Heimstätte wird klimaneutral
Wiesbaden. Das Land Hessen und die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt haben eine Zielvereinbarung für einen klimaneutralen Gebäudebestand geschlossen.
Bundesweit Maßstäbe gesetzt
Hessens größte Wohnungsbaugesellschaft hat sich gegenüber der Landesregierung zu weitreichenden Anstrengungen beim Klimaschutz verpflichtet: Bis 2050 wird die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt ihren gesamten Wohnungsbestand klimaneutral entwickeln, ohne dabei die Mieterinnen und Mieter über Gebühr zu belasten.
Das sieht eine am Dienstag (17.09.2019) unterzeichnete Zielvereinbarung vor. „Eine vergleichbare Vereinbarung ist uns in Deutschland nicht bekannt, Hessen setzt damit bundesweit Maßstäbe“, sagten Umweltministerin Priska Hinz, Wohnungsbauminister Tarek Al-Wazir und Dr. Thomas Hain, Leitender Geschäftsführer des Unternehmens.
Rund 60.000 Wohnungen in Besitz
Die mehrheitlich landeseigene Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt zählt zu den zehn größten Wohnungsbauunternehmen Deutschlands. Sie besitzt derzeit in Hessen rund 60.000 Wohnungen.
„Wir müssen alle anpacken beim Klimaschutz und die Treibhausgasemissionen deutlich reduzieren – auch beim Wohnen. Hier liegt noch ein großes Potenzial zur CO2-Einsparung, das wir gemeinsam mit der Nassauischen Heimstätte erschließen wollen. Mit der gemeinsamen Zielvereinbarung kommen wir dem Ziel der Klimaneutralität für ganz Hessen ein gutes Stück näher“, erläuterte Umweltministerin Hinz. „Wir wollen erreichen, dass weitere Wohnbaugesellschaften dem Beispiel der Nassauischen Heimstätte folgen und werden entsprechende Gespräche aufnehmen.“
Mit Unterzeichnung der Zielvereinbarung werde außerdem eine wichtige Klimaschutzmaßnahme aus dem Koalitionsvertrag und dem Integrierten Klimaschutzplan Hessen umgesetzt.
Gute Dämmung, neue Fenster, effiziente Heizung
„Ob die Energiewende gelingt, entscheidet sich auch in den heimischen vier Wänden“, sagte Minister Al-Wazir. „Über ein Viertel des hessischen Endenergieverbrauchs wenden wir für das Heizen unserer Wohnungen und die Warmwassererzeugung auf. Das lässt sich mit heutigen Mitteln drastisch reduzieren, ohne dass dafür irgendjemand mit kalten Füßen im Wohnzimmer sitzen müsste. Im Gegenteil: gute Dämmung, neue Fenster und eine effiziente Heizung sparen nicht nur Energie und Energiekosten, sondern steigern sogar die Behaglichkeit. Von einer energetischen Sanierung profitieren also Bewohnerinnen und Bewohner ebenso wie Umwelt und Klima. Deswegen ist es unser Ziel, energieeffizient zu bauen und die Sanierungsrate im Bestand deutlich zu erhöhen.“
Die „zweite Miete“ sinkt
Der Minister verwies auf den Heizspiegel 2018, nach dem die Heizkosten in energetisch gut sanierten Gebäuden nur knapp halb so hoch sind wie in Wohnungen mit schlechtem Standard: „Für eine 70-Quadratmeter-Wohnung mit Erdgas-Zentralheizung macht das 50 Euro im Monat oder 600 Euro im Jahr aus. Heizung und Warmwasser machen in der Regel knapp die Hälfte der gesamten Nebenkosten aus. Die zweite Miete sinkt also beträchtlich.“
Deutlich unter den Vorgaben für Neubauten
Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt wird mit der Umsetzung der Vereinbarung bis 2050 voraussichtlich mehr als 1,8 Millionen Tonnen CO2 vermeiden – dies entspricht ungefähr der Hälfte der Menge, die der Frankfurter Stadtwald in dieser Zeit binden kann. Bei einem im nächsten Jahr startenden Pilotvorhaben werden erstmals vier Wohngebäude mit rund 100 Wohnungen so modernisiert, dass sie ausschließlich mit strombasierten regenerativen Energien beheizt werden. Damit sinkt ihr Primärenergiebedarf um über 80% und unterschreitet die Vorgaben für Neubauten um rund 40 %. Das Projekt wird wichtige Erkenntnisse für die Standardisierung ergeben.
