Pollenbach: Klare Worte
Von Tobias Knopp
Pollenbach. An dieser Stelle, liebe SEK-News-Leser, möchten wir zukünftig Bürger unseres kleinen Ortes zu Wort kommen lassen, die sich besonders um unser Wohl und unsere Sicherheit verdient machen. Zum Auftakt schreibt heute Vikar Gabriel Himmelstreu (freie Glaubensgemeinschaft Pollenbach/Niederhessen) über den Mitgliederschwund in seinem Hausgebetskreis. Wir bitten um freundliche Beachtung.
Verehrte Pollenbacher,
liebe Gemeinde,
in diesen Tagen, in denen sich ganz allmählich der Sommer ankündigt und sich unsere Herzen dem Gedeihen und Ernten öffnen, in diesen Tagen muss ich erschrocken erkennen, dass am Tage des Herrn immer weniger Schafe in den Schoß unserer geliebten Gemeinde finden. Wenn ich sonntagmorgens um halb vier die Kerzen im Andachtsraum entzünde und den Opferstock liebevoll mit frisch geschnittenen Blumen schmücke, dann kurz meditativ inne halte, um rechtzeitig zum Aufgang der Sonne das Wort des Heils zu verkünden, stelle ich fest, dass nur jene zum Lobpreis erscheinen, die ohnehin alsbald das Antlitz des Herrn erblicken.
Wo aber ist die Jugend, wo sind die jungen Familien, die es doch so bitter nötig hätten, Abbitte vor mir zu tun? Abends sieht man sie auf den Straßen und in den Biergärten lungern, wo sie des Trunkes frönen, Schande über sich bringen und mit ihren goldenen Kälbern der Habgier huldigen. Wenn ich aber frage, was sie dazu treibt, sich meiner heilsamen Worte zu entziehen, so antworten sie mir nur, ich rede zu gestelzt, zu verschachtelt und dafür wollen sie ihre Körper nicht aus ihrem Bette, dem Sündenpfuhl, erheben, um pünktlich im Morgengrauen meine Gnade zu empfangen.
Liebe Gemeinde, es ist Sauvolk unter uns. Sauvolk, das sich anschicken sollte, die Hitze des Sommers als Omen des Fegefeuers zu deuten. Da gibt es jene, die nicht bereit sind, zu teilen. Jene, die Brot für die Welt und Fleisch für sich wollen. Ich aber sage euch: Nehmt euch ein Beispiel an denen, die in Ketten nach Frankreich pilgern, denn der Erzfeind empfängt sie mit offenen Armen! Huldigt jene, die dem Kriege entsagen für den friedlichen Klang der Liebe in den Ohren unserer Brüder! Preiset die Kreuzritter, denn sie verkünden das Wort des Heils in Jerusalem und in der ganzen Welt. Die Stadt im Lande der Israeliten mussten wir geben, aber Pollenbach haben wir noch! Und weicht nicht ab vom Pfade der Tugend, denn Satan versklavt eure Seele so, wie sich jeder dumme Müller einen alten Esel hält.
Und meinem so genannten Herrn Kollegen, dem protestantischen Jugenddiakon Bubu Schmittlein, rufe ich zu: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast! Tritt in den Kreis unserer Gemeinde und lege Zeugnis ab, sonst tue ich es für dich. Entsage dem Mammon, dem liederlichen Weibe, dem Suff, der Gewinnsucht und rede nicht fortan mit gespaltener Zunge. Noch kannst du umkehren und deinen guten Willen durch eine Spende an mich bezeugen. Ich dachte da so an 10.000 Euro, bar und in kleinen Scheinen, nicht fortlaufend nummeriert.
Allen anderen aber rufe ich zu: Zweifelt nicht an der Gerechtigkeit, auch wenn die Sündigen unter uns ICE fahren und sich weit und breit keine Schafherde tummelt. Die Stunde wird kommen, da werde ich Gericht halten über jene, die zweifeln und wanken und meine Rache wird fürchterlich, liebe Freunde.
Zum Schluss möchte ich auf die Kollekte am kommenden Sonntag aufmerksam machen. Wir spenden für die verarmten Spediteure, die durch das LKW-Fahrverbot auf der B3 und B252 unverschuldet in Not geraten und nun nicht mehr in der Lage sind, ihre Ferrari Testarossa, Jaguar, Porsche und S-Klasse-Mercedes Benz vollzutanken. So viel Armut ist unerträglich. Bitte bedenken Sie auch, liebe Gemeinde, dass die Bezüge nach TVöD für Mitarbeiter des religiösen Landesdienstes rückwirkend zum 1. Januar 2008 um acht Prozent gestiegen sind. Ich vertraue fest darauf, dass Sie auch das in die Kalkulation ihrer Gabe mit einbeziehen.
Denn siehe, so spricht der Prälat: Geben ist seliger, denn nehmen und das letzte Hemd kennt keine Taschen. Denen, die geben, wird Erkenntnis zuteil und Erleichterung. Denen aber, die sich verwehren, wird das Feuer der Verdammnis die Augäpfel zum Platzen und die Eingeweide zum Kochen bringen, und ihr Leib wird gevierteilt, in alle Richtungen des Himmels verstreut und den Raben zum Fraße werden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine friedvolle Woche.
Es grüßt Sie herzlichst,
Ihr Gabriel Himmelstreu
Zur Person:
Gabriel Himmelstreu ist Gemeindevikar, 44 Jahre alt, verheiratet und hat vier Kinder im Alter von zwei, sieben, neun und achtundzwanzig Jahren. Er übt seit 1. Juli 2006 das Amt des Gemeindevikars aus. Vikar Himmelstreu ist passionierter Jäger und sammelt ost-asiatische Seidenraupenschmetterlinge. Nebenberuflich ist er Anlageberater der Niederhessischen Kapitalgesellschaft mbH und war bis April 2008 ehrenamtliches vorsitzendes Mitglied im Vorstandsrat von UNICÄF Deutschland. Sein Sternzeichen ist Widder, zweiter Aszendent.
Fortsetzung folgt