Der Zuckerindustrie drohen Warnstreiks
Schwalm-Eder. Gut 6.062 Tonnen Zucker im Jahr – so süß lebt der Schwalm-Eder-Kreis. Denn der statistische Pro-Kopf-Konsum liegt bei 91 Gramm Zucker am Tag. Umgerechnet würde das für den Schwalm-Eder-Kreis einen gigantischen Berg von 2 Milliarden Stück Würfelzucker pro Jahr bedeuten.
Das rechnet aktuell die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vor.
Es geht um Beschäftigte in Wabern
Gleichzeitig zieht die NGG-Region Nord-Mittelhessen aber auch die Zucker-Bremse: „Es kann in den kommenden Wochen ein gewisses ‚Zucker-Defizit‘ geben“, warnt NGG-Geschäftsführer Andreas Kampmann. Grund dafür sei ein Tarifstreit mit der Zuckerindustrie. Dabei gehe es vor allem auch um die rund 100 Beschäftigten des Südzucker-Werks in Wabern. Für sie fordert die NGG ein Lohn-Plus von 9,8 Prozent. Außerdem sollen Azubis 190 Euro mehr pro Monat ins Portemonnaie bekommen.
Preisspirale nach oben geschraubt
Die Arbeitgeber hätten bislang „allerdings nur 4 Prozent mehr Lohn“ angeboten. Dazu eine Einmalzahlung von 1.000 Euro, so die Gewerkschaft. „Das reicht aber bei weitem nicht, um die Inflation auszugleichen. Die hat nämlich in den letzten beiden Jahren gewaltig auf den Lohn gedrückt: Die Kaufkraft ist seitdem regelrecht weggerutscht“, so Kampmann. Dagegen habe die Zuckerindustrie „im Sog der Inflation kräftig die Preisspirale nach oben geschraubt“.
„Sie hat ein enormes Umsatzplus gemacht und satte Gewinne eingefahren. Davon haben zwar auch die Zuckerrübenbauern der Region profitiert – vor allem aber die Südzucker AG selbst“, sagt Andreas Kampmann.
Zucker-Engpass mit Folgen
„Sind die Arbeitgeber nicht bereit, deutlich mehr in die Lohntüten zu packen, dann wird das auch für den Südzucker-Standort in Wabern Konsequenzen haben. Ab April drohen Warnstreiks in allen Zuckerwerken. Wenn es dazu kommt, dann werden weder Tüten- noch Würfelzucker verpackt. Und auch die Produktion von Zuckersticks für die Gastronomie steht dann vorübergehend still“, so Andreas Kampmann.
Vor allem aber müsse sich die Lebensmittelindustrie auf einen „Zucker-Engpass“ einstellen. „Das hätte dann Folgen für eine ganze Palette an Produkten, die ohne Zucker nicht funktionieren: von der Schokolade über die Marmelade bis zur Limonade“, so der Geschäftsführer der NGG Nord-Mittelhessen.
Bei der Bezahlung kräftig nachsüßen
Kampmann sieht allerdings noch keinen Grund für „spontane Hamsterkäufe“ im Supermarkt: Ende März gebe es noch eine dritte Tarifrunde. „Dann entscheidet sich, ob die Zuckerindustrie bereit ist, beim Lohn nachzulegen“, so der Gewerkschafter weiter. Die Beschäftigten des Zuckerwerks in Wabern erwarteten jedenfalls, dass die Arbeitgeber bei der Bezahlung „noch kräftig nachsüßen“.
Bislang habe die NGG gute Erfahrungen mit der Südzucker AG gemacht, wenn es beispielsweise in puncto faire Arbeitsbedingungen um die Kooperation mit der Unternehmensleitung gegangen sei. „Umso unverständlicher ist es, dass die Arbeitgeber jetzt – nach satten Gewinn-Jahren – beim Lohn-Plus so stark auf die Bremse treten. Das wollen und können sich die Beschäftigten nicht bieten lassen“, sagt Kampmann.
Gesundheit und Soziales
Insgesamt sei die Zuckerindustrie ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor für die Region – gerade auch die Landwirtschaft: „Sie ist ein wirtschaftlicher Garant für die Zuckerrübenbauern.“ Die heimische Zuckerindustrie biete damit gute soziale, ökologische und ökonomische Pluspunkte gegenüber importiertem Rohrzucker. „Der wird nämlich – vor allem was den Arbeitsschutz und die Bezahlung angeht – unter teilweise abenteuerlichen Bedingungen hergestellt“, sagt Andreas Kampmann.
Die Gewerkschaft macht klar: Wer wie viel und welchen Zucker konsumiere, sei ohnehin eine individuelle Entscheidung. „Es gibt neben den gesundheitlichen Aspekten aber eben auch noch einen sozialen Blickwinkel“, so der NGG-Geschäftsführer.
Hinweis: Nach aktuellen Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker bei 33,2 kg im Jahr.
(NGG | red)
