16,97 m: André auf Rang 4 im Kugelstoßen

Koblenz. Die deutschen U20-Leichtathletikmeisterschaften zeigten am Wochenende in vielen Wettbewerben eine beeindruckende Leistungsdichte. Obwohl Dauerregen am ersten und zweiten Meisterschaftstag für die Athleten für schwierige Bedingungen sorgte, erzielte der DLV-Nachwuchs zahlreiche herausragende Ergebnisse und scheint für die U20-WM in Lima (Peru) bestens gerüstet zu sein.
Luis André, die MT-Hoffnung in der Leichtathletik, hatte sich für diese Meisterschaften viel vorgenommen.
Von Verletzungen überschattet
Nach seiner Teilnahme an der U18-EM 2022 in Israel wollte er sich bei diesen Titelkämpfen für die U20-WM qualifizieren. Dieser Plan war für ihn schon lange in Stein gemeißelt. Nach einer erfolgreichen Schülerkarriere, in der er vier Jahre lang die deutschen Bestenlisten im Kugelstoßen und Diskuswerfen anführte, entschied er sich nach den Sommerferien 2021 an das Leistungssport-Gymnasium nach Chemnitz zu wechseln, um von den professionellen Bedingungen zu profitieren. Seitdem trainiert der ehrgeizige Athlet im dortigen Olympiastützpunkt unter Nachwuchsbundestrainer Christian Sperling. Doch seine sportliche Entwicklung wurde immer wieder von Verletzungen überschattet und behindert.
Als Luis André im Januar 2024, 16 Monate nach seiner Hüft-OP wieder auf die Wettkampfbühne zurückkehrte, verbesserte er in Melsungen bei den Hallenmeisterschaften den 28 Jahre alten nordhessischen Rekord auf 17,30 Meter. Vier Wochen später belegte Luis bei den deutschen Hallenmeisterschaften, bei denen Georg Harpf (München) mit 19,83 Meter ein Orientierungsmaß für die Freiluftsaison setzte, hinter Kelson de Carvalho (Steinlach-Zollern, 18,12 m) und Shaun-Paul Fritzsche (Zwickau, 17,68 m) vor Maximilian Neukirchen (Uerdingen, 16,74 m) und Theodor Otto Eltz (Halle, 16,73 m) mit 16,90 m den vierten Platz.

Auslöser für technische Fehler
Obwohl er intensiv trainierte und an der Hantel immer stärker wurde, blieben die erhofften Leistungen aus. Nach dem Abitur stieß er am 22. Mai in Neubrandenburg die 6kg-Kugel 17,24 m weit, doch die angestrebten Weiten von 18 Metern und mehr blieben aus.
Schon damals riet ihm sein früherer Trainer, verstärkt an den mentalen Aspekten zu arbeiten, da der Druck, bei wichtigen Wettkämpfen erfolgreich zu sein, nervös und angespannt macht. Die hohen Erwartungen an sich selbst und die Angst vor dem Versagen verursachten bei Luis André besonders beim Abstoß und dem anschließenden Umsprung technische Fehler. Deshalb empfahl Alwin Wagner Entspannungstechniken und Visualisierungsübungen einzusetzen, um den Druck zu minimieren und sich besser auf die Stöße zu konzentrieren.
Für die DLV-Junioren-Gala in Mannheim, die ein Vorgeschmack auf die deutschen Meisterschaften sein sollte, trainierte Luis in Kienbaum, denn Mannheim galt nicht nur als Test, sondern auch als Indikator dafür, wer bei den deutschen U20-Meisterschaften in Koblenz für die Medaillenvergabe in Frage kommt. Erneut hatte sich der DLV-Kaderathlet vorgenommen, das erwartete Ausrufezeichen zu setzen. Doch wieder hatte er Probleme, nach dem Abstoß im Kreis zu bleiben. Mit 16,97 Metern belegte er hinter dem überragenden Georg Harpf (19,81 m), Shaun-Paul Fritzsche (17,71 m) und Theodor Otto Eltz (17,65 m) den vierten Platz, knapp vor Maximilian Neukirchen (16,81 m).

Drei große Schwächen
Drei Wochen vor den nationalen Meisterschaften bat Luis seinen ehemaligen Trainer und Mentor Alwin Wagner um Unterstützung bei der Vorbereitung auf die deutschen Meisterschaften. Wagner, der im Juli nach 53 Jahren als Trainer von der MT Melsungen verabschiedet wurde, sagte sofort zu.
Schon bei der ersten Trainingseinheit erkannte er, dass Luis drei große Schwächen in seiner Technik hatte. Es mangelte ihm nicht nur an Explosivität und Abstoßhöhe, die entscheidend für die Stoßweite sind, sondern Luis hatte auch große Schwierigkeit, sich nach dem Abstoß sicher im Kreis zu halten und gültige Stöße auszuführen.
Wagner plante, diese Schwächen in den nächsten drei Wochen intensiv mit Luis zu bearbeiten, um seine Leistung deutlich zu verbessern. Doch schon bei der ersten Trainingseinheit knickte Luis nach dem Abstoß um und musste das Training sofort abbrechen. Die Diagnose, „starke Bänderdehnung“, machte alle Pläne schlagartig zunichte. Als nach einer Woche Physiotherapeut Gernot Weiß (Melsungen „grünes Licht“ gab, konnte Luis mit einem Tape-Verband wieder trainieren.
Stoßpotenzial durch Training entfalten
Während er früher bei neun von zehn Stößen die Balance beim Abstoß verlor, weil er diesen zu früh einleitete, was dazu führte, dass die Kugel häufig aus dem Sektor flog und er selbst nach links abtauchte und sich nicht mehr im Kugelstoßkreis halten konnte, landete nach nur vier Tagen Techniktraining die Kugel zuverlässig in der Mitte des Sektors.
Wichtig dabei war auch, dass er bei fast jedem Stoß im Kreis blieb. Damit wurde der erste und schwierigste Teil erfolgreich gemeistert. In der Woche vor Koblenz sollte Luis mit einer 5-kg-Kugel trainieren, um die Anfangsgeschwindigkeit und Abstoßhöhe zu verbessern und so das volle Potenzial seines Stoßes zu entfalten. Allerdings konnte dieser wichtige Aspekt der Kugelstoßtechnik nicht trainiert werden, da der 19-Jährige nach der Rückkehr von Bundestrainer Christian Sperling von der U18-EM in Banska Bystrica (Slowakei) nach Chemnitz zurückkehrte und dort das Abschlusstraining absolvierte.

