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Als Nordhessen der Wehrmacht zu Füßen lag

Das Reiterregiment 13 bei der Parade – wohin der Jubel übers Militär führt, sollte sich keine zehn Jahre später der Menschheit schmerzlich ins Gedächtnis gebrannt haben. Archivbild: T. Schattner
Das Reiterregiment 13 bei der Parade – wohin der Jubel übers Militär führt, sollte sich keine zehn Jahre später der Menschheit schmerzlich ins Gedächtnis gebrannt haben. Archivbild: T. Schattner

Homberg. Am 4. August 1936 berichtete das Homberger Kreisblatt zum ersten Mal über ein großes bevorstehendes Militärereignis in ganz West- und Mitteldeutschland: Die Herbstübungen der Reichswehr mit anschließender großer Parade. Erstmals zeigte sich die neu geschaffene Wehrmacht der deutschen Öffentlichkeit.

60.000 Zuschauer auf zwei Tribühnen

Am 18. September 1936 fand zwischen Großenenglis, Udenborn und Uttershausen, auf »der Platte«, die größte Militärparade in der nordhessischen Region nach dem Ersten Weltkrieg statt. Die Aktivitäten des IX. Armeekorps verfolgten zwischen 50.000 und 60.000 Zuschauer u. a. von zwei Tribünen aus, unter ihnen viele Einwohner der Region. Besonders zahlreich vertreten waren dabei die jüngeren Bewohner der Gemeinden. Sie waren aber nicht nur wegen der Militärs gekommen, schließlich hatte ein Mann sein Erscheinen angekündigt, der sich enormer Beliebtheit erfreute: Führer Adolf Hitler.

Bedarf an Mietlastwagen und Fleischlieferungen

Die Herbstübungen und Manöver des IX. Armeekorps der Reichswehr in Kassel verliefen unter anderem im Gebiet südlich von Fritzlar und im Großraum Homberg. Hierfür wurden verschiedene Truppeneinheiten aus mehreren deutschen Gauen nach Nordhessen verlegt. Es entstand ein so großer Bedarf an Lastkraftwagen (2,5 bis 5 Tonnen) und Omnibussen, dass das Generalkommando sich genötigt sah, die Fahrzeuge in der hiesigen Gegend von Unternehmern und Spediteuren zu mieten. Der Fleischbedarf der manövrierenden Truppe musste mit 200 Schweinen und 20 Rindern gedeckt werden.

Reichskanzler Hitler bei der Ankunft am Zennerschen Bahnhof. Archivbild: T. Schattner
Reichskanzler Hitler bei der Ankunft am Zennerschen Bahnhof. Archivbild: T. Schattner

Stolze Funktionäre, emsige Geschäftsleute

Um die Bevölkerung auf die kommenden Manöverereignisse vorzubereiten, versammelten sich am 1. September auf Einladung des Landrates und des Kreisleiters der NSDAP alle politischen Leiter der Partei und die Bürgermeister in Homberg zu einer eingehenden Besprechung. Dabei betonte der Landrat in seiner Begrüßungsansprache, „[…] dass wir stolz darauf sein können, dass die erste große Truppenschau und -parade seit der Wiedererstehung unserer uneingeschränkten Wehrhoheit gerade in unsere Gegend gelegt worden ist […]“.

In den Dörfern, die von den teilnehmenden Truppen passiert wurden, herrschte reges Treiben. Marschierende Truppen, lange Fahrzeugkolonnen sowie Melder auf Fahrrädern bzw. Motorrädern bestimmten das Bild in den Dörfern. Einquartierungen waren alltäglich. Dies nutzten z. B. auch die Homberger Textilgeschäfte, die genau zu diesem Zeitpunkt unter dem Motto »6.000 Mann, die zogen ins Manöver! Zur Einquartierung werden Betten gebraucht« im Kreisblatt annoncierten.

