AS-Frauen fordern Streichung des »§ 219 a«
Schwalm-Eder. Am 19. Januar 1919 durften Frauen erstmals wählen und gewählt werden. Ihr Weg dahin war lang, Kritiker trauten ihnen gewissenhafte Entscheidungen nicht zu. „100 Jahre später müssen wir uns fragen, ob diese Vorbehalte in unserer Gesellschaft noch immer bestehen“, so die stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) des Bezirks Hessen Süd, Nadine Gersberg.
Angst vor selbstbestimmten Frauen
Ihre Zweifel begründen sich auf die aktuelle Diskussion um den Paragraphen 219 a im Strafgesetzbuch. Noch immer ist es Ärztinnen und Ärzten in Deutschland nicht erlaubt, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. „Was sagt uns das? Der Gesetzgeber hält Frauen lieber von Informationen fern, weil er glaubt, sie könnten nicht selbstbestimmt eine gewissenhafte Entscheidung treffen“ folgert Gersberg.
Nun haben sich die ASF Frauen aus ganz Hessen in einer Gemeinschaftsaktion an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten gewandt und haben dafür über 150 Erstunterzeichner*innen gewonnen. Ihre Forderung: § 219 a muss abgeschafft werden.
Absurde Rede vom Werbeverbot
Mit dem Kompromisspapier der Großen Koalition sind die Unterzeichner*innen unzufrieden. „Noch immer wird in dem Papier von einem Werbeverbot gesprochen. Doch es gibt keine Werbung für Schwangerschaftsabbrüche und diese wird es nie geben, denn das wäre absurd“ ist Gersberg überzeugt. Das Werbeverbot diene ausschließlich dazu, Frauen Informationen vorzuenthalten. Unzufrieden ist sie auch damit, dass Ärztinnen und Ärzte ausschließlich Informationen von staatlichen Stellen verlinken dürften.
Die Strafandrohung von 2 Jahren bleibe bestehen, wenn Ärzt*innen eigenständig auf ihren Webseiten informierten. „Frauen müssen sich umfassend informieren und auch vergleichen können. Das geht nur, wenn sie auch die Informationen der Ärztinnen und Ärzte selbst lesen können“ ist sich Gersberg sicher.
Zur Aufklärung über Risiken verpflichtet!
Monika Vaupel, Vorsitzende des ASF Hessen Nord ergänzt: „Ein Arzt ist per Gesetz dazu verpflichtet, den Patienten vor einem Eingriff über die Methode und die Risiken aufzuklären. Wenn ein Arzt dazu verpflichtet ist, ist es absurd, wenn er nicht auf seiner Homepage auch darüber informieren darf. Ärztinnen und Ärzte sowie medizinische Institutionen müssen frei von Strafandrohungen über ihre Leistungen, Aus- und Weiterbildungen und Erfahrungen im Rahmen von Schwangerschaftsabbrüchen informieren dürfen. Sie brauchen endlich Rechtssicherheit.“
Wer an Gewissen appelliert, sollte Gewissensentscheidung zustimmen
„Frauen brauchen darüber hinaus ein flächendeckendes und wohnortnahes Netz von Beratungsstellen und Eingriffsmöglichkeiten. Sie sowie Ärztinnen und Ärzte müssen diese Beratungsstellen, Praxen und Kliniken ungefährdet und unbelästigt aufsuchen können“, ergänzt Vaupel.
Die Unterzeichner*innen bezweifeln, dass eine Gesetzesvorlage, die sich an dem vorliegenden Kompromisspapier orientiere, diese Anforderungen erfüllen wird. Die SPD-Frauen und ihre Unterstützerinnen bleiben deshalb dabei: Paragraph 219 a muss abgeschafft werden.
„Wenn die CDU so vollmundig an das Gewissen der Frauen und Ärzt*innen appelliert, sollten sie einer offenen Abstimmung im Sinne einer Gewissensentscheidung im Bundestag zustimmen“ so Vaupel und Gersberg abschließend.
Ergänzende Information (pdf):
Brief an die hessischen Landtags- und Bundestagsabgeordneten
(red)