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MT muss sich in Berlin erst spät beugen

Felix Danner, im Hintergrund sind Paul Drux, li., und Erik Schmidt zu sehen. Foto: Alibek Käsler

Felix Danner, im Hintergrund sind Paul Drux, li., und Erik Schmidt zu sehen. Foto: Alibek Käsler

Berlin/Melsungen. Nahezu alles, was ein Top-Spiel bieten muss, hat das Aufeinandertreffen des Zweitplazierten Füchse Berlin und der mit drei Punkten Abstand folgenden MT Melsungen gezeigt. Die Nordhessen gaben am Sonntagmittag vor 8.885 Zuschauern in der fast ausverkauften Berliner Max-Schmeling-Halle knapp 50 Minuten lang den Ton an, ehe die Hauptstädter durch die Disqualifikation ihres Regisseurs Petar Nenadic förmlich wachgerüttelt wurden und in einem starken Schlussspurt das Spiel zu ihren Gunsten umbogen. Beste Torschützen beim 32:29 (15:17) waren für die MT Tobias Reichmann mit zehn Treffern, davon vier von der Siebenmeterlinie, und für die Gastgeber Paul Drux, acht Tore.

Die MT Melsungen kam beim favorisierten Tabellenzweiten Füchse Berlin gut aus den Startlöchern. Nebojsa Simic vereitelte im ersten Angriff der Hausherren gleich einen Wurf von Steffen Fäth und im Gegenzug netzte Julius Kühn zum 0:1 ein. Zusammen mit dem Rückraum-Shooter bildeten Michael Allendorf (LA), Timm Schneider (RM), Felix Danner (KM), Michael Müller (RR)?und Tobias Reichmann (RA) die Angriffsformation.

Danach brachten Petar Nenadic und Mattias Zachrisson ihre Farben zwar in Front, aber der Vorsprung erwies sich als zu dünn. Die MT war in ihren Bemühungen einfach viel energischer, sowohl in der Abwehr, in der wiederum Finn Lemke den “Center” bildete, als auch im Angriff, wo die Rückraumachse Kühn – Schneider – Müller viel Druck entfachte. Lohn der Anstrengungen: Die Rotweissen bestimmten über die Zwischenstände 2:4 (7. Min.), 4:6 (9.), 7:9 (16.) und 9:11 (18.) das Geschehen auf dem Spielfeld.

Mitentscheiden dafür war nicht zuletzt Nebojsa Simic, der den Füchsen reihenweise die Zähne zog. Zum Beispiel in der 6. Minute, als er Hans Lindberg, ansonsten von der Siebenmeterlinie aus eine Bank, einen Strafwurf abkaufte und drei Minuten später Marko Kopljar entzauberte. Der MT-Zerberus stellte damit klar seinen Gegenüber Petr Stochl in den Schatten und auch den in der 15. Minute eingewechselten Silvio Heinevetter. Der war für den Tschechen gekommen, nachdem dieser einen fulminanten Wurf vom mit nach vorne geeilten Finn Lemke passieren lassen musste.

Für die Torerfolge der Nordhessen waren bis dahin vor allem Julius Kühn und Tobias Reichmann zuständig. Letzterer erwies sich nicht nur von Aussen als treffsicher, sondern auch als Strafwurfschütze. Der hätte die Rotweissen in der 19. Minute sogar erstmalig mit drei Toren in Führung bringen können, vergab aber aus gutem Winkel und konnte auch den Abpraller nicht an Heinevetter vorbeibringen.

Dafür klappte es nach der von Michael Roth genommenen Auszeit bei Julius Kühn. Der Halblinke wuchtete zum vierten Mal den Ball ins gegnerische Tor, in dem Fall zum 9:12 (21.).

Der Drei-Tore-Vorsprung hatte dann noch bis zur 25. Minute Bestand (12:15). Dafür hatte Johannes Golla mit seinem Treffer gesorgt, der Youngster war zwischenzeitlich für Felix Danner an den Kreis gekommen.

Doch die Berliner fighteten zurück. Füchse-Regisseur Petar Nenadic drehte immer stärker auf und brachte entweder seine Nebenleute oder sich selber in Wurfposition. Etwa Erik Schmidt, der auf 13:15 verkürzen konnte. Dann stellte der Serbe höchstpersönlich den Anschluss zum 14:15 her, nachdem Julius Kühn ein Abspielfehler unterlaufen war.

Silvio Heinevetter war es dann in der 27. Minute, der die Kulisse mit einer spekatkulären Parade aufweckte und damit die Vorarbeit zum Ausgleichstreffer durch Neuzugang Stipe Mandalinic lieferte. Nur gut aus MT-Sicht, dass anschließend Tobias Reichmann erneut die Nerven an der Siebenmeterlinie behielt und kurz darauf auch von Rechtsaußen. So nahmen die Nordhessen eine verdiente Zwei-Tore-Führung mit in die Kabine (15:17).

