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Militärische Krisenbeherrschung in einer Welt in Unordnung

80 Gäste bei Vortragsveranstaltung der GSP im Haus an der Eder

Kersten Lahl (Generalleutnant a.D. und Vizepräsident der GSP e.V) und Reinhold Hocke (Leiter der GSP – Sektion Fritzlar-Schwalm-Eder) (v.l.). Foto: nh

Kersten Lahl (Generalleutnant a.D. und Vizepräsident der GSP e.V) und Reinhold Hocke (Leiter der GSP – Sektion Fritzlar-Schwalm-Eder) (v.l.). Foto: nh

Fritzlar. Die Welt ist in Unordnung. An Krisen besteht kein Mangel. Im Mittleren Osten herrscht Chaos, im Fernen Osten wird unverhohlen mit nuklearen Waffen gedroht, im Osten Europas irritiert Russland mit rigiden Verhaltensmustern, beiderseits des Atlantiks driften wir auseinander, und in der EU lässt sich eine tiefe Sinnkrise nicht mehr leugnen. Über diese Kernthemen referierte Generalleutnant a. D. Kersten Lahl auf Einladung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP e.V.) im Schwalm-Eder-Kreis. Darüber hinaus ging er ein auf übergreifende Herausforderungen wie unkontrollierte Migration oder Angriffe im Cyberraum oder ein neuer globaler Rüstungswettlauf kommen hinzu. Angesichts dieser unerfreulichen Beobachtungen herrsche weitgehend Ratlosigkeit.

Lahl, von 2008 bis 2011 Präsident der Bundesakademie für Sicherheit, ist Vizepräsident der GSP. Er stellte fest, dass sich keiner der Konflikte mit militärischen Mitteln allein lösen lasse. Immer bedürfe es eines sorgsam austarierten Ansatzes mehrerer ziviler und militärischer Instrumente. Vernetzte Sicherheitspolitik verlange sinnvolle Synergien, ohne sich zu verzetteln. Diese Erkenntnis werfe die beiden Fragen auf, ob „wir erstens genug in unsere militärische Sicherheitsvorsorge investieren, und ob wir zweitens unsere knappen Mittel intelligent genug einsetzen. Kurz: Bilden wir die richtigen Schwerpunkte?“

Mit Blick auf die zahlreichen fragilen Staaten südlich und südöstlich von Europa würden die begrenzten Chancen eines robusten militärischen Engagements des Westens deutlich, meinte Lahl. In Afghanistan etwa sei trotz immenser Anstrengungen bisher keines der großen Ziele erreicht worden. Ähnlich problematisch seien auch andernorts praktizierte Versuche, mittels Waffenlieferungen und damit indirekt Einfluss zu nehmen – die längerfristige Wirkung einer solchen Unterstützung bleibe stets ein Risiko. Einfach wegzuschauen und Staaten zu vergessen sei hingegen auch keine erfolgversprechende Option. Der Westen habe hier noch keine Strategie gefunden, bedauerte der Referent.

Eine völlig neue Lage sei auf der koreanischen Halbinsel zu erkennen. Nuklearwaffen und die Drohung mit ihnen erführen dort eine hochgefährliche Renaissance. Das Risiko einer Katastrophe weit über die Region hinaus sei enorm. „De-Eskalation mit den Mitteln der Diplomatie steht jetzt im Vordergrund“, postierte der General und fügte hinzu: „Militärisch könne Europa hier jedenfalls keinen nennenswerten Beitrag leisten“. Dennoch seien wir betroffen, vor allem auch weil sich die Welt von der angestrebten nuklearen Abrüstung (Global Zero) zunehmend entferne.

Gut-Besucht: Rund 80 Gästen verfolgten den Vortrag von Vizepräsident Lahl mit großem Interesse. Foto: nh

Gut-Besucht: Rund 80 Gästen verfolgten den Vortrag von Vizepräsident Lahl mit großem Interesse. Foto: nh

Diesen Perspektiven stehe eine andere konträr gegenüber, wenn es um die „Frage der Kernaufgaben unserer militärischen Sicherheitsvorsorge“ geht: Die russische Außenpolitik verdeutliche spätestens seit dem Ukraine-Konflikt einen brisanten Paradigmenwechsel. Sie erinnere an längst überwunden geglaubte geopolitische Verhaltensmuster aus vergangenen Jahrhunderten. Für den Westen bedeute das wiederum eine Rückbesinnung auf alte Werte der Bündnissolidarität. Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit rückten erneut in den Fokus, unterstrich der Sicherheitsexperte. Allerdings seien „unsere konventionellen Fähigkeiten längst nicht mehr hinreichend vorhanden“. Diese Erkenntnis verlange eine konsequente Schwerpunktverlagerung, gerade auch für die Bundeswehr im Rahmen der deutschen Verantwortung für die Stabilität Mitteleuropas. Das jüngste Weißbuch weiche hier leider einer mutigen Entscheidung aus und bleibe viel zu allgemein und zögerlich, bemängelte der Referent.

In der Konsequenz sei die Forderung nach erhöhten Militärausgaben Deutschlands angesichts der Fähigkeitsdefizite der Bundeswehr berechtigt – auch wenn das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato erhebliche Schwächen in seiner logischen Begründung aufweise. Allerdings muss zugleich die Balance im sicherheitspolitischen Werkzeugkasten erhalten und verbessert werden. Nicht zuletzt deshalb seien vor einer weiteren Aufstockung des Verteidigungshaushaltes endlich eine übergreifende sicherheitspolitische Strategie und ihre breite öffentliche Debatte erforderlich und überfällig.

Im Anschluss an den Vortrag stellt sich Lahl Fragen aus dem Publikum im gut besuchten Saal des Fritzlarer Haus an der Eder. Zu Überlegungen der europäischen Sicherheitsarchitektur hinterfragte Sektionsleiter Reinhold Hocke die Bereitschaft der Partnerländer eine deutsche Führungsrolle zu akzeptieren. So bat er Lahl um eine Stellungnahme zu der Aussage: „We like German leadership, but we don’t appreciate German dominance“ (Wir begrüßen die deutsche Führungsrolle, aber wir mögen keine deutsche Dominanz). Lahl: Deutschland habe sich in seiner jüngsten Geschichte in Europa und der Welt hohes Ansehen erworben. „Unser Land ist ein international geschätzter und geachteter Partner.“

Mit Dank und Lob bescheinigte Vizepräsident Lahl der gastgebenden GSP Sektion Fritzlar-Schwalm-Eder eine vorbildliche Öffentlichkeitsarbeit, die für die Entwicklung auf Landes- und Bundesebene Vorbildcharakter habe. Gleichzeitig warb er um fortgesetzte Werbung junger Mitglieder und für deren persönliche Bereitschaft, im Fritzlarer Sektionsvorstand eine Aufgabe zu übernehmen. (red)



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