„Klimaschutz ist für uns als größte Wohnungsbaugesellschaft Hessens eines der vordringlichsten Themen“, sagt der Leitende Geschäftsführer Dr. Thomas Hain. „2018 hat unser Unternehmen eine Klimastrategie erarbeitet, mit der wir dazu beitragen wollen, das im Pariser Abkommen fixierte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Allerdings sind wir wie alle anderen Unternehmen der Wohnungswirtschaft auf die Unterstützung von Bund und Land bei der sozialverträglichen Finanzierung der baulichen Maßnahmen angewiesen.“
Investitionen in energetische Sanierungen
Die Nassauische Heimstätte wird in den nächsten fünf Jahren rund 1,9 Milliarden Euro in den Neubau von Mietwohnungen und in die Bestandsentwicklung investieren, davon jedes Jahr 113 Millionen Euro in die Bestandsertüchtigung. „Die sukzessive Modernisierung unserer Bestände ist einer der wichtigsten Hebel zur Erreichung der Klimaziele“, sagt Monika Fontaine-Kretschmer, zuständig für Modernisierung und Neubau. Dass sich Investitionen in die energetische Sanierung lohnten, zeigten die Modernisierungen in zwei Frankfurter Siedlungen: „Der Primärenergiebedarf wurde um mehr als 6,5 Millionen Kilowatt pro Jahr, die CO2-Emission von 2.700 auf 900 Tonnen pro Jahr gesenkt. Das ist so viel CO2, wie ein 164 Fußballfelder großer Wald jedes Jahr aufnehmen kann“, ergänzte Fontaine-Kretschmer.
Sozialverträgliche Mieterhöhungen
„Die Strategie bis 2050 ist klar“, so Dr. Constantin Westphal, zuständig für Akquisition, Projektentwicklung und Immobilienmanagement. „Wir müssen mehr Wohneinheiten pro Jahr modernisieren, den Anteil von Vollmodernisierungen erhöhen sowie auf erneuerbare Energien in der Wärmeversorgung setzen. Ab 2025 sollen bei Bestands-Modernisierungen und Neubauten möglichst Anlagen aus regenerativer Energie inklusive Blockheizkraftwerken und Fernwärme eingesetzt werden. Die nachhaltige Energieerzeugung wird immer wichtiger. Gemäß unserem Gesellschafterauftrag werden wir selbstverständlich darauf achten, dass Mieterhöhungen in einem sozialverträglichen Maß bleiben.“
Land belohnt Mehraufwendungen für Passivhaus-Standard
Die am Dienstag geschlossene Vereinbarung ist Teil umfangreicher Bemühungen für Klimaschutz und Energieeffizienz im Gebäudesektor. Da die finanzielle Förderung in erster Linie Sache des Bundes ist, konzentriert sich das Land vor allem auf eine intensivere Beratung und Information der Eigentümer durch die Landesenergieagentur. Auf Bundesebene setzt sich Hessen für bessere gesetzliche Regelungen, bessere und einfache Förderprogramme und Steuervorteile für energetische Sanierungen ein.
Daneben setzt Hessen eigene Akzente, indem das Land Förderprogramme der KfW flankiert: Bei Mietshäusern vergünstigt es die Zinssätze der KfW abhängig vom energetischen Niveau der Sanierung oder des Neubaus. Bei besonders hochwertigen Sanierungen ist dadurch eine 0-%-Finanzierung möglich. Für Wohnungseigentümergemeinschaften bietet Hessen Bürgschaften an. Bei besonders hochwertigen energetischen Modernisierungen auf Passivhaus-Standard übernimmt das Land die Hälfte der Mehrkosten im Vergleich zu einer Modernisierung nach den Anforderungen der Energieeinsparverordnung.
(red)