Knüllwälder Tribünen-Holz

Auch ansonsten wurde großer organisatorischer Aufwand betrieben: Südlich von Udenborn waren zwei jeweils 15.000 Menschen fassende hölzerne Tribünen in neunwöchiger Arbeit von Zimmermännern auf freiem Feld errichtet worden. Die gigantische Menge Holz, die für den Bau benötigt wurde, stammte hauptsächlich aus dem Knüll. Die Bauern der Umgegend wurden zwangsverpflichtet, mit ihren Traktoren das Holz zur Baustelle zu bringen.

Schon Wochen vorher müssen die Vorbereitungen begonnen haben, damit die Paradebesucher mit Autobussen und Sonderzügen pünktlich nach Wabern und ins Manövergebiet gelangten. Auf den reich geschmückten Bahnhöfen in Wabern und Zennern herrschte Hochbetrieb. Die Besucher, welche über Zennern anreisen wollten, mussten ihr Ziel bereits um 10.30 Uhr erreicht haben, da zu diesem Zeitpunkt die Straße zwischen Zennern und Udenborn sowie anschließend zum Paradeplatz vollständig für den öffentlichen Verkehr gesperrt wurde.

Jeder wollte Hitler sehen

Der Führerkult erfasste die gesamte deutsche Gesellschaft. Bewohner Udenborns kurz vor Paradebeginn. Archivbild: T. Schattner
Der Führerkult erfasste die gesamte deutsche Gesellschaft. Bewohner Udenborns kurz vor Paradebeginn. Archivbild: T. Schattner

Kurz vor Beginn der Parade waren die Tribünen gefüllt. Um das Gelände herum standen noch Tausende, die keine Karten mehr bekommen hatten. „Fast schien es, als habe ganz Kurhessen an diesem Septembermorgen nur ein Ziel: Das Paradefeld in der Waberner Ebene“, so das NS-Organ Kurhessische Landeszeitung. Zahlreiche nordhessische Geschäfte und Behörden, z. B. die Verwaltung der Stadt Homberg, hatten an diesem Tag ihre Pforten geschlossen, jeder wollte dabei sein.

Nach der Fahrt zum Paradefeld schritt Hitler die Front einer Ehrenkompanie zusammen mit Standarten- und Fahnenträgern ab, welche den Soldaten des IX. Armeekorps übergeben werden sollten. Dann folgte Hitlers Rede.

Vor dem Abflug die Führer-Huldigung

Zahlreiche Musikkorps, zum Teil beritten, Infanteriedivisionen, Reiterregimenter, Artillerieeinheiten, Nachrichtentruppen und motorisierte Truppen, darunter Panzerwagen, gestalteten in den nächsten zwei Stunden die Feierlichkeiten. Die Wehrmacht zeigte, was sie besaß – ausgenommen das schwere Gerät.

Als Hitler im Anschluss langsam an den Tribünen vorbei fuhr, war ihm der Dank des Publikums sicher. Man dankte dem Mann, „der Deutschlands Ehre wiederhergestellt hatte“. Anschließend fuhr die Führerkolonne zum Flugplatz Fritzlar. Von dort flog der Führer mit seiner »JU 52« wieder ab.

Kurz darauf wurden in Mittelhessen Manöver veranstaltet. Diese hatten alle nur ein Ziel: Ins Bewusstsein der Menschen eine Mobilmachung zu rufen, die am 1. September 1939 zum deutschen Überfall auf Polen führte, und damit als der Beginn des Zweiten Weltkriegs in die Geschichte einging. – Doch noch jubelte das Volk auf »der Platte«.

Montagnachmittag, Vortrag im Hessischen Hof

Über diese Ereignisse hält Thomas Schattner am 11. Februar im »Hessischen Hof« in Gudensberg ab 15.00 Uhr einen Vortrag. Eine Dokumentation in Buchform der damaligen Ereignisse ist in Vorbereitung.

(Thomas Schattner | red)



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