Henri Alter katapultierte den Speer auf 60,30 Meter
Sindelfingen/Melsungen. In Sindelfingen wurden im dortigen Glaspalast und auf den angrenzenden Wurfplätzen die deutschen Jugendmeisterschaften der Leichtathleten in der Halle sowie in den Würfen ausgetragen. Allerdings fanden die Hammerwurf-Wettbewerbe aus Sicherheitsgründen im Stadion Festwiese in Stuttgart statt. Das Speerwerfen der U20 wird Henri Alter sicherlich nicht so schnell vergessen. Der vielseitige Melsunger, der sich in dieser Hallensaison nicht nur im Weitsprung (6,71 m) und Dreisprung (13,35 m), sondern auch im Kugelstoßen (13,33 m) sowie im 60m-Sprint (7,33 Sek.) verbessern konnte, war nach dem Speerwurf-Finale von Sindelfingen einfach nur glücklich: Mit 60,30 Meter hatte er zum ersten Mal die 60m-Marke geknackt und den 18 Jahre alten Kreisrekord von Andreas Kant (Obervorschütz), der am 27. April 1996 in Wetzlar 59,54 Meter geworfen hatte, um 76 Zentimeter verbessert.
Von der Papierform zeichnete sich bei diesen Winterwurfmeisterschaften ein spannendes Duell zwischen Christoph Müller (SC Magdeburg) und Dominic Strauß (SC Potsdam) ab, denn die beiden U18-WM-Teilnehmer hatten im Vorjahr den 700-Gramm-Speer auf 72,83 und 71,79 Meter katapultiert. Jonas Bonewit aus München, der sich im Vorjahr mit dem 800-Gramm-Speer der 70m-Marke genähert und sich den U18-Meister-Titel im Jahres 2012 geholt hatte, wollte sich aber nicht so schnell geschlagen geben. So war für dieses Trio vor dem Wettkampf eigentlich keine ernsthafte Konkurrenz vorhanden, zumindest schien es so nach der Meldeliste. Sascha Menn aus Kindelsberg Kreuztal (63,07 m) sowie Nico Rensmann aus Leverkusen (62,92 m) und Tobias Seel aus Neckar-Enz (62,29 m) waren die nächsten Verfolger. Noch der Zehntplatzierte, Max Emmerich aus Uerdingen, hatte im Vorjahr den Speer mit 60,12 Meter weit geworfen. Henri Alter, der Melsunger Allrounder, konnte wegen einer Fersenprellung, die er sich beim Weitsprung zugezogen hatte, in den letzten Wochen nicht mehr richtig trainieren. Da er auch leichte Schmerzen im Ellenbogen seines Wurfarms verspürte, nahm er in diesem Winter nur ein einziges Mal den Speer in die Hand und setzte bei den hessischen Winterwurfmeisterschaften als Landesmeister mit 54, 81 Meter eine Duftmarke, die aber die DLV-Kaderathleten sowie viele der übrigen Speerwerfer, die sich für diese deutschen Meisterschaften qualifiziert hatten, nicht beeindrucken konnte.
Bei Temperaturen unter zehn Grad wurde der Speerwurfwettbewerb auf einer rutschigen und teilweise beim Abwurf beschädigten Anlage durch Max Emmerich eröffnet. Der Uerdinger begann mit 53,69 Meter und schüttelte den Kopf, denn er hatte sich zum Auftakt mehr vorgenommen. Auch Tobias Seel, der ebenfalls 53,69 Meter erzielte, konnte mit dieser Weite nicht zufrieden sein. Es folgten mit Jonas Bonewit und Dominic Strauß zwei der großen Favoriten. Doch beide begannen mit einem ungültigen Versuch.
Als fünfter Werfer war Henri an der Reihe. Konzentriert lief er an und schleuderte den Speer vier, fünf Meter vor der Abwurflinie in den grauen Himmel. Als der Kampfrichter das Ergebnis vom Maßband ablas, war dem 18-Jährigen bereits die erste Überraschung an diesem Tag geglückt. Mit 56,25 Meter ging er in Führung. Erst Sascha Menn, der mit 63,07 Meter gemeldet war, übertraf im ersten Durchgang mit 58,87 Meter seine Weite. Alle warteten gespannt auf Christoph Müller, der im Vorjahr bei der U18-WM mit 72,83 Meter den 6. Platz belegt hatte. Aber Müller kam nur auf 58,84 Meter und hatte nach dem ersten Durchgang nur 2,29 Meter Vorsprung vor Henri. Sascha Graf aus Steinbach in Baden, der sich im Vorjahr auf 60,58 Meter verbessert hatte, übernahm im ersten Durchgang mit 62,32 Meter die Führung. Da Leon Kalteich vom Turnerbund Hassels mit 57,37 Meter ebenfalls die Weite von Henri übertraf, lag der Melsunger nach dem ersten Durchgang auf Rang fünf.
