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Öffentlicher Informationsabend der IV Klärwerk

bernd-fasshauer160307Borken. Bewusst hatte Nordhessens wohl größte Bürgerinitiative Klärwerk e. V. ihren traditionellen Öffentlichen Informationsabend auf die aktuell in Borken brisanten Themen Straßenbeitragsgebühren, den „Kommunaler Rettungsschirm Hessen“ sowie die Möglichkeiten aktiver Bürgerbeteiligung ausgerichtet. Zahlreiche Besucher, darunter örtliche Vertreter aus Parteien, Vereinen und des VdK,  waren der Einladung in den Kleinen Saal des Hotels am Stadtpark gefolgt, um die Positionen des Vereins zu erfahren.

Neue Straßenbeitragssatzung verabschiedet
Beitragsbescheide für Umbau und Ausbau ihrer öffentlichen Straßen, Wege und Plätze will die Stadtverwaltung Borken den Haus- und Grundstückseigentümern erstmals 2017 zumuten. Zukünftig werden Grundeigentümer auf Grund eines Beitragsgebiets an den Kosten beteiligt. Die Beteiligung richtet sich nach einer Staffel und kann von 25, 50 bis 75 Prozent der Beitragsumlage auf die Anlieger reichen – oder pro Gebiet in einem Mittel daraus. Was sind die rechtlichen Grundlagen, welchen Gestaltungsspielraum hat eine den Zwängen der Kommunalaufsicht unterworfene Gemeinde, was die Umsetzung (Satzung) betrifft? Wann  wird die Kann- und Soll-Regel zum unausweichlichen Muss? Wie werden und wie könnten die einzelnen Abrechnungsgebiete gerecht gegliedert, nach welchem Kriterien die Kosten verteilt werden? Sind umstrittene (finanzielle) Ausnahmeregelungen für angesiedelte Gewerbetreibende zu erwarten? Bernd Zuschlag erläuterte detailliert die Spielräume und Möglichkeiten der Stadtverwaltung unter Berücksichtigung der Zwänge des Rettungsschirms, aber auch die Möglichkeiten im Rahmen der „verbliebenen“ kommunalen Selbstverwaltung.

Der nicht verhandelbare „Ausgeglichene Haushalt“, den die Stadtverwaltung unter dem Rettungsschirm zukünftig nachweisen muss, bestimmt die Grenzen der städtischen Investitionsmöglichkeiten aus Eigenmitteln. Diese sind eng. Wo liegen (und bleiben) die eigentlichen Kernaufgaben, was sind freiwillige Leistungen? Welche Finanzierungsmöglichkeiten bieten die „Stellschrauben“ Gewerbe- und Grundsteuer? Was geschieht in kleinen Ortsteilen mit wenigen Beitragszahlern? Müssen die „Kernstädter“ ihre zweifellos höheren Kosten allein tragen, obwohl ihr Abrechnungsgebiet von allen Bürgern – auch aus den Ortsteilen –  genutzt wird? Bürger und Gewerbe sind nicht grenzenlos belastbar. In welchem finanziellen Zustand sind die stadteigenen Betriebe? Fragen, die der erfahrene Kommunalpolitiker „außer Dienst“ Bernd Zuschlag im Verlauf seines Beitrages beleuchtet und auf die dazu interessierten Fragen seiner Zuhörer mit sachlicher Routine einging.

Fazit: Die Stadtverwaltung habe Spielräume, die sich in der heute bekannten Satzung nicht ausschöpfen. Die Satzung berücksichtige eher die Position der Verwaltung als denn die gerechte Verteilung der Kosten. Zuschlag verwies auch auf die fehlende Information zu bereits bestehenden Ausnahmen der Beitragspflicht. Die Beitragszahler sollten frühzeitig zu den anstehenden Baumaßnahmen und den budgetierten Kosten informiert werden, um ihre Beiträge ansparen zu können – dazu empfahl Zuschlag eine frühe Beteiligung und Information der Bürger und Gewerbetreibenden in Borken. Konkret schlug er einen zu veröffentlichenden Gebietsplan der Stadtverwaltung vor.  Warum in dieser angespannten Lage städtische Betriebe 2015 Immobilien angekauft haben, die aufwändig umgebaut und als städtische Verwaltung genutzt werden sollen, sei angesichts der zukünftig hohen Belastung der Bürger rätselhaft.

