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Filmabende über Radikalisierung junger Menschen

Beim Auftakt der Filmreihe (von links): Prof. Dr. Susanne Gerner (Evangelische Hochschule Darmstadt), Dr. Reiner Becker (Universität Marburg) und Hephata-Diakonin Kathrin Rühl. Foto: nh

Beim Auftakt der Filmreihe (von links): Prof. Dr. Susanne Gerner (Evangelische Hochschule Darmstadt), Dr. Reiner Becker (Universität Marburg) und Hephata-Diakonin Kathrin Rühl. Foto: nh

Schwalmstadt. Unter dem Titel „Faszinierend extrem?“ bietet die Evangelische Hochschule Darmstadt (EHD) am Studienstandort Hephata gemeinsam mit dem Burgtheater Treysa eine Filmreihe zu „Radikalisierungsprozessen bei jungen Menschen“ an. Die Kinofilme sind öffentlich und beginnen jeweils um 18 Uhr im Burgtheater. Der Eintritt beträgt fünf Euro.

Die Filmreihe findet im Rahmen der gleichnamigen Lehrveranstaltung im Studiengang Soziale Arbeit statt. Dabei geht es um Formen und Ursachen, wie und warum junge Frauen und Männer sich radikalisieren und extremen Gruppen anschließen. Das begleitende Seminar zur Filmreihe rückt zudem in den Fokus, wie Präventions-, Bildungs- und Beratungsangebote in der Region hieran anknüpfen. Das Seminar ist nicht öffentlich.

Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe unter der Leitung von Prof. Dr. Susanne Gerner (EHD) und Diakonin Kathrin Rühl (Hephata) sprach kürzlich Dr. Reiner Becker, Leiter des Demokratiezentrums Hessen an der Philipps Universität Marburg, über Forschung und aktuelle Entwicklungen in Hessen. In den vergangenen zwei Jahren sei der Beratungsbedarf enorm gestiegen, da immer mehr Jugendliche sich radikalisierten, so der Erziehungs- und Politikwissenschaftler, der im Beratungs-Netzwerk Hessen unter anderem mit dem Informations- und Kompetenzzentrum Ausstiegshilfen Rechtsextremismus (Ikarus) der hessischen Polizei zusammen arbeitet.

„Niemand wacht als hochideologisierter Rechtsextremer auf“, so der Erziehungs- und Politikwissenschaftler. Gerade die starke Tendenz junger Menschen hin zum religiösen Extremismus sei eine Entwicklung, der sich unsere Mehrheitsgesellschaft viel zu lange verschlossen habe. Antisemitismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit und die Ablehnung der Asylbewegung fuße vor allem auf Vorurteilen der Älteren in unserer Gesellschaft. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sei unter zehn bis 15 Prozent der Deutschen verbreitet. Bei der Bindung dieses Potentials durch die rechtspopulistische Bewegung, wie „Pegida“ 2015 in Dresden, hätten soziale Netzwerke im Internet entscheidenden Einfluss. Heute werde jedes Befinden, jede Äußerung unmittelbar ins Netz gestellt. Die Folge: Die politische Kommunikation verrohe zusehends. Becker: „Das ist die Welt, in der Jugendliche heute groß werden.“

Grund für den steigenden Rechtspopulismus seien Status- und Werteverlust ganzer Gruppen. Angriffe auf Flüchtlingswohnheime stünden nach wie vor auf der Tagesordnung, auch Bürgermeister wie in Neu-Isenburg und Dreieich seien zunehmend bedroht. Dabei spiele in der öffentlichen Wahrnehmung der Rechtsextremismus kaum noch eine Rolle, das „große Thema“ sei der Rechtspopulismus. Dieser sei in der Regel ohne offenen Bezug zum Faschismus und lehne auch die Demokratie nicht ab, fordere jedoch die „direkte Demokratie“. Im Gegensatz zum Rechtsextremismus enthalte der Rechtspopulismus keinen völkischen Rassismus. Die Abgrenzung finde vielmehr auf kultureller Ebene statt: „Kulturen sind nicht vereinbar.“ Dabei beriefen sich die Rechtspopulisten von heute auf den völkischen Nationalismus der 1920er Jahre.

Nährboden für die Radikalisierung von Jugendlichen lieferten zudem auch oft negative Erfahrungen in der Schule, so Becker. So werde Schule oft als Ort der Desintegration erfahren: mangelnde Anerkennung und negative Erfahrungen in der Schule stützen die Zugehörigkeit zu Rechtsextremismus. Als Einstieg sei den Jugendlichen vor allem wichtig, zu einer Clique oder Gruppe zu gehören, die Ideologie sei nachrangig.

Radikalisierung bei jungen Menschen finde in Hessen eher im ländlichen Raum statt. Dort gebe es eine reichere Jugendkultur, von der Feuerwehr über die Burschenschaft bis hin zum Sportverein. Vorurteile gegen Andere seien im ländlichen Raum ausgeprägter als in der Stadt, so der 46-Jährige: „In der Stadt werden Jugendliche mit Fremden groß.“ Oft spiele Musik dabei eine Rolle, „aber nicht jeder, der rechte Musik hört, ist ein Rechtsextremer“, so Becker.

Dementsprechend sei es oft eine Frage der eigenen Haltung der Rechtsradikalisierung von Jugendlichen zu begegnen. „Was bieten wir an Zugehörigkeit und Wertschätzung an?“, sei die Frage, die sich jeder Einzelne stellen müsse.

Folgende Kino-Termine: Mittwoch, 13. Dezember: „Die fetten Jahre sind vorbei“. Die Veranstaltungsreihe schließt am Mittwoch, 17. Januar, mit einem Seminar mit Tom Werner (Schwalm-Eder-Kreis) zum Thema „Gewalt geht nicht“ (17 bis 19 Uhr, Studienstandort Hephata). (red)



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