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Rosenblatt besucht die Heimat der Familie

Undatierte Aufnahme: Julio Rosenblatts Großmutter Julchen und deren Geschwister. Quelle: nh

Malsfeld. Wenn Julio M. Rosenblatt den Malsfelder Ortsteil Beiseförth besucht, trifft der Computeringenieur und Buchautor auf den Ort, in dem seine Familie vor der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung über Jahrhunderte lebte.

Pragmatischer Blick in die Zukunft

Ende Oktober wird er eben jenes Dorf besichtigen, das ihm auch als Grundlage für seine Bücher diente. Möglich macht diese Begegnung das Initiativbündnis „Jüdisches Leben in Beiseförth“, das vom Förderprogramm „Gewalt geht nicht“ des Schwalm-Eder Kreises unterstützt wird.

Julio M. Rosenblatt hielt in der Vergangenheit zahlreiche Vorträge zum Thema Ausgrenzung und Rassismus in Lateinamerika. Obgleich das Themen sind, die dem 70-Jährigen aufgrund seiner Familiengeschichte ein besonders wichtiges Anliegen sind, will er Geschichte nicht einfach rekapitulieren. Vielmehr geht es ihm darum, einen pragmatischen Blick in die Zukunft zu werfen und zu verhindern, dass rassistische Ressentiments und Diskriminierung einen Nährboden in Gesellschaften finden. Nach Veranstaltungen in Argentinien und Uruguay stehen als nächstes also Deutschland und speziell Beiseförth auf seiner Liste.

Von Südamerika nach Beiseförth

Über 11.000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen der uruguayischen Hauptstadt und Beiseförth. Und doch nimmt der frühere Universitätsprofessor die lange Reise auf sich, um die ehemalige Synagoge sowie das Elternhaus seiner Großeltern und weitere Orte der persönlichen Familiengeschichte kennenzulernen. Er möchte mit den Einwohnern ins Gespräch kommen. Juden waren über mehrere Jahrhunderte fest verwurzelt in Beiseförth. Bis 1938 bestand noch eine jüdische Gemeinde, deren Ursprünge in die Zeit des 16. und 18. Jahrhunderts zurückreichen und die 1861 mit 78 von 789 Einwohnern stark im Dorf vertreten war.

Das Leben der Landjuden im Mittelpunkt

Nachdem Initiativbündnis-Mitglied Benjamin Giesen über Manfred Eifert, der bereits 2008 Aspekte jüdischen Lebens in Beiseförth dokumentiert hatte, von dem Buch „Max und seine Fragen“ gehört hatte, trat er zunächst in schriftlichen Kontakt mit Rosenblatt. Denn die Erzählung des Kinder- und Jugendbuchs spielt in Beiseförth und rückt in den Mittelpunkt, wie das Leben der Landjuden und deren Zusammenleben mit der nicht-jüdischen Bevölkerung vor 1933 war und mit welchen Repressalien jüdische Familien nach 1933 auch in kleineren Ortschaften zu kämpfen hatten.

Julio Rosenblatts Vater Fredi (vorn sitzend) um 1930 mit seinen Cousinen und Cousin Lothar. Quelle: nh

Einladung in die Heimat der Verwandten

Es folgten Gespräche über Videokonferenzen. Hierbei entstand dann die Idee, weitere Videochats mit dem Ethikkurs der Adam-von-Trott-Schule aus Sontra durchzuführen. Ein Cousin seines Vaters, Lothar Rosenblatt, der mit 94 Jahren ebenfalls in Montevideo lebt, nahm auch an den Gesprächen mit den Schülern teil. Nun lädt das Initiativbündnis Julio M. Rosenblatt nach Beiseförth ein, der Heimat seines Vaters, seiner Großmutter und zahlreicher Verwandten.

Buchvorstellung, Ortsrundgang, Dokumentationsabend

Der Besuch aus Montevideo trifft am 26. Oktober in Deutschland ein. Auf dem Programm stehen unter anderem ein Treffen mit Jugendlichen, ein historischer Abend zur Geschichte der Familie Rosenblatt, Begegnungen mit den örtlichen Vereinen und ein Ortsrundgang. Geplant sind darüber hinaus weitere Besuche an den Schulen in Malsfeld, Melsungen, Rotenburg und Sontra, jüdischen Friedhöfen und der alten Synagoge in Abterode sowie der Mikwe in Rotenburg. Auf den Spuren seiner Vorfahren wandelt der Gast überdies in Unsleben, Kassel und Zimmersrode.

Hass mündet in Unheil

Im Zuge des zweiwöchigen Aufenthalts werden sich zweifellos interessante Gespräche und Diskussionen ergeben. Eine zentrale Frage wird sein, wie es dazu kommen konnte, dass die jüdischen Einwohner des Dorfes fliehen mussten, obwohl sie mit der ihnen feindselig gewordenen Bevölkerung jahrelang Haus an Haus gelebt hatten. Veranschaulicht wird dies durch „Max und seine Fragen“.

Der entgegengebrachte Hass endete für die jüdische Bevölkerung in schwerem Unheil. Das – so die zentrale Botschaft von Julio M. Rosenblatt – konnte auch in kleineren Ortschaften geschehen. Nun will er einen weiteren Beitrag gegen Diskriminierung und Rassismus leisten. Diesmal in der Heimat seiner Familie.

Buchvorstellung im »Goldenen Löwen«

Für die Beiseförtherinnen und Beiseförther bietet sich unterdessen die Möglichkeit, Antworten auf schwere Fragen zu erhalten, um sich mit der Vergangenheit ihres Ortes intensiv und authentisch auseinanderzusetzen. Aber auch auswärtige Geschichtsinteressierte sind dazu eingeladen, an den verschiedenen Programmpunkten teilzunehmen.

Besonders bietet sich hierfür der Dorfabend im Gasthaus »Zum Goldenen Löwen« am 30. Oktober ab 18 Uhr an – inklusive Buchvorstellung. Es folgen der gemeinsame Dorfrundgang am 31. Oktober ab 13:30 und ab 16 Uhr sowie der Dokumentationsabend über die Familie Rosenblatt im Dorfgemeinschaftshaus am 2. November ab 19 Uhr.

(red)