Besonderes Handwerk, alte Mühle, neue Kraft

Kerstenhausen. Aus Bewegung Energie gewinnen, oder: Die Umwandlung kinetischer in elektrische Energie. Dieses uralte Konzept kannten schon die Vorväter. Am Deutschen Tag der Mühle zeigte Adolf Lux, welches ökologisch nachhaltige Energie-Konzept er mit seiner historischen Mühlentechnik verwirklicht hat. Peter Fritschi hat es sich angesehen.
Wenn Müller Adolf Lux in seiner Mühle Besuch bekommt und mit dem Ölkännchen in der Hand seine Obermühle in Kerstenhausen betritt, sprüht er vor Begeisterung und beginnt zu erzählen. Er gerät ins Schwärmen, und das aus gutem Grund.
134 Jahre im Familienbesitz

„Gehören wind- und wasserbetriebene Mühlen nicht zu den ältesten technischen Betrieben“, beginnt er seinen Rundgang im Plauderton.
In Nordhessen, genauer gesagt im nördlichen Schwalm-Eder-Kreis, liegt die Obermühle. Das kleine Kerstenhausen liegt idyllisch zwischen der Bergbaustadt Borken und dem Kurort Bad Zwesten. Seit über 440 Jahren gibt es die Obermühle an der Schwalm nachweislich, seit 1578 drehen sich die Räder der alten Wassermühle.
Seit 1890 ist die Obermühle im Besitz der Familie Staffel-Lux. Müllermeister Georg Staffel leitete die Mühle über viele Jahrzehnte, blieb dem Müllerhandwerk treu und unterstützte bis ins hohe Alter von 87 Jahren seinen Schwiegersohn Adolf Lux, ebenfalls Müllermeister. Auch heute noch arbeitet Adolf Lux als Müllermeister in der Mühle und bringt sein Wissen um die richtige Mehlmischung ein.

Lederne Riemen am Räderwerk
Der Mühlenbetrieb und das landwirtschaftliche Anwesen werden heute von den Brüdern Volker und Claus-Wilhelm Lux sowie deren Familien in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bewirtschaftet.
Die kleine Wassermühle stellt in der heutigen Zeit eine Besonderheit dar, auf deren immer noch funktionierende Technik die Familien Staffel und Lux mächtig stolz sind. Viele zufriedene Kunden setzen beim Einkauf auf Regionalität und wissen die Qualität der Mehle zu schätzen.

Die Technik der Mühle ist 450 Jahre alt, die Transmissionsriemen sind aus Leder und nach Aussage des Mühlenmeisters wurde seit über 100 Jahren kein einziges mechanisches Teil des komplizierten Räderwerks ausgetauscht. „Oel ist das Lebenselixier“, sagt der Müllermeister. „Nur eins ist wichtig, die ständige Schmierung der Wellen des Räderwerks“.

In einer Wassermühle bezeichnet der Begriff Welle die Achse oder den Drehzapfen, die durch das Wasserrad gedreht wird. Diese Welle überträgt die Energie des Wassers auf die Arbeitsmaschinen der Mahlsteine der Mühle. Das Wasserrad wandelt die Bewegungsenergie des Wassers in Energie der rotierenden Welle um.
Turbine ersetzt Wasserrad
Die einzige technische Änderung fand 1930 statt. Das hölzerne Mühlrad fiel dem strengen Winter zum Opfer und wurde durch eine Turbine ersetzt. Keine billige Investition, wie Müller Lux beim Rundgang in und um die Mühle erklärt. Die in der Mühle eingebaute Francis-Turbine – eine Erfindung des Ingenieurs James B. Francis (USA 1849) – arbeitet bis heute zuverlässig und störungsfrei.
Neben dem Generator zur Stromerzeugung treibt die radial angeströmte Turbine über eine axiale Transmission die Mühle an. „So können wir – wie schon Generationen vor uns – das hochwertige Korn zu Mehl mahlen“, erklärt Müller Lux. In seinen Mahlgängen produziert er Roggenmehl, Dinkelmehl sowie Backschrot aus Weizen.
„Die Bäckerei Stübing in Homberg/Efze ist noch die einzige Bäckerei, die das Mehl aus der Mühle bezieht“, sagt der Müller dann nachdenklich. Er weiß: Zu seinem Leidwesen stirbt das Bäckerhandwerk in den Dörfern langsam aus.
Deutscher Mühlentag
Der Deutsche Mühlentag ist ein bundesweiter Aktionstag, der seit 1994 traditionell am Pfingstmontag stattfindet. Es öffnen rund 650 historische Mühlen in ganz Deutschland ihre Türen für Besucher. Die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung (DGM) e.V. und ihre Landes- und Regionalverbände laden jährlich zu diesem Ereignis ein, und die Mühlenbetreiber gewähren interessante Einblick in das Kulturgut Mühle und das alte Müllerhandwerk.

(pef | red)