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Stolzenbach-Unglück: Ehemaliger Bergamtsmitarbeiter sieht „kollektives Versagen“

Borken. Der ehemalige Mitarbeiter des Kasseler Bergamtes, Rainer Zawislo, hat schwere Vorwürfe gegenüber den Verantwortlichen der Braunkohlengrube Stolzenbach erhoben. In einem exklusiven Interview mit dem Hessischen Rundfunk sagte Zawislo: „Ich gehe von einem kollektiven Versagen aus. Das mache ich nicht an einzelnen Personen fest. Und wenn ich sage, kollektives Versagen, dann meine ich kollektiv das Unternehmen, kollektiv die Bergverwaltung. Und ich war Teil des Kollektivs.“ Die Explosionsgefahr und die Zündwilligkeit des Braunkohlenstaubes seien längst bekannt gewesen, betonte Zawislo. Bereits 1893 hätte es im böhmischen Braunkohlebergbau Vorgaben aufgrund von Gefahren von Braunkohlenstaub gegeben. Auch habe es im Jahr 1912 eine Brandverordnung gegeben, in der explizit Maßnahmen zur Verhinderung von Braunkohlenstaubexplosionen gefordert wurden, zum Beispiel Explosionssperren. Ein Gutachten der Versuchsstrecke Dortmund-Derne von 1967, das „Hessenschau“-Reporter im Jahr 2008 an die Öffentlichkeit brachten, hatte zudem festgestellt, dass es sich bei dem Staub in der Grube Stolzenbach um einen explosionsgefährlichen und vergleichsweise sehr zündwilligen Braunkohlenstaub handelt.

Mit diesem Wissen, so Zawislo, hätten Maßnahmen getroffen werden müssen, um eine Explosion zu verhindern. Dazu gehöre der Einsatz von Gesteinsstaub und Maßnahmen, um den abgelagerten Braunkohlenstaub flugunfähig zu machen. Des Weiteren hätte kein Sprengstoff eingesetzt werden dürfen, der zu Staubexplosionen führen kann. Schließlich hätten Explosionssperren eingerichtet werden müssen, die verhindern, dass sich eine Explosion über die ganze Grube ausbreitet.

Rainer Zawislo kommt aus einer Bergbaufamilie, ist Diplom-Bergingenieur, war von 1983 bis 1997 für das Bergamt Kassel tätig und bis zum Jahr 2005 in der Abteilung staatliches Umweltamt im Bergbaudezernat des Regierungspräsidiums Kassel. In seine Dienstzeit fiel das Unglück in der Braunkohlengrube Stolzenbach. Am 1. Juni 1988 war bei einer Sprengung aufgewirbelter Braunkohlenstaub explodiert, dabei kamen 51 Bergleute ums Leben. Die Staatsanwaltschaft Kassel war nach ihren Ermittlungen zu dem Schluss gekommen, dass die Explosion unvorhersehbar und damit unabwendbar gewesen sei.

Zu den Gründen, warum er sich erst jetzt über das Unglück öffentlich äußert, gab Zawislo an, es sei nicht einfach gewesen, darüber zu sprechen. Er sei Teil des Kollektivs gewesen, das versagt habe, und er wolle die Schuld nicht anderen zuweisen. Er habe sich selbst vorzuwerfen, nicht kritischer nachgefragt zu haben.

Detaillierte Auskünfte zu Sachverhalten, die Zawislo ausschließlich über seine Tätigkeit beim Bergamt bekannt geworden waren, durfte er nicht geben. Eine dafür erforderliche Genehmigung sei ihm vom Regierungspräsidium Kassel verweigert worden. (red)



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