hr-online.de verfolgen.

Parksituation:
Aufgrund einer am Nachmittag zu Ende gehenden Fachmesse sollte rund um das Messegelände mit erhöhtem Verkehrsaufkommen gerechnet werden.

(Bernd Kaiser)