Pollenbach: Dieses Jahr wird alles besser!
Von Tobias Knopp
Pollenbach. Das Jahr 2008 ist bereits Geschichte. Wir stehen am Anfang einer neuen Zeitrechnung, sehen riesigen Herausforderungen entgegen. Schon kann man sich den zahlreichen Silvesteransprachen, die über die heimische Mattscheibe flimmern, nur noch durch Freitod entziehen. Da jammert eine „Doppel-D“-Kanzlerin im Intershop-Hosenanzug über ein Jahr der schlechten Nachrichten. Kurz zuvor erst schluchzte unser Präsi „Bundes-Horst vom Volk der Gutmenschen“ in seiner Weihnachtsansprache, dass man die uns jetzt schüttelnde Wirtschaftskrise doch als Chance verstehen möge. Da möchte man ihm doch gerne mal zurufen: „Alter, wir haben das Chaos in dieser Bananenrepublik schon seit 20 Jahren als Chance verstanden. Aber genutzt hat es nix…“
Dennoch: Der Jahreswechsel ist auch in der kleinen niederhessischen Gemeinde Pollenbach traditionell die Zeit für fromme Pläne und gute Vorsätze. Welche Hoffnungen und Wünsche in unseren Dorfhelden keimen, hat SEK-News in einer brandaktuellen Umfrage auf offener Straße erforscht:
Hanne Obstbescher (55): Also, ich habe mir ja für das neue Jahr nicht allzu viel vorgenommen. Vielleicht ein bisschen abnehmen, etwa zehn bis zwölf Kilo, oder so. Und dann stelle ich mir vor, auf der Siglinde-Eisprung-Abendschule einen Kurs im „Power-Wünschelruting“ für Alleinerziehende anzubieten. Ich habe nämlich den Verdacht, dass sich tief im Gestein unter dem Hohen Meissner eine riesige Pyramide befindet. Die stammt noch aus der Epoche, als die Erde von Außerirdischen besiedelt war, also weit vor unser Zeit.
Wissen Sie, dass Märchen von „Frau Holle“, das man sich in dieser Gegend erzählt, ist im Grunde nur eine Metapher für das Zentrum unserer Galaxie, mit seiner extrem großen Masse, um die sich alles dreht. Und die vielen Schneeflocken in der Geschichte verweisen uns auf die Gestirne der Milchstraße. Nüchtern betrachtet handelt es sich bei Frau Holle letzten Endes lediglich um ein schwarzes Loch, das aus tiefster Jungfräulichkeit heraus fortwährend neue Planeten gebiert. Betrachten Sie bitte auch den unübersehbar religiösen Kontext: Schwanger sein, ohne Herrenbesuch gehabt zu haben…. na, fällt jetzt der Groschen? Gut, dabei belassen wir es nun aber, bevor es noch irgend jemand schlecht wird…
Ähm, eigentlich würde ich auch gerne meine Doktorarbeit über die „Sexuelle Befreiung der afrikanischen Nacktschnecken“ fertig bekommen. Dazu fehlt mir leider noch ein kontrollierbares Experiment. Aber die Teilnehmerinnen für die Versuche stehen schon Schlange. Schön wäre es auch, wenn ich im neuen Jahr weniger Medikamente nehmen müsste. Ob das klappt… man wird sehen. Bekanntlich soll man sich ja auch nicht zu viel vornehmen.
Rudolf Hass (88): Kameraden! Das vergangene Jahr war von erheblichen Rückschlägen gekennzeichnet. Besonders betrübt bin ich darüber, dass der zweite große Österreichische Hoffnungsträger viel zu früh Heim ins Reich gerufen wurde. Aber wir werden uns von solchen Enttäuschungen nicht unterkriegen lassen. Auch im Jahr 64 n. A. halten wir an unserem unerschütterlichem Ziel fest: Deutschland!
Anette Hase (42): Über meine Vorsätze für das neue Jahr mache ich mir bereits seit einiger Zeit ausgeprägte Gedanken. Man muss sich da auch Dinge vornehmen, die man bewältigen kann. Und sinnvoll sollen sie sein. Nicht „einfach so machen“, sondern „lokal denken, global handeln“ ist die Devise. Und die Ökologie darf nicht zu kurz kommen. Ich habe mir schon mal drei, vier Stichpunkte aufgeschrieben, die ich jetzt angehen werde:
Mein Auto verkaufen, wegen der Umwelt. Nicht rauchen, das ist ungesund. Weniger Fleisch, Fett und Kohlenhydrate essen, kein Alkohol trinken, wegen der Herzinfarktgefahr. Mehr Sport treiben, das erhöht die Lebenserwartung. Von März bis November Sonnencreme benutzen, wegen des Hautkrebs. Von Oktober bis Ostern Wollsocken tragen, das senkt die Erkältungsgefahr. Nur noch „Fair-Trade“-Kaffee trinken, wegen den armen Bauern in Nicaragua.
Meine Riester-Rente aufstocken, sonst bin ich arm im Alter. Flexibler am Arbeitsplatz sein, sonst bin ich bald arbeitslos. Einen Job in Polen für zwei Euro in der Stunde annehmen, sonst bleibe ich arbeitslos. Am 18. Januar wählen gehen, keine Ahnung, warum. Konservative Sparanlagen abschließen, sonst ist mein Geld bald weg. Das Finanzamt bescheißen, sonst ist mein Geld bald weg. Meine Rücklagen von Lichtenstein nach Luxemburg transferieren, sonst ist mein Geld bald weg.
Mehr Obst essen, wegen der Vitamine. Öfters mal die Luft anhalten und viel weniger furzen, das senkt den CO²-Ausstoß. Meinen Kamin mit einem Feinstaubfilter ausrüsten, das ist gut für die Bronchien. Mein Dach mit einer Fotovoltaik-Anlage ausrüsten, das ist schlecht für die EON. Öfters mal in den Garten kacken, das senkt den Trinkwasserverbrauch. In der zweiten Januarwoche Weihnachtsgeschenke kaufen, dann brauche ich mich im Dezember nicht so zu hetzen.
Ostern nicht mit den Eiern spielen, dann habe ich Weihnachten auch keine Bescherung. Mutti und Vati mal wieder im Pflegeheim besuchen, sonst sieht es schlecht aus mit dem Erbe. Männer Schweine sein lassen und sich nicht darüber aufregen. Heizdecken für die Ukraine spenden, denn die haben seit Donnerstag kein Gas mehr. Keine Pommes mehr reinhauen, wegen dem Acrylamid. Weniger Plastikgeschirr benutzen, wegen der Weichmacher.
Weniger Gemüse essen, wegen der Pestizide. Mehr konsumieren, wegen der Wirtschaftskrise. Die Nachbarn ordentlich grüßen, wegen des Gemeinschaftsfriedens. Weniger vor dem Fernseher hocken, weil man davon verblödet. Keine Fliegen mehr tot schlagen, das sind auch nur Lebewesen. Öfters ins Theater gehen, das ist gut für den Intellekt. Keine Horoskope mehr lesen, weil das alles erfunden ist… ach, man könnte die Liste unendlich fortsetzen, aber leider hat das Jahr nur 365 Tage. Und ich denke, ich muss mich leidlich sputen.
Aber meine Großmutter (väterlicherseits, aus dritter Ehe) hat immer gesagt: Da, wo ein Wilhelm ist, ist auch immer ein Busch. Für mich steht jedenfalls jetzt schon fest:
Dieses Jahr wird alles besser!