Hellwach kamen diese auch nach der Pause wieder aufs Parkett zurück. Timm Schneider setzte gleich nach Wiederanpfiff mit einem erfolgreichen Sprungwurf zum 15:18 ein Zeichen. Paul Drux konterte zwar zum 16:18, doch Felix Danner antwortete postwendend mit dem 16:19. Und auch wenig später, beim 17:20 durch Julius Kühn, deutete nichts darauf hin, dass sich die MT die Butter vom Brot nehmen lassen würde. Es waren bis dahin zwar erst 35 Minuten gespielt, aber die Ausgangsposition für die Rotweissen für einen weiteren erfolgreichen Verlauf der Partie war nahezu optimal.

Zumal Nebojsa Simic den nächsten Angriff der Füchse entschärfte und sich vorne eine gute Torchance für Michael Müller auftat. Doch für den Kapitän war bei Silvio Heinevetter Endstation. Der wiederum feuerte daraufhin millimetergenau einen langen Pass auf den davonstürmenden Mattias Zachrisson, der das 18:20 erzielte. In Unterzahl – Felix Danner saß für zwei Minuten draussen – musste die MT dann zwei Treffer in Folge hinnehmen und so war beim 20:20 (39.) alles wieder offen.

Melsungen ließ sich davon zunächst aber nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Zweimal tanke sich Timm Schneider durch, auf der anderen Seite wurde Paul Drux immer stärker. Zwischenzeitlich gelang Tobias Reichmann sein siebter Treffer, der die 22:21-Führung bedeutete (41.). Dann waren es wiederum Drux und Schneider, die als Schützen auf den Plan traten. Die Gastgeber spürten, dass jetzt etwas möglich war. Kurz zuvor war der für Michael Allendorf auf Linksaußen gekommene Jeffrey Boomhouwer aussichtsreich an Silvio Heinevetter gescheitert.

Was sich angedeutet hatte, nahm dann in der 44. Minute zunächst kurzzeitig Gestalt an: Nachdem erneut Boomhouwer gegen Heinevetter vergeben hatte, überwandt Bjarki Elisson Nebojsa Simic zur ersten Berliner Führung seit der zweiten Spielminute (24:23). Das veranlasste Michael Roth zum Timeout. Mit dem Ergebnis, dass Tobias Reichmann und Julius Kühn die Rotweissen wieder nach vorne brachten (24:25, 48.). Nach Reichmanns Treffer dann eine kurze Schrecksekunde: Der Rechtsaussen war beim Tempogegenstoss durch den Schiedsrichter behindert worden, kam aus dem Gleichgewicht, knickte nach dem Wurf um und musste zur Behandlung vom Feld. Weil es keine progressive Bestrafung eines Gegners geben konnte, musste der Schütze drei Angriffe lang pausieren. Zum Glück kam er aber anschliessend wieder zurück.

Zwischendrin wurde Petar Nenadic nach einem Gesichtstreffer bei Michel Müller mit Rot auf die Tribüne geschickt. Das gleiche Schicksal ereilte kurz darauf Felix Danner. Die spannendere Frage aber war: Würde die Eliminierung des Denkers, Lenkers und Vollstreckers im Füchse-Team der MT nun den Weg zum Sieg ebnen? – Um es vorweg zu nehmen: Nein. Denn die Disqualifikation – übrigens zusätzlich mit Blauer Karte, also mit Sonderbericht im Spielprotokoll – schien bei den Hauptstädtern eine “Jetzt-erst-recht”-Reaktion hervorzurufen. Zuerst stellte Steffen Fäth auf 25:25, danach markierte Mattias Zachrisson den 26:25-Führungstreffer. Und als kurz darauf Heinevetter mit einer weiteren Parade glänzte und nacheinander Mandalinic und erneut Fäth auf 28:25 vorlegten (55.), schien sich das Blatt zugunsten der Gastgeber vollends gewendet zu haben.

Das bestätigte sich in der Folge, in der zum einen Heinevetter immer stärker wurde und zum anderen die MT-Angreifer nicht mehr die Durchschlagskraft aus der ersten Spielhälfte entfachen konnten. Auch technische Fehler schlichen sich nun ein. Michael Roth setzte nach einem weiteren Timeout, zwei Minten vor Schluss, noch einmal alles auf eine Karte, ordnete einen offensive 3:3-Abwehr an, doch der inzwischen ins Rollen gekommene Gegner war damit nicht mehr zu stoppen. So musste sich die MT am Ende trotz einer über den größten Teils des Spiels hervorragenden Leistung mit einer 29:32 Niederlage abfinden. Ein Ergebnis, mit der Berlin knapp 50 Minuten lang nicht rechnen durfte.

