Herausforderungen in der Pandemie

Region. Kitas und Schulen stehen nach Wochen der Pandemie vor riesigen Herausforderungen für Eltern, Beschäftigte, Kinder, Jugendliche und Verantwortliche. In der Krise werden bisherige Probleme wie im Brennglas fokussiert und verstärkt.
Spagat zwischen Bildung und Infektion
Aus ganz verschiedenen Perspektiven schauen Eltern, Kinder und Jugendliche sowie Beschäftigte und politisch Verantwortliche auf die Öffnung von Kitas und Schulen. Eltern wollen und brauchen eine verlässliche Betreuung und Unterricht für ihre Kinder, aber keine Übertragungen des Virus in Kitas und Schulen.
Erzieherinnen und Lehrerinnen drängen auf den Schutz vor einer Ansteckung durch das Corona-Virus für sich und ihre Angehörigen, wollen aber wieder unterrichten und in der Kita für die Kinder da sein. Kinder und Schüler*innen brauchen die sozialen Kontakte und gemeinsames Lernen. Politisch Verantwortliche müssen die Vorgaben zum Pandemieschutz umsetzen und diese verschiedenen Interessen moderieren.
Bei einem Pressegespräch des DGB Nordhessen trafen diese unterschiedlichen Sichtweisen aufeinander und wurden kontrovers beleuchtet.

Unter verschärften Bedingungen mehr Personal
Einig waren sich die Teilnehmerinnen, dass die Bildungs- und Betreuungskrise während der Pandemie in erster Linie bisherige Probleme enorm verschärfe: So ließen fehlende Fachkräfte an Kitas und Schulen und teilweise zu wenig Räume keine kleineren (Lern)Gruppengrößen zu. Wenn nun unter anderem wegen Corona verstärkt Beschäftigte fehlten, arbeiteten die verbleibenden Erzieherinnen und Lehrer*innen unter verschärften Bedingungen. Weitere personelle Ressourcen in Kitas und Schulen zu organisieren, sei demnach dringend notwendig, so der Tenor der Pressekonferenz.
Ob dies Abstriche an der Qualifikation des eingesetzten Personals mit sich bringe, war umstritten. Die fehlende digitale Infrastruktur in den Schulen und für viele Schülerinnen verhindert Unterricht und eigenständiges Lernen zu Hause. Kritisch betrachteten alle Teilnehmerinnen die kurzfristigen Informationen aus dem Hessischen Sozial- und dem Kultusministerium sowie die mangelnde Beteiligung. Verantwortliche und Beschäftigte in Kitas und Schulen erfuhren neueste Beschlüsse zeitgleich aus den Medien wie Eltern und Schüler*innen, müssten jedoch sofort auf deren Nachfragen reagieren, ohne Zeit die Umsetzung der Beschlüsse vorzubereiten.
Verlässlicher Plan wird erwartet
Die Teilnehmer*innen bezogen jedoch auch unterschiedliche Standpunkte. Jenny Huschke, Geschäftsführerin des DGB Nordhessen, verdeutlichte die Perspektive erwerbstägiger Eltern. Nicht alle Arbeitgeber reagierten flexibel. Müssten Eltern im Job regulär anwesend sein, ohne Dienste oder Schichten tauschen zu können, wurde ihr Spagat riesig.
Entgeltersatzleistungen seien wichtig, aber nicht für alle zugänglich und zeitlich befristet. Von der Landes- und Kommunalpolitik erwarte sie einen verlässlichen Plan, wie Kitas und Schulen nach den Hessischen Sommerferien Betreuung und Bildung gewährleisten.
Gemeinsam Konzepte entwickeln
Vera Reinbold (ver.di, Personalrätin bei der Stadt Kassel) forderte einen Kita-Gipfel, bei dem die Träger, politische Entscheider*innen, Eltern und Beschäftigte gemeinsam Konzepte für Kitas und Horte entwickeln. Immer wieder geänderte Anforderungen und Aussagen, beispielsweise zum Abstandsgebot, sorgten für enorme Probleme bei der Umsetzung und hinterließen gerade bei den Kindern, die eigentlich klar Orientierung bäuchten, verwirrende und teilweise verstörende Eindrücke.
Abstriche und Kompromisse
Bürgermeister Michael Steisel (Gemeinde Söhrewald als Vertreter der Bürgermeisterkreisversammlung Kassel) hielt dagegen, dass es vor Ort in den Spielräumen der Kommune, die er grundsätzlich positiv bewertete, gut gelänge, die Bedürfnisse der Eltern und der Beschäftigten der Kitas einzubeziehen. In Anbetracht der Pandemie müssten jedoch alle Abstriche machen und Kompromissen gefunden werden.
Lehrkräfte im Frust
Das Thema demokratische Beteiligung an Schulen war auch ein zentrales Anliegen von David Redelberger (GEW, Lehrer). Die kurzfristigen Verordnungen seitens des Hessischen Kultusministeriums stellten die Schulleitungen vor immense Probleme und sorgten bei den Lehrkräften für enormen Frust. Gerade neu erarbeitete Konzepte und Dienstpläne mussten mehrfach neu erstellt werden. Lehrerinnen wollen wieder unterrichten und für Schülerinnen da sein. Die Öffnung der Schulen dürfe jedoch nicht von oben angeordnet werden, sondern müsse unter Beteiligung aller von unten geschehen.

Investitionsstau an Bildungseinrichtungen
Stephan Wassmuth, Vorsitzender des Bundeselternrats, kritisierte generell, dass „Home-Schooling“ überhaupt stattfinden muss. Mit einer guten digitalen Infrastruktur und darauf abgestimmten pädagogischen Konzepten könnte auch in Pandemie-Zeiten Unterricht weitgehend durch Lehrerinnen und Lehrer stattfinden. Es räche sich vor allem der Investitionsstau an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen vor der Pandemie.
Gegenwärtige Regeln einhalten
David Bösl, Stadtschulsprecher in Kassel, blickte aus Sicht der Schülerinnen vor allem mit Sorge auf das kommende Schuljahr und die Prüfungen, die danach abgelegt werden müssen. Hier würden den Schülerinnen viele Unterrichtsinhalte fehlen. Er betonte, dass es auch Schüler*innen wichtig ist, die gegenwärtigen Hygiene und Abstandsregeln einzuhalten, auch wenn das stellenweise anders dargestellt würde.
► Handout zur Pressekonferenz (pdf)
(red)