Kommunaler Rettungsschirm
Das Land Hessen hat  im Rahmen des Entschuldungsfonds Hessen, auch „Rettungsschirm“ genannt, 18,6 Millionen Euro aus dem städtischen Kernhaushalt der Stadt Borken in die WIBank (Tochter der HELABA) übernommen. Es handelt sich um Darlehen und Kassenkredite. Borken hat Schulden aus städtischen Betrieben nicht über den Rettungsschirm reduziert. Dafür muss die Kommune zukünftig jedes Jahr einen ausgeglichenen städtischen Haushalt vorweisen, alle Einsparmöglichkeiten nutzen und die pro Kopf-Verschuldung  pro Einwohner sowie die pro-Kopf-Erträge pro Einwohner erhöhen.

Bernd Zuschlag. Foto: nhBernd Faßhauer, der Vereinsvorsitzende, stand als Referent Rede und Antwort. Er machte deutlich, dass die Teilschuldübernahme letztendlich durch das Land die 18,6 Millionen Euro aus Borken nicht einfach „gestrichen“ hat, sondern nur auf alle hessischen Einwohner neu verteilte – wie die Schuldübernahmen aus mehr als 100 anderen Gebietskörperschaften. „Als Borkaner mindert sich Ihre amtliche erstellte pro-Kopf-Verschuldung, als Bürger Hessens kommen die Schulden aber wieder zum Teil als Erhöhung der pro-Kopf-Verschuldung zurück. Die hat sich nämlich von 2013 auf 2014 auf über 8.000,- Euro pro-Kopf erhöht. Die in Borken ausgebuchte n Schulden belasten zukünftige Generationen der Hessen-Bürger weiter.“ Mit Hilfe moderner Präsentationstechnik erklärte er die komplexen Zusammenhänge, nannte dabei Voraussetzungen, Verpflichtungen und Folgen für die Stadt Borken und ihre Einwohner, die sich  aus den Verträgen zum Rettungsschirm ergeben.

Fazit: Die katastrophale Finanzlage der Stadt Borken in 2012  zwang die einstmals wohlhabende Stadt alternativlos für einen Neuanfang unter dem Rettungsschirm. Den Verantwortlichen der Stadtverwaltung empfahl der Redner, sich klug im verbliebenen Rahmen der Kommunalen Selbstverwaltung zu verhalten und durch eine gerechte Verteilung der unvermeidbaren Lasten die Solidarität der Kommunalen Gemeinschaft zu gewährleisten.

Projekt Bürgerbeteiligung
Ist eine aktive Beteiligung engagierter Bürgerinnen und Bürger auch in Borken auf kommunaler Ebene möglich, nützlich und notwendig – wollen die Bürger nun, nach jahrzehntelanger „Herrschaft“, überhaupt noch beteiligt werden? Kann Bürgerbeteiligung eine neue Akzeptanz und Respekt für die Verwaltung und Kommunalpolitik fördern? Bernd Faßhauer gelang es offensichtlich, mit seinem Vortrag auch anwesende Mandatsträger zum Nachdenken anzuregen. Der demografische Wandel und die hohen Belastungen zwingen gerade zum Umdenken und zu neuen Strategien. Die Abwanderung besonders junger qualifizierter Menschen Richtung Stadtregionen müsse aufrütteln und das „Weiter so“ ausschließen. Die Demoskopie der Stadt sei negativ und weniger Bürger mit weniger Einkommen könnten weniger Beiträge leisten. Die Verpflichtungen der Stadt nehmen dagegen zu. Können bislang ungelöste Probleme wie die derzeitigen internationalen Spannungen (Flüchtlingskrise) auf solche Weise gemeinsam geschultert werden anstatt, wie bisher, sich auf „Insellösungen“ zu beschränken? Der Verein arbeitet seit langer Zeit an dieser Thematik und hat der Stadtverwaltung bereits letztes Jahr  dazu ein Schreiben des Vereins Klärwerk e. V. mit dem Vorschlag vorgelegt, eine sinnvoll wachsende und Vertrauen schaffende Bürgerbeteiligung über die Kommunalvertreter und Gremien in ein Konzept zu fassen und voran zu treiben. Eine transparente Bürgerbeteiligung solle nicht die verantwortlichen Gremien ersetzen, sondern sie durch verschiedene Sichtweisen sachlich unterstützen. Ein tragfähiges Zukunftskonzept  „Bürgerbeteiligung“, so Faßhauer, würde letztendlich einen Verein wie die IV Klärwerk e.V. überflüssig machen und eine verantwortungsbewusste „Kommunale Gemeinschaft“ zusammenschweißen. Gerade in der Not seien Transparenz und Solidarität eine unverzichtbare Grundlage für eine neue Zukunft in Borken (Hessen).

Die interessierten Fragen und Kommentare der Bürger und der anwesenden Politiker und Mandatsträger bestätigten die spannenden Inhalte und Anregungen aus den Vorträgen. (Horst Paulduro)



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