Stimmen zum Spiel:
Michael Roth: Es war ein echtes Top-Spiel, in dem wir in der zweiten Halbzeit leider nicht mehr ganz an unsere Leistung aus der ersten Hälfte heranreichen konnten. Die erste Halbzeit haben wir unsere bislang beste Saisonleistung gebracht. Besser geht es für uns nicht. Und wir waren eigentlich auch bis etwa zur 50. Minute die bessere Mannschaft. Aber die Rote Karte gegen Nenadic hat die Füchse und auch das Publikum wachgerüttelt. Ich bin fast geneigt zu sagen, dass wir ohne diese Entscheidung gewonnen hätten. So aber ist das passiert, was eben passieren kann: Es kommt Hektik auf, wir lassen uns zum Teil davon beeindrucken uns unterlaufen technische Fehle, wir vergeben einige frei Bälle, die Torhüterleistung ist nicht mehr so wie in der ersten Halbzeit. Und wenn das alles auch nur innerhalb weniger Minuten passiert, reicht es aus, um aus dem Gleichgewicht zu kommen. Will man in Berlin gewinnen, muss man die Leistung eben über die vollen 60 Minuten zeigen. Hinterher habe ich mich gefragt, ob ein Wechsel im Tor und auf Halbrechts nochmal sinnvoll gewesen wäre, aber die Antwort kann man ja nur hypothetisch geben. Abgesehen vom Ergebnis bin ich unterm Strich sehr zufrieden mit unserer Mannschaft. Dieses Spiel war ein weiterer Schritt in die Richtung, in die wir hinwollen.

Velimir Petkovic hat sich beim SKY-Interview zweimal die Szene zeigen lassen, die zur Rot/Blauen Karte für Nenadic geführt hat. Der Berliner Trainer sagte daraufhin, dass dies eine Fehlentscheidung war und eher Müller hätte bestraft werden müssen. “Wir haben in der ersten Halbzeit viel zu wenig Emotionen gezeigt, hinten wie vorne. Dazu kamen ungerechtfertigte Zeitstrafen. In der zweiten Hälfte haben wir es dann besser gemacht, haben vor allem Leidenschaft gezeigt. Die Hinausstellung von Nenadic war eine Initialzündung. Viele sagen, Berlin kann nur gewinnen, wenn Nenadic zehn Tore wirft und Heinevetter 20 Bälle hält. Heute haben wir gezeigt, dass das nicht so ist, dass wir nicht allein von diesen beiden Spielern abhängig sind, sondern uns als Mannschaft weiterentwickelt haben”.

Statistik:

Füchse Berlin – MT Melsungen 32:29 (15:17)

Füchse: Heinevetter (7 Paraden / 20 Gegentore), Stochl (1 P. / 9 GT) – Wiede, Elisson (3/1), Vukovic (1), Struck, Mandalinic (3), Nenadic (5), Lindberg, Zachrisson (4), Fäth (6), Schmidt (1), Kopljar (1), Drux (8) – Trainer Velimir Petkovic.

MT: Simic (10 P., davon 2 Siebenmeter / 32 GT), Sjöstrand (n.e.) – Kühn 7, Lemke 1, Golla 2, Reichmann 10/4, Mikkelsen, Danner 2, P. Müller, Boomhouwer, Schneider 5, Allendorf, Jaanimaa, M. Müller 2, Haenen – Trainer Michael Roth.

Schiedsrichter: Peter Behrens (Wuppertal) / Marc Fasthoff (Neuss).

Zeitstrafen: 10 – 8 Minuten (Nenadic, Zachrisson, Schmdit, Kopljar, Drux – 3x Danner, Allendorf)

Disqualifikation: Petar Nenadic Rote Karte + Blaue Karte; 47:05 Min.) – Felix Danner (3. Zeistrafe; 48:45 Min.)

Strafwürfe: 1/3 – 4/4 (Lindberg scheitert an Simic, 05:50 Min.; Nenadic scheitert an Simic 17:43 Min.)

Zuschauer: 8.885, Max-Schmeling-Halle Berlin

Die MT-Spiele bis zum Jahresende:
So., 17.12.17, 12:30 Uhr: MT Melsungen – FA Göppingen, Rothenbach-Halle Kassel
Do., 21.12.17, 18:30 Uhr: MT Melsungen – TVB 1898 Stuttgart, Rothenbach-Halle Kassel
Di., 26.12.17, 17:00 Uhr: VfL Gummersbach – MT Melsungen, Schwalbe Arena Gummersbach

(Bernd Kaiser)