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Katalysator der Gleichberechtigung

140 Gäste beim Hephata-Jahresempfang am 12. April

Barbara Eschen, Elke Markmann, Susanne Krahe, Prof. Dr. Anne-Dore Stein, Klaus Dieter Horchem, Peter Göbel-Braun (von links). Foto: HephataSchwalmstadt. „Mitmenschen aktiv – unbehindert leben“, so lautet das neue Jahresmotto der Hephata Diakonie mit Stammsitz in Schwalmstadt-Treysa. Beim traditionellen Jahresempfang am vergangenen Freitag wurde es offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt. Gekommen waren für die 140 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Vereinen, Kirche und Diakonie zwei Gastrednerinnen: Prof. Dr. Anne-Dore Stein, Evangelische Hochschule Darmstadt, und Susanne Krahe, Schriftstellerin und Theologin aus Unna, interpretierten mit ihren Vorträgen des neue Jahresmotto.

„Ich fürchte, dass Sie nicht ohne Verkehrsbehinderung kommen konnten. Derzeit wird auf unseren Straßen wieder viel gebaut. Es kommt zu Behinderungen – das sind von außen zugefügte Störungen“, eröffnete Hephata-Direktorin Pfarrerin Barbara Eschen den Empfang in der Hephata-Kirche. Lange seien Behinderungen als Eigenschaften von Menschen angesehen worden, Eigenschaften, mit denen sich diese aus der Gesellschaft ausschlössen. „Jetzt lernen wir: Menschen sind wie sie sind, jeder auf seine Weise – und je nachdem, wie wir mit einander umgehen – behindern wir uns gegenseitig oder nicht.“ Um dies Realität werden zu lassen, müsse sich die Gesellschaft grundsätzlich ändern. Dafür bedürfe es nicht nur einer Veranstaltung wie den Jahresempfang, sondern eines Prozesses.

Als ein Schwungrad dieses Prozesses sieht Prof. Dr. Anne-Dore Stein, Diplom-Behindertenpädagogin und -Sozialpädagogin von der Evangelischen Hochschule Darmstadt, den Studiengang „Inclusive Education / Integrative Heilpädagogik“, den sie maßgeblich mitentwickelt hat. Pro Jahr lernen dort 40 bis 50 Studierende, welche Bedingungen und Vorleistungen es braucht, um Inklusion zu leben. Mit der Industrialisierung sei das gesellschaftspolitische Phänomen begründet worden, große Menschengruppen aus der Gesellschaft auszuschließen, nämlich behinderte Menschen. Institutionen wie Hephata hätten dabei die Funktion des gesellschaftlichen Unsichtbar machen der betroffenen Menschen gehabt. Die Regionalisierung, also die Auflösung großer Einrichtungen in viele, kleine, in den Regionen liegende Angebote, stelle nun zwar den notwendigen Weg für Teilhabe dar, jedoch sei mit der Abschaffung der Sonderwelten noch lange keine andere Welt geschaffen. Deswegen müsse die Regionalisierung vor allem zwei Bereiche anders angehen als bislang: Die Negation der Institution müsse auch im Kopf stattfinden – „Inklusion fängt in den Köpfen an, das stimmt nach wie vor.“ Und: Die Gesellschaft müsse die Verantwortung zurückbekommen, sich mit allen Teilen ihrer Identität zu befassen. Damit einhergehe, dass Institutionen wie Hephata quasi langfristig daran arbeiten müssten, sich überflüssig zu machen. Nicht in der Form, dass es keiner Fachleute mehr bedürfe. Sondern, dass diese ihre Arbeit anders interpretieren müssten als bislang: „Sie sind die Wegbereiter der Inklusion, deren Katalysator. Sie müssen den Boden bereiten für die aufnehmende Struktur, die Gesellschaft“, so Anne-Dore Stein.

Ein Aspekt, der auch Susanne Krahe am Herzen liegt. Die Schriftstellerin und Theologin erblindete im Alter von 30 Jahren. Ihre wissenschaftliche Laufbahn war damit beendet, Krahe musste sich neu orientieren und verbindet seitdem Theologie mit Schreiben. Gemeinsam mit ihrer Freundin, Pfarrerin Elke Markmann, trug sie aus ihren Büchern Interpretationen von Heilungsgeschichten aus der Bibel vor. Schließlich leitet sich der Name Hephata aus der Heilungsgeschichte des Markusevangeliums ab, als Jesus einen gehörlosen und stummen Mann heilt. „Es ist eine sehr einseitige Sicht, die auch die Bibel teilt: „Die armen Behinderten“, so Krahe, litten unter ihren Handicaps und müssten unbedingt davon befreit werden. Andere Facetten ihres Seins wären dabei völlig unerheblich. Beispielsweise bekomme der Mann in der Hephatageschichte gar keinen Namen, er sei eben nur der Taubstumme: „Taubstumm, ja, was, von Beruf, der wie?“, fragte Krahe. Dies sei ein Indiz dafür, dass die Heilungsgeschichten ihrer Meinung nach aus der Sicht nichtbehinderter Menschen geschrieben worden seien. Und diesen sei es dabei nicht um die Behinderten, sondern um die Positivdarstellung Jesu gegangen. „Es geht nur um Highlights, um Momente, die belegen, dass Jesus der Messias ist. Die Menschen, die geheilt wurden, stehen überhaupt nicht im Interesse der Überlieferer.“ In ihrem eigenen Interesse sei hingegen: „Ich muss nicht korrigiert werden. So, wie ich bin, bin ich ok. Das wäre für den Alltag hilfreich, nicht für die Highlights. Du kriegst Hilfe, wo Du sie brauchst, ansonsten ist das ok. Jeder Mensch hat seine eigenen Bedürfnisse.“ (me)



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