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Sozialpolitischer Buß- und Bettag in der Karlskirche

karlskirche141121aKassel. „Betriebe sind Lernorte der Demokratie“, diese These vertrat der Soziologe und Direktor des Soziologischen Forschungsinstitutes an der Universität Göttingen (SOFI) Prof. Dr. Berthold Vogel am Sozialpolitischen Buß- und Bettag in der Karlskirche. Er sprach über den engen Zusammenhang von Arbeit und Demokratie. Der Einladung des Referates Wirtschaft-Arbeit-Soziales mit Titel „Das demokratische Versprechen – Warum die Arbeitswelt unsere politische Zukunft bestimmt“ waren am 19. November über 70 engagierte Männer und Frauen aus Gewerkschaften, Kirchen und politischen Bündnissen gefolgt. Darunter auch bekannte Persönlichkeiten der IG Metall und Verdi.

Der Arbeitssoziologe Prof. Vogel erläuterte in seinem Vortrag die hohe Prägekraft von Erwerbsarbeit: Gesellschaftlicher Status und das Selbstwertgefühl der Bürgerinnen und Bürger sei in unserer Arbeitsgesellschaft in hohem Maße davon abhängig. Betriebe seien gar „Lernorte der Demokratie“, weil politische Emanzipation, sozialer Fortschritt, betriebliche Mitbestimmung und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten zu den wesentlichen Kriterien für eine demokratische Gesellschaft zählen und eng mit der Erwerbsarbeit verknüpft sind. Die Arbeit von Betriebsräten und Gewerkschaften für humane Arbeitsbedingungen habe die Arbeits- und Sozialgesetzgebung der Bundesrepublik geprägt.

Bei einer Erosion der stabilen Erwerbsarbeitsformen sei mit Auswirkungen auf die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaft rechnen. Prekäre Arbeitsformen wie Leiharbeit, Werkverträge und Befristungen, die inzwischen über die Privatwirtschaft hinaus auch im öffentlichen Dienstleistungssektor implementiert wurden, sorgten für eine massive Zuspitzung sozialer Unsicherheit bei einer stetig wachsenden Zahl der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Nicht am Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft, bei den gut ausgebildeten Erwerbspersonen, habe sich ein Beschäftigungsmarkt der „stabil prekär Beschäftigten“ etabliert. Die soziale Unsicherheit und der hohe psychische Energieverbrauch, die ein Leben in prekären Beschäftigungen den Menschen aufzwingt, bedeuten letztlich auch veränderte Bedingungen für den Zusammenhang von Arbeit und Demokratie.

karlskirche141121bIn der Diskussion wurde die Notwendigkeit deutlich, dass besonders die gesellschaftlichen Institutionen wie Gewerkschaften und Kirchen, die öffentliche Debatte über den engen Zusammenhang von Arbeit und Demokratie anstoßen müssen. Die Überzeugung der aktuellen politischen Debatte, die sich hinter „Hauptsache Arbeit“, egal welche und zu welchem Preis, verberge, habe nicht im Blick, dass Arbeit nicht nur der Existenzsicherung diene, sondern auch zum Selbstbewusstsein und zur Emanzipation mündiger Bürgerinnen und Bürger einer demokratischen Republik beitrage. Der Einsatz der Gewerkschaften für „Gute Arbeit“, gegen das Übermaß von prekären Erwerbsarbeitsformen wie Befristungen, Werkverträge und Leiharbeit und für gute Löhne dient mittelbar also auch der Stabilisierung der Demokratie. Nach dieser Lesart müssen sich Angriffe dagegen auch den Vorwurf gefallen lassen, dass sie zur Erosion demokratischer Strukturen beitragen.

„Wir wollen mit diesem Veranstaltungsformat den Buß- und Bettag in Kassel durch eine sozial- und gesellschaftspolitische Dimension erweitern“, sagte Martina Spohr vom Referat Wirtschaft-Arbeit-Soziales, die als neue Beauftragte für die Region Nordhessen den Abend moderierte. Auch wolle man einen Ort schaffen, an dem die politisch engagierten Kooperationspartnerinnen und –partner des Arbeitsbereiches jährlich zusammenkommen können, um gemeinsam über grundsätzliche gesellschaftlich relevante Themen zu diskutieren. Das war an diesem Abend jedenfalls gelungen.

karlkirche141121cNeben dem Hauptvortrag war der geistliche Impuls von Pröpstin Katrin Wienold-Hocke zur politischen Bedeutung des Buß- und Bettags erhellend für die Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die zum Großteil nicht zu den klassischen Kirchenbesuchern gezählt werden können. Ihr Zuspruch und Segen für das politische Engagement in der Gesellschaft kam bei den Gästen gut an. Ebenso die Ermutigung „Du lass Dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit“ von Wolf Biermann, die das Musikerduo Horst Mengel und Matthias Reinhold neben anderen politische Liedern sangen. Mit einem bio-vegetarischen Catering von der Kommune Niederkaufungen und Gesprächen über Gott und Welt klang der Abend aus. (red)



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