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Pollenbach: Die Wurzeln der Kindheit

Von Tobias Knopp

Pollenbach. Heribert Stutzke (56) ist ein Mann der Tat. Als Hilfspolizeibeamter der Gemeinde Pollenbach/Niederhessen wird das auch von ihm verlangt. Heribert Stutzke, der als Seiteneinsteiger über den zweiten Bildungsweg in den öffentlichen Dienst wechselte, gilt als hart, aber gerecht. Bereits in seinen Kindertagen liebte er es, den Ferkeln in Papa’s Schweinestall (Foto) Zucht und Ordnung beizubringen: Damals huschte der kleine Heribert schon vor dem morgendlichen Frühstück über den kopfsteingepflasterten Hof. Er verschwand hinter dem klapprigen Verschlag mit dem rostigen Schild „Brucellosefreier Mastviehbestand“, von dem sich dicke schwarze Spinnen an ihren feuchten Fäden heilsuchend in die Tiefe fallen ließen, wenn man die schwere Tür in ihren quietschenden Angeln bewegte.

Dann zog er ganz leise das Schloss hinter sich zu und pirschte auf Zehenspitzen über das lose verstreute Stroh. Schon stieg ihm jener stechende Geruch nach ranziger Gülle in die Nase, wenngleich die Sauen und ihre rosigen Ferkel noch rhythmisch entspannt atmeten und süß im Traume dämmerten. Bald hatte Heribert das große alte Ölfass erreicht. Er griff nach der achtlos im Stroh steckenden Heugabel, holte weit aus und schlug sie mit voller Wucht gegen das Fass, wo sie mit einem fürchterlich lauten Geräusch einschlug. „Aufstehen, Sauvolk!“, brüllte der kleine Heribert aus vollem Hals. Wie von Furien gehetzt sprangen die Ferkel und Sauen hoch, quiekten, traten panisch aus und stürzten wild übereinander. Manche brachen sich ihre kleinen Läufe, andere bissen um sich und wieder andere sackten zu Tode erschrocken zusammen und hauchten ihren letzten Atem aus. Dann war es für einen kurzen Augenblick ganz still im Stall.

Das war immer der Moment, in dem Papa kam. „Was tust Du da, Junge?“, rief er entsetzt. Doch Papa wusste, er würde keine Antwort bekommen. Und er wusste: Der kleine Heribert hatte ihn in der Hand! Heribert hatte Papa damals beobachtet, als er seine Schweine fütterte: erst mit faden Rübenschnitzeln, dann mit faulen Kartoffeln, dann mit Opa und dann mit dem Knecht. Papa hatte damals gesagt, der kleine Heribert müsse das doch verstehen…er könne sich nicht jeden Tag das teuere Schweinefutter leisten und die Milchpreise seien auch so im Keller, da bliebe nicht viel zum Leben. Außerdem seien doch die Raten für den neuen Schlepper so hoch und sie hätten doch nur Opa’s kleine Lebensversicherung…. Und da wurde dem kleinen Heribert schlagartig klar, was Onkel Gisbert immer damit meinte, als er sorgenvoll den Arm um seine kleinen Schultern legte, an seiner alten Pfeife sog, mit der Hand auf den Stall deutete und nachdenklich seufzte: „Haddamar wedder nix for de Forkel zu fresse, dä Pappa, watt Jung?“.

Irgendwann später hatte Heribert seinen Vater gefragt, wo eigentlich seine Mutter sei. Papa hatte immer gesagt: „Junge, Du hast gar keine Mutter. Dich hat der Klapperstorch gebracht…“ Aber mit den Jahren hegte der kleine Heribert zunehmende Zweifel an dieser Hypothese, bis er eines Tages die Tür des Gefrierschranks im Vorratskeller öffnete. Ein schier endloser Schrecken durchfuhr ihn und ein eiskalter Schauer rollte von seinem Nacken in die Kniekehlen, die ihren Dienst zitternd zu versagen drohten. Durch das fahle Licht der Innenbeleuchtung starrten sie ihn an: zwei kalte, tote Augen, eisverkrustet, den ungläubigen Blick gen Himmel gerichtet, den Schnabel zu einen stummen Schrei verzerrt. Aus den Zweifeln wurde schreckliche Gewissheit: Der Klapperstorch war tot, und das schon ziemlich lange. Sein Bauch wies eine tiefe Wunde auf, von einer Schrotgarbe vielleicht. Seine schlaffen Flügel zeigten kristallinen Gefrierbrand, einzelne Federn klebten an den blutbespritzten, schimmeligen Wänden der Kühlkombination. Und gleich daneben baumelte der Osterhase, leidlich ausgeweidet und gespickt mit seinen eigenen, buntgefärbten Eiern. Und auf dem Boden lag ein höhnisch grinsender Milka-Schmunzelhase, vom Tritt einer Sau zu einem klebrigen Brei zermalmt. Aha, das mit Ostern war also auch nur so eine elendig verlogene Geschichte!