Auf Bronzerang im zweiten Durchgang
Bereits am ersten Wettkampftag fiel die Entscheidung im Kugelstoßen. Als er als Neunter von vierzehn Athleten an der Reihe war, lag Jannik Krewenka (VfB Stuttgart) mit 14,77 Meter in Führung. Mit einem Sicherheitsstoß von 15,82 m, der für das Finale reichen sollte, ging der Melsunger Modellathlet in Führung.
Danach folgten die vier Athleten, die mit besseren Leistungen gemeldet waren. Shaun-Paul Fritzsche löste mit 17,56 m erwartungsgemäß Luis von der Spitze ab. Georg Harpf, der große Favorit, begann trotz Regen mit 19,64 m und Maximilian Neukirchen wuchtete im ersten Versuch die Kugel auf 16,92 m. Nur Theodor Otto Eltz (Halle), der mit 17,65 m an dritter Stelle der Meldeliste geführt wurde und als Bronzekandidat galt, blieb mit 14,25 Meter weit hinter seiner Meldeleistung zurück. Somit lag Luis André nach dem ersten Durchgang auf dem vierten Platz. Im zweiten Durchgang steigerte er sich auf 16,93 Meter und lag damit auf dem Bronzerang, einen Zentimeter vor Neukirchen, der einen ungültigen Versuch fabrizierte.
Neukirchen holt sich den Platz zurück
Auf Empfehlung von Bundestrainer Sperling und Alwin Wagner, die Luis gemeinsam betreuten, ging er mehr Risiko ein. Seine schnelle Drehung führte dazu, dass er beim Abstoß in seinen alten Fehler verfiel und nach links wegkippte. Dadurch konnte er die Kugel nicht mehr optimal treffen. Doch dank des intensiven Vorbereitungstrainings stand Luis nach dem Abstoß stabil im Ring. Trotz dieses Fehlers landete die Kugel bei 16,97 Metern, was ihm erneut den dritten Platz einbrachte.
Aber diesen Rang eroberte sich Maximilian Neukirchen mit 17,49 Meter zurück und verteidigte ihn bis zum Ende. Georg Harpf, der die Kugel in allen fünf gültigen Versuchen über 19 Meter wuchtete und im letzten Durchgang auf 19,73 Meter kam, fliegt als Medaillenkandidat nach Südamerika. Shaun-Paul Fritzsche wurde nach seinen 18,22 Metern ebenfalls für die WM in Lima nominiert. Maximilian Neukirchen (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) reichten zwei gültige Stöße für die Bronzemedaille.
Mit Gewalt funktioniert es nicht

Luis konnte sich im Finale mit Weiten von 16,63 und 16,56 Metern nicht weiter steigern, da es seinen Stößen an Höhe und explosivem Abstoß fehlte. Im letzten Durchgang landete die Kugel zwar hinter der 17-Meter-Marke, aber aufgrund des nassen Rings konnte er nicht im Kreis bleiben. Allerdings hätte dieser Stoß ohnehin nicht für die Bronzemedaille gereicht.
Der 19-Jährige zeigte mit seinen fünf gültigen Stößen, die nur 41 Zentimeter auseinander lagen, eine stabile Leistung. „Ich hätte es besser machen können, aber wenn man unter Druck steht, versucht man es mit aller Gewalt und das funktioniert nicht“, zeigte er sich nach dem Finale selbstkritisch.
Im Wettkampf zu hektisch
Am zweiten Meisterschaftstag lebte das Diskuswerfen einmal mehr von der Leistung des 18-jährigen Kelson de Carvaoho, der im ersten Durchgang mit 58,04 m für klare Verhältnisse sorgte. Ole Mehlberg (Neubrandenburg) sicherte sich vor dem Wattenscheider William Wolzenburg (51,42 m) mit 54,68 m die Silbermedaille. Um den Einzug ins Finale zu schaffen, hätte eine Weite von 47,25 m aufgereicht. Das wäre für Luis auch möglich gewesen, der trotz des Regens beim Einwerfen auf dem Nebenplatz bei jedem Wurf besser wurde und beim letzten Versuch nahe an die 50-Meter-Marke kam. Im Wettkampf drehte zu hektisch und warf viel zu flach. Mit 46,71 Metern belegte er hinter dem hessischen Jugendmeister Cedric Engler (Wiesbaden, 47,06 m), der als Zweiter mit 56,70 Meter gemeldet war und sich Hoffnungen auf eine WM-Nominierung machte, Rang elf.
(ajw)