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»Ein Europa der starken Regionen«

Engin Eroglu, MdEP, Landesvorsitzender der FREIE WÄHLER Hessen und stv. Bundesvorsitzender. Foto: Gerald Schmidtkunz
Engin Eroglu, MdEP, Landesvorsitzender der FREIE WÄHLER Hessen und stv. Bundesvorsitzender. Foto: Gerald Schmidtkunz

Schwalmstadt. Seit das EU-Parlament Ende Mai 2019 gewählt wurde, gehört auch der Schwälmer Engin Eroglu zu den 705 Abgeordneten. Vorigen Freitagabend im Haus der Gemeinschaftspflege nutzte er, um den Gästen seine Arbeit für »Ein Europa der starken Regionen« zu erläutern.

Hauptaufgaben im EU-Parlament

Eingeladen hatte die FREIE WÄHLER Schwalmstadt. Die Partei wollte wissen, was ihr Landes- und stellv. Bundesvorsitzender zwischen Schwalmstadt, Gießen, Brüssel und Straßburg für sie tut. Erwartet wird die Umsetzung der aktuellen politischen Willensäußerungen der freien Wähler aus einer kleinen Region inmitten eines großen Europas von rund 446 Millionen Einwohnern. In 20 Ausschüssen kümmern sich die Volksvertreter um ihre drei Hauptaufgaben: Haushalt, Gesetzgebung und demokratische Kontrolle.

Das hört sich einigermaßen einfach an, doch dann fallen Begriffe wie Europäischer Rat, Europäische Kommission, Fraktionsbildung, Europäische Zentralbank (EZB) oder mehrjähriger Finanzrahmen. Irgendwo in diesem Themenkomplex ist Eroglus Arbeit angesiedelt. Der gelernte Bank- und Sparkassenkaufmann arbeitet in den Ausschüssen für Wirtschaft und Währung (ECON) sowie Auswärtige Angelegenheiten (AFET).

EU-System reformieren, Euro-Politik korrigieren

Für Eroglu bedeuten die schon fast erdrückend nüchternen Zahlen keineswegs einen Kampf gegen Windmühlen. Nichteinmal die Tatsache, dass europäisches Demokratieverständnis etwas völlig anderes ist, als es sich deutsche Staatsbürger*innen verinnerlicht haben, wirft ihn aus der Bahn. Ja, sagt er, er sei mit viel Idealismus in die Europapolitik gegangen und habe dann doch Abstriche machen müssen. Etwa im Hinblick auf die deutsche Sicherheits- und Rüstungspolitik.

Der Plenarsaal im Europäischen Parlament zu Straßburg. Foto: Gerald Schmidtkunz
Der Plenarsaal im Europäischen Parlament zu Straßburg. Foto: Gerald Schmidtkunz

Ebenfalls ein weites Feld der Betätigung sehen Eroglu und seine 97 Mitstreiter*innen aus der Fraktion »renew europe« in der Reformbedürftigkeit des Systems aus Rat und Kommission. Es ist die Veto-Möglichkeit eines jeden einzelnen Mitgliedsstaates, die sie als hinderlich empfinden. „Die Blockade-Politik einzelner Länder muss aufhören“, fordert Eroglu mit Blick vor allem auf Ungarn, wo EU-Steuergelder wirkungslos in einem korrupten Staatsapparat verschwinden. Ebenso will Engin Eroglu daran mitarbeiten, dass die „verfehlte Euro-Rettungspolitik der letzten Jahre“ korrigiert wird. „Jedes Land“, schreibt der ECON in einem Informationsblatt, „muss für seine Schulden selbst haften“.

Völkermord an den Uiguren

Seine Arbeit im AFET-Ausschuss öffnet ein düsteres Kapitel der Menschheitsgeschichte. Eroglu ist in diesem Ausschuss als Ost-, beziehungsweise China-Experte im diplomatischen Einsatz. Er berichtet von schweren Menschenrechtsverletzungen in der zirka 1,4 Millionen Einwohner zählenden Volksrepublik. Laut Engin Eroglu gibt es dort Konzentrationslager mit 15 bis 20 Millionen (!) Häftlingen. Regimekritiker verschwinden über Nacht, das Volk der Uiguren wird mit Zwangssterilisationen einem Genozid ausgesetzt.

Holland geht unter, Baumwolle ist klimakritisch

Dagegen wirkten die Themen der Fragerunde nach Eroglus Vortrag schon fast banal. Etwa die Theorie der steigenden Meeresspiegel, die bis 2080 den größten Teil der Niederlande und Hamburgs hinweggespült haben werden. „Da fragen sich manche Banken, ob sie das Häuschen an der See überhaupt noch mit lebenslangen Laufzeiten auf die kommenden 60 Jahre finanzieren sollen“, sagte Eroglu dem staunenden Publikum.

Als einer der Gäste gegen Ende der Veranstaltung im Haus für Gemeinschaftspflege nach der umweltkonformen Besteuerung von Plastikkunststoffen fragte, gab Engin Eroglu erneut eine überraschende Auskunft. Während Deutschland über Plastik und Umweltschutz diskutiere, habe der Rest der Welt längst erkannt, dass die Baumwollindustrie wesentlich klimakritischer sei. „Jetzt müssen wir der Europäischen Kommission plausibel machen, dass man über Plastik und Baumwolle gemeinsam reden muss“, schloss Eroglu seine Ausführungen. „Kunststoff und seine Besteuerung ist ein rein deutsches Problem.“

In seinem Vortrag gab der EU-Abgeordnete Eroglu interessante Einblicke in seine Arbeit. Foto: Gerald Schmidtkunz
In seinem Vortrag gab der EU-Abgeordnete Eroglu interessante Einblicke in seine Arbeit. Foto: Gerald Schmidtkunz

(red)