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Neuorganisation der Jobcenter: Fachdebatte gefordert

Nordhessen. Bei der öffentlichen Debatte über die Neuorganisation der Jobcenter kommen nach Ansicht der Geschäftsführerin des Forschungsteams Internationaler Arbeitsmarkt (FIA), Dr. Alexandra Wagner, fachliche Aspekte zu kurz. „Es geht in der laufenden Debatte vor allem um  Fragen von Macht und Einfluss“, sagte Wagner bei einer Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Kassel. Wie eine gute Arbeitsmarktpolitik aussehen könne und welcher Strukturen es dafür bedarf, werde hingegen kaum diskutiert.

Größtes sozialpolitisches Experiment
Wagner bezeichnete die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Rahmen der Hartz-Gesetze als „größtes sozialpolitisches Experiment in der Geschichte der Bundesrepublik“. Die Berliner Wissenschaftlerin hatte im Rahmen ihrer Tätigkeit im Projektverbund „Monitor Arbeitsmarktpolitik“ die wissenschaftliche Evaluation der Folgen der Arbeitsmarktreformen begleitet. „Es ist statistisch belegt, dass rund drei Viertel der Bezieher von Arbeitslosengeld II auch nach 12 Monaten noch in der Grundsicherung sind“, sagte Wagner vor zahlreichen Gästen aus Politik, Gewerkschaften und Verwaltung.

Aktivierungsparadigma in Frage stellen
Die Wissenschaftlerin sprach sich dafür aus, das vorherrschende „Aktivierungsparadigma“ zu hinterfragen. Arbeitslosigkeit werde so zu einem individuellen Problem umgedeutet. Statt alles daran zu setzen, existenzsichernde Arbeitsplätze zu schaffen, sollen Menschen angehalten werden, auch niedrig entlohnte Arbeit anzunehmen.

Der Druck, der über die Androhung von Leistungskürzungen auf Arbeitssuchende ausgeübt werde, habe tatsächlich zu einer „gewachsenen Konzessionsbereitschaft“ geführt. So werde immer häufiger auch schlecht bezahlte Arbeit angenommen, bei der das niedrige Entgelt durch Transferleistungen aufgestockt werden muss. Die Hartz-Reformen hätten so mit dazu beigetragen, den Niedriglohnsektor in der Bundesrepublik auszuweiten. So seien immer mehr Menschen zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen auf staatliche Leistungen angewiesen.

Für eine solche „aktivierende“ Arbeitsmarktpolitik sei es zweckmäßig, die Auszahlung des Arbeitslosengelds II einerseits und die Vermittlung und arbeitsmarktpolitische Förderung andererseits „aus einer Hand“ zu gewähren. „Das muss aber nicht zwingend miteinander verknüpft werden“, sagte Wagner.

Alles „aus einer Hand“?
Die populäre Forderung, die Dienstleistungen für die Arbeitssuchenden müssten „aus einer Hand“ erbracht werden, findet laut Wagner schon heute keine Entsprechung in den realen Gegebenheiten. Tatsächlich gebe es in der Regel mehrere Ansprechpersonen in den Grundsicherungsstellen: Leistungssachbearbeiter, Vermittler, Fallmanager. „Viele Dienstleistungen müssen aus Qualitätsgründen in spezialisierter Form erbracht werden“, sagte die Wissenschaftlerin. Daher müsse es bei der Neuorganisation der Jobcenter um die intelligente Gestaltung von Schnittstellen gehen.

„Die Menschen wollen Arbeit“
„Die meisten Menschen wollen Arbeit und keine Almosen“, sagte Wagner angesichts der laufenden Debatte über vermeintlich arbeitsunwillige Empfänger staatlicher Leistungen. Es sei die Aufgabe von Arbeitsmarktpolitik, auch weniger qualifizierte Menschen oder Arbeitssuchende mit schwierigen Biografien zu vermitteln und zu fördern. Die Arbeitsmarktpolitik habe mit Einführung der Hartz-Gesetze allerdings viel zu stark auf statistisch ausweisbare Erfolge gesetzt und sich viel zu wenig um qualitative Standards gekümmert. Es dürfe jedoch nicht um „Arbeit um jeden Preis“ gehen, sondern um existenzsichernde Beschäftigung. (red)



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