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Mädchen nach der Flucht

130 Teilnehmer bei Fachtagung an der Evangelischen Hochschule Darmstadt am Studienstandort Hephata

Für eine bessere Vernetzung: Der Fachtag "Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - Mädchen im Blick" stieß auf große Resonanz. Auf dem Bild (von links) Lydia Tomaschowski (IGfH), Prof. Nicole von Langsdorff (EH Darmstadt, IGfH), Nevroz Duman (JoG) und Prof. Hannelore Häbel (IGfH). Foto: nh

Für eine bessere Vernetzung: Der Fachtag „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Mädchen im Blick“ stieß auf große Resonanz. Auf dem Bild (von links) Lydia Tomaschowski (IGfH), Prof. Nicole von Langsdorff (EH Darmstadt, IGfH), Nevroz Duman (JoG) und Prof. Hannelore Häbel (IGfH). Foto: nh

Schwalmstadt. Wenn sie in Deutschland ankommen, stehen sie meist unter Schock. Traumatisiert von vielen Gewalterfahrungen, die sie in ihrem Heimatland und auf der Flucht nach Deutschland erlebt haben: Unbegleitete minderjährige Mädchen. Ihr Anteil beträgt nur knapp zehn Prozent unter den elternlos geflüchteten Kindern und Jugendlichen. Trotzdem oder gerade deshalb war ihre Situation kürzlich Thema des Fachtags „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Mädchen im Blick“ in der Hephata-Kirche.

„Das Thema liegt mir am Herzen“, sagte Prof. Nicole von Langsdorff, Prodekanin des Fachbereichs Soziale Arbeit der Evangelischen Hochschule Darmstadt (EHD) am Studienstandort Hephata und Mitglied der IGfH-Fachgruppe Mädchen und Frauen. Die EHD hatte gemeinsam mit der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) zu der von der Gender-und Frauenforschung der Hessischen Hochschulen geförderten Fachtagung mit Referentinnen aus Wissenschaft und Praxis geladen. Die Resonanz war groß: Mit 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, unter ihnen 50 Studierende der EHD sowie Mitarbeitenden aus der Jugendarbeit und Jugendhilfe bundesweit, war der Saal der Hephata-Kirche bis auf den letzten Platz besetzt.

Minderjährige geflüchtete Mädchen bildeten eine kleine Gruppe, die in der Praxis und in der Fachdiskussion bisher kaum berücksichtigt werde, so Prof. Hannelore Häbel, IGfH, aus Tübingen. „Auch, wenn sich im Verhältnis der Geschlechter viel getan hat, gibt es nach wie vor Benachteiligungen auch in der Jugendhilfe.“ Die Zahl der in Obhut geratenen geflüchteten Kinder und Jugendlichen habe sich seit 2014 verdreifacht. Dabei kämen Mädchen in der Regel später und seien älter als Jungen, berichtete Lydia Tomaschowski, IGfH, mit Blick auf die Statistiken. Die Folge: Den Mädchen bleibe weniger Zeit, um altersgerechte Hilfe zu beanspruchen.

„Die Folgen von Flucht sind körperlich und psychisch kränkende Prozesse“, sagte Hannelore Güntner, Bundesarbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik aus München. Dies führe zu Ess-und Schlafstörungen bis hin zu Gewalt am eigenen Körper. Die minderjährigen geflüchteten Mädchen müssten bestärkt werden, sich selbst zu schützen. Die Jugendhilfe sollte dabei aktiv auf Mädchen und Frauen zugehen. Um sich besser organisieren zu können, sei beispielsweise die von Nevroz Duman aus Frankfurt vorgestellte Organisation „Jugendliche ohne Grenzen“(JoG) hilfreich.

Podiumsdiskussion mit (von links) Miriam Bunjes, Prof. Luise Hartwig (FH Münster), Moderatorin Prof. Hannelore Häbel, Gisela Efers-Dötig (Vitos Teilhabe, Jugendhilfe Wabern) und Dr. Alexandra Geisler (Paul-Gerhard-Werk, Berlin). Foto: nh

Podiumsdiskussion mit (von links) Miriam Bunjes, Prof. Luise Hartwig (FH Münster), Moderatorin Prof. Hannelore Häbel, Gisela Efers-Dötig (Vitos Teilhabe, Jugendhilfe Wabern) und Dr. Alexandra Geisler (Paul-Gerhard-Werk, Berlin). Foto: nh

Eine bessere Vernetzung der Jugendlichen über die klassische Mädchen-und Frauenarbeit wie Koch- und Nähkurse empfahl auch Prof. Luise Hartwig von der Fachhochschule Münster. Sie beteiligte sich an einer Podiumsdiskussion mit der freien Journalistin Miriam Bunjes aus Dortmund, Dr. Alexander Geisler vom Paul-Gerhard-Werk aus Berlin und Gisela Efers-Dötig von der Vitos Teilhabe, Jugendhilfe in Wabern. Aber: Viele Mädchen wollten auch ihre Fluchterfahrung hinter sich lassen, einfach nur leben und gemeinsam Spaß haben, wie andere in ihrem Alter. „Wir sollten junge Frauen und Mädchen nicht in ihrer Opferrolle stigmatisieren, sondern ihnen begegnen mit höchstem Respekt“. Aufgabe der Jugendhilfe müsse es sein, sichere Lebensorte für die geflüchteten Mädchen zu organisieren, um dem „Teufelskreis von Gewalterfahrung“ zu entkommen. Dies sei in vielen Gemeinschaftsunterkünften nicht gegeben.

Die Idee, sie könnten nur mit einer eigenen Familie sich ein Leben organisieren, sei unter den geflüchteten Mädchen und jungen Frauen weit verbreitet, so die Erfahrung von Hartwig. Der Weg in ein selbstständiges Leben könne daher nur über eine mädchenspezifische Ausbildung in Teilzeit mit Kinderbetreuung führen. Um dies zu gewährleisten, sei eine gute Vernetzung von Flüchtlingshilfe-Organisationen, Frauen- und Jugendhilfe erforderlich.

Dringend notwendig seien Schulungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Jugendämtern, so das übereinstimmende Fazit der Fachtagung. Ferner fehle ein Jugendhilfe-Fonds für Rechtsanwaltskosten, mehr geschlechtsspezifische Projekte für junge Frauen und nicht zuletzt bezahlbarer Wohnraum, um sich von dem Betreuten Wohnen der Jugendhilfe lösen zu können – dies gelte für eine Kleinstadt wie Homberg genauso, wie für die Hauptstadt Berlin. (red)

BU 7941: Für eine bessere Vernetzung: Der Fachtag „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Mädchen im Blick“ stieß auf große Resonanz. Auf dem Bild (von links) Lydia Tomaschowski (IGfH), Prof. Nicole von Langsdorff (EH Darmstadt, IGfH), Nevroz Duman (JoG) und Prof. Hannelore Häbel (IGfH).

7977: Podiumsdiskussion mit (von links) Miriam Bunjes, Prof. Luise Hartwig (FH Münster), Moderatorin Prof. Hannelore Häbel, Gisela Efers-Dötig (Vitos Teilhabe, Jugendhilfe Wabern) und Dr. Alexandra Geisler (Paul-Gerhard-Werk, Berlin).



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