Im zweiten Versuch verbesserten sich Emmerich (54,97 m) und Seel (54,01 m), fielen aber weiter zurück, weil Jonas Bonewit einen 58,70m-Wurf hinlegte und damit Henri auf Rang sechs verdrängte. Auch der zweite Wurf von Dominic Strauß wurde ungültig gegeben, weil der Achte der U18-WM erneut erst hinter der Abwurflinie zum Stehen kam.
Die Bedingungen waren nicht gut, aber sie wurden durch den nicht einsetzende Regen nicht schlechter, als Henri zum zweiten Mal anlief. Mit einem mächtigen Armzug katapultierte er den Speer so schnell hinaus, dass man schon unmittelbar nach dem Abwurf ahnte, dass der Speer sehr weit fliegen würde. Obwohl er beim Abwurf mit dem Speer seinen Körper berührt hatte bohrte sich das Sportgerät erst hinter der 60m-Linie in den Rasen. Henri konnte nicht einschätzen, wie weit sein Speer geflogen war, denn er hatte das Gefühl, durch diese Berührung einige Meter an Weite eingebüßt zu haben. Aber als seine 60,30 Meter vom Kampfrichter über Mikrofon bekannt gegeben wurden, hob er den Arm und schüttelte den Kopf. Er ahnte, dass diese Weite für das Finale reichen würde. Die DLV-Kaderathleten, die vom DLV-C-Kader-Trainer Ralf Wollbrück aus Magdeburg betreut werden, kannten den kleinsten Teilnehmer im roten Trikot nicht, aber sie erkannten, dass dieser in der Lage war, den Speer noch zwei, drei Meter weiter zu werfen. Auch der Bundestrainer zeigte sich von diesem Wurf sehr beeindruckt, denn Henri lag plötzlich auf Rang zwei. Erst gegen Ende des zwei Versuchs fiel er nach den 60,55m-Wurf von Leon Kalteich auf Rang drei zurück.
Im dritten Durchgang begann die Aufholjagd der vom Deutschen Leichtathletik-Verband geförderten C-Kaderathleten. Jonas Bonewit verbesserte sich auf 62,96 und übernahm für kurze Zeit die Führung. Der Konter von Dominic Strauß folgte mit 66,18 Meter auf den Fuß. Henri wusste, dass er ebenfalls noch zulegen konnte, aber er wirkte beim Abwurf plötzlich verkrampft und stellte den Speer zu steil an.
Als Dreizehnter mit seinen gemeldeten 59,39, aber als Letzter mit seiner Jahresbestweite von 54,81 Meter nach Sindelfingen angereist, qualifizierte er sich als Siebter mit der neuen hessischen Jahresbestleistung von 60,30 Meter für das Finale der besten Acht, wo es zum Ende noch einmal richtig spannend wurde. Jonas Bonewit verbesserte sich mit seinem letzten Wurf auf die deutsche Jahresbestweite von 67,34 Meter und Dominic Strauß von der Spitze. Vorher hatte sich Patrick Held mit 63,91 Meter auf Rang drei vorgearbeitet, so dass drei von vier DLV-Kader-Athleten auf den Medaillenrängen lagen. Eine große Enttäuschung bot aber Christoph Müller. Der Magdeburger blieb mit seine besten Leistung (58,84 m), aber auch mit seiner Serie von 57,06 – 58,44 – 55,80 – ungültig und 54,50 Meter weit hinter den Erwartungen zurück und belegte noch hinter Henri Alter den achten Platz.
Der Melsunger Abiturient aber strahlte, denn er präsentierte sich trotz der ungenügenden Vorbereitung in Bestform: „Ich hatte nicht im Traum damit gerechnet, das Finale zu erreichen. Nach dem 60m-Wurf wollte ich mehr; aber da fehlte mir die Portion Lockerheit wie in den ersten beiden Versuchen“. Wer weiß wie weit der Speer im zweiten Durchgang geflogen wäre, wenn er nicht beim Abwurf seinen Körper berührt hätte… (ajw)
Ergebnis:
1. Jonas Bonewitz; München: 67,34 m
2. Dominic Strauß; Potsdam: 66,18 m
3. Patrick Held; Wanne: 63,91 m
4. Sascha Graf; Steinbach: 62,32 m
5. Leon Kalteich; Hassel: 61,60 m
6. Sascha Menn; Kindelsberg: 61,08 m
7. Henri Alter; Melsungen: 60,30 m
8. Christop Müller; Magdeburg: 58,54 m