Pollenbach: Gib mir sechs, Ilse!
Von Tobias Knopp
Pollenbach. Bauer Ewald Kotte, der Milch-Tycoon vom Pricklingshof, ist stinksauer. Und das mit gutem Grund, denn am Dienstag hat die Bundesagrarministerin Ilse Aigner eine Anbau-Verbot für die gentechnische veränderte Maissorte des Moneto-Konzerns verhängt. Kotte: „Jetzt fängt diese Bundesregierung in Bonn an zu spinnen! Wie kommen diese Sesselfurzer am grünen Tisch darauf, dass Gentechnik schlecht für die Umwelt ist? Seitdem ich die Sorte ‚Moneto 810‘ anbaue, hat sich mein Ertrag verzehnfacht. Und meinen Milchkühen schmeckt der Futtermais bestens!“
Ewald Kotte weiß, wovon er spricht. Während der Moneto-Konzern im kleinen Dorf Niederdösig pressewirksam die Werbetrommel rührte und damit unzählige Bürgerinitiativen auf den Plan rief, hat sich Kotte auf seinen Feldern schon mal ans Aussäen gemacht. Mit durchschlagendem Erfolg: Armdicke Maiskolben wiegen sich bereits Ende April im warmen Frühlingswind. Und „Moneto 810“ hat weitere Vorteile. Dazu Kotte: „Das stimmt. Bei Temperaturen oberhalb 25 Grad poppt der Mais bereits.“
Kotte weiter: „Das knallt ordentlich und vertreibt die vielen Wildschweine rum um den Acker. Und während andere noch mit großen Landmaschinen ihren Mais ernten, gehen wir einfach mal mit dem Staubsauger durch. Und den Rest der Stiele und Blätter brennen wir ab. So einfach ist das. Aber man muss auch erstmal dahinter kommen, was man mit ‚Moneto 810‘ machen darf und was man besser lässt. Letztes Jahr hatten wir das Zeug nämlich auf einem Feld neben einem Autokino ausgesät. Leider haben uns die Kinobesucher aber den ganzen Acker leergefressen. Dieses Jahr passiert uns das nicht wieder. ‚Moneto 810/II‘ hat nämlich einen hohen Anteil des besonders wertvollen Rizinus-Öls mit seinen mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Da gehen Sie gleich nach dem ersten Häppchen ab wie ein Zäpfchen, ha, ha…“, lacht Kotte.
Von einer Gesundheitsgefährdung durch die Genmanipulation wollen Kotte und seinesgleichen allerdings nichts wissen. „Erstmal halten wir einen Abstand zu Feldern ohne gentechnisch verändertes Saatgut von wenigsten fünf Metern ein. Da kann nach bäuerlichem Ermessen gar nichts passieren. Auch die Verteilung des Pflanzenpollens durch Insekten haben wir voll unter Kontrolle. Die ortsansässigen Jagdpächter haben ja nichts mehr zu tun. Wie gesagt, es gibt im Mais keine Wildschweine mehr“, berichtet er. „Also sitzen sie jetzt mit Fliegenklatschen an den Feldrändern und klatschen die flüchtigen Insekten im Flug. Seit Winnenden dürfen die keine Gewehre mehr haben, aber der Jagdschein gilt ja noch.“
Das „Moneto 810/II“ auch das menschliche Erbgut beeinflussen kann, hält Ewald Kotte für unwahrscheinlich. „Ich meine, dieses ständige Gerede von angeblichen Missbildungen durch Gen-Mais ist doch völlig an den Haaren herbeigezogen. Wir bringen ‚Moneto 810‘ schon seit vielen, vielen Jahren aus, und uns war vor vornherein klar: Wenn davon erstmal die Öffentlichkeit erfährt, hagelt es Proteste. Und dann werden Felder sabotiert, das kann man sich ja nun wirklich an allen sechs Fingern abzählen. Übrigens gibt es bei uns nie Geburten von Babys mit nennenswerten Auffälligkeiten. Mehr als drei siamesische Zwillinge haben wir im Quartal nicht.“
Das beruhigt ungemein. Trotzdem bleibt ein gewisses Restrisiko. Kotte: „Ja, gut, vielleicht sind die Kinder in unserem Dorf nicht ganz so toll im Rechnen. Und da kommt es schon öfter mal vor, dass die meisten nicht weiter als bis fünf zählen können. Aber das ist bei uns Erwachsenen hier ja nicht anders. Ich denke, das reicht ja auch, um erfolgreich durch das Leben zu kommen. Jedenfalls in Pollenbach und der näheren Umgebung.
Unsere Partnergemeinde in der Ukraine hat da wirklich wesentlich mehr Probleme. Die pflanzen nämlich seit April 1986 die Maissorte ‚Чернобыль‘ an. Zufällig ist da in der Gegend zur selben Zeit ein Atomreaktor abgeraucht, und jetzt leuchtet das Popcorn im Dunkeln. Das mögen die Kinder besonders gerne. Und sie sammeln es auch eifrig auf bei der Ernte und stecken es gleich in ihre niedlichen Wasserköpfchen“, weiß Kotte.
„Чернобыль“ lässt sich aber auch erfolgreich in der Medizin einsetzen. „Richtig. Erstmals konnten darin die wertvollen Vitamine B, A, S und F nachgewiesen werden. Und sein kurzem wird es auch als Heilpflanze in der Chemotherapie genutzt. Krebsfälle haben die hinten da ja mehr als genug. Wenn wir das jetzt mit ‚Moneto 810/II‘ auch hinkriegen, sind wir wirtschaftlich saniert.“
Rosige Zeiten kündigen sich also für Pollenbachs Milch- und Maisbauern an. Jedenfalls drückt Ewald Kotte dafür schon mal die Daumen. Alle vier!