An diesem Tag beschloss der kleine Heribert, fortan das Böse zu bekämpfen; das Böse und die Schweine. Die hatten nämlich Opa und den Knecht gefressen. Aber der hatte sowieso meistens Mundgeruch und vermutlich einen Migrationshintergrund (Polen). Und bis zum Winter würde sich der kleine Heribert eine Waffe besorgen und gnadenlos den Nikolaus abknallen! Sack, Rute, Äpfel, Nüsse…pah, mit dem würde er Schlitten fahren! Heribert Stutzke war schon als Kind ein Mann der Tat und jeder wusste, er würde zu seinem Wort stehen. Aber als er in der alten Kiste neben der Gefrierkombination ein Rentiergeweih und einen zerbissenen roten Mantel fand wusste er, er kam zu spät …

Gleich nach dem erfolgreichen Abschluss der fünfjährigen Lehre in der Metzgerei Hühnerkopf (Pollenbach) und einer abgebrochenen akademischen Ausbildung im Studiengang „Master of Swines“, musste Heribert Stutzke seinen Traumberuf an den Nagel hängen. Eine hartnäckige Mett-Allergie zerstörte jegliche Hoffnungen, weiteren Paarhufern virtuos das Schafott zu bereiten. An seinem 22. Geburtstag war Heribert Stutzke erwerbsunfähig. Sicher, er erhielt üppige Zahlungen der Niederhessischen Rentenversicherung, aber seinen Lebensabend hatte er sich anders vorgestellt. Was sollte er tun mit seiner Zeit? Von Langeweile getrieben streifte er tagsüber durch das Dorf. Auf einem Zettel notierte er sich Falschparker, Ehebrecher und Ruhestörer. Einfach nur so, zum Spaß. Bald darauf erweitere er seine Liste um Homosexuelle, Ausländer und Katholiken. Auch Gartenzwerge, illegal errichtete Kleinbauten und langbärtige Islamisten kamen nicht ungeschoren davon. „Stutzkes Liste“ nahm stetig an Umfang zu, und der Unterschied zum örtlichen Telefonbuch war bald nur noch am Fehlen der Werbung auszumachen.

Als in Pollenbach eine Stelle im freiwilligen Hilfspolizeidienst vakant wurde, war Heribert Stutzke sofort Feuer und Flamme. Mit den detaillierten Kenntnissen über die außerehelichen Abenteuer des Herrn Bürgermeisters Gotthilf Frithjof Rasenstock (parteilos) und als einziger Bewerber, war seine Ernennung zum Pollenbacher Hilfspolizeibeamten reine Formsache. Seitdem hat Heribert Stutzke eine neue Lebensaufgabe gefunden.

Der verschlafene kleine Ort Pollenbach hat Heribert Stutzke heute viel zu verdanken, nur weiß das niemand bisher wirklich zu schätzen. Noch nicht, jedenfalls. Heribert Stutzke setzt auf Prävention. Er beugt dem Verbrechen vor, in dem er potentielle Täter festsetzt, bevor diese auf den Gedanken kommen, Straftaten zu begehen. Heribert Stutzke kombiniert, kontrolliert, überwacht und ermittelt. Er ist ein Fels in der tosenden Brandung, ein Garant für ein strukturiertes Miteinander in einer unsicheren Zeit.

Vertrauen auch Sie auf Heribert Stutzke. Er ist das Gesetz.

Zur Person:
Heribert Stutzke ist 56 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 36 und 40 Jahren. Herr Stutzke ist gelernter Metzger und seit seinem 22. Lebensjahr frühberentet. Seine Interessen liegen im Bereich Deutsche Geschichte und er ist Kassenwart des Schützenvereins „Alle Neune 1946 Pollenbach e.V.“.

Foto 1: Heribert Stutzke (tk)

Foto 2: Der Stall (tk)

Fortsetzung folgt



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Ein Kommentar zu “Pollenbach: Die Wurzeln der Kindheit”

  1. Daniel

    okay, das ist mal eine interessante art, mit heimischen ereignissen umzugehen. das kommt jetzt jede woche? bin